Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.wärtige Präsident des Senats wollte an der großartigen Empfangsfeierlichkeit vom 29. der 10*
wärtige Präsident des Senats wollte an der großartigen Empfangsfeierlichkeit vom 29. der 10*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93988"/> <p xml:id="ID_216" prev="#ID_215" next="#ID_217"> wärtige Präsident des Senats wollte an der großartigen Empfangsfeierlichkeit vom 29. der<lb/> Märzen nicht als bloßer Präsident Theil nehmen, er erinnert sich an sein Napoleon'sches<lb/> Blut, er bestand darauf, an der Seite des Präsidenten, des Kaisers der Republik, zu<lb/> sitzen, und die officiellen Tapezierer finden Nichts einzuwenden gegen diese höchste An¬<lb/> maßung des allerhöchsten Verwandten. Jerome Napoleon wollte um einige Zoll tieser,<lb/> aber an der Seite des Hausherrn der Tuilerien und Frankreichs Platz nehmen. Louis<lb/> Napoleons Thron-Rede oder vorläufig Stuhlrede — denn die Krone bleibt noch ver¬<lb/> deckt — kennen Sie. Aber die Armee scheint verbürgt, Frankreich ist stumm, die Parteien<lb/> aufgelöst, die Presse vernichtet, die gefährlichsten Gegner des Landes verwiesen oder dem<lb/> gelben Fieber in die Arme geschickt; was will man mehr, was braucht man mehr, um<lb/> glücklich zu sein, um Kaiser zu werden? — Der Polizeiminister ist gerade so ein Genie,<lb/> wie der im Lonseil ni'vest selig entschlafene Großmeister Carlier, gnolt' lo sono xiltore,<lb/> auch ich bin im Lande geboren, wo die Schncidercvmplotte wachsen. Maupas hat die<lb/> Patentfähigkeit seiner Erfindung dadurch nachgewiesen, daß er den Schauplatz seiner<lb/> Heldenthaten diesmal nach dem Las« Dänemark,'dem Sammelplatze von Handwerkern<lb/> verschiedener Länder, verlegt. Die neuen Mörder des künftigen Cäsars sind freilich<lb/> schnell' wieder entlassen worden, aber der Tradition ist einmal Genüge geschehen und<lb/> das ist Alles , was verlangt werden kann. Die Lebensgefahr, in welcher das kranke<lb/> Land schwebt, ist nachgewiesen, und daß das alleinige Heilmittel das Kaiserthum sei,<lb/> ist für Jedermann eine ausgemachte Thatsache, und also abermals vive I'emperem'.<lb/> Wie so der dänische Gesandte selbst der imperialistischen Polizei Befürchtungen einflößt,<lb/> und nicht blos das dänische Kaffeehaus, das ist auch einem Asmodäus schwer zu ent-<lb/> räthseln. Es bleibt darum nicht minder eine Thatsache, daß in einem Salon, in dem<lb/> sich Herr von Moll befunden, in Gegenwart desselben Verhaftungen vorgenommen wur¬<lb/> den; also mit den alten Traditionen ist auch in dieser Beziehung gebrochen, die Ge¬<lb/> sandten können keinen Schutz mehr verleihen, auch wenn sie ihre Bürgschaft anbieten.<lb/> Da muß es denn doch gefährlich einhergehen, und Europa wird es endlich begreiflich<lb/> finden, daß Frankreich auf möglichst schneller Rettung im kaiserlichen Hafen bestehe. Da¬<lb/> mit uns endlich gar kein Anlaß zum Überschreiten des Rubicon fehle, erscheint Mephisto<lb/> Munnoz, der spanische Herzog, als DkU8 ox msoliiim und verlangt die Bagatelle von<lb/> nahe einer Million, welche Herr Grimaldi als Unterhändler aus dem Beutel der Köni¬<lb/> gin hervorgezaubert, und da trotz der Convertirung der Renten gewisse hohe und zu-<lb/> künftlich allerhöchste Personen noch keine Zcchlungsncophiten geworden, erhellt die Noth¬<lb/> wendigkeit des goldenen Zeitalters der Cäsaren aufs Neue, und Jedermann wird noch¬<lb/> mals und zum letzten Male mit dem Botschafter in den Ruf: es lebe der Kaiser, ein¬<lb/> stimmen. Glaube man aber ja nicht, so wichtige Staatsgeschäfte könnten das Genie<lb/> des versebesungencn Messias der modernen Gesellschaft ganz ausfüllen. Der Dichter<lb/> des Faust und des Tasso, der Vorfechter von Wilhelms Lehrjahren, hat nebst unzäh¬<lb/> ligen Gedichten noch Zeit gefunden, eine Theorie der Farben zu schreiben und über¬<lb/> dies als wahrer Minnesänger dem Leben seine volle Bedeutung zu geben. Wir kennen<lb/> die platonischen Beziehungen einer englischen Lady zum Elysve, wir wissen, wie diese<lb/> ideale Freundschaft zu einem Zwiespalt« mit der europäischen Diplomatie geführt habe.<lb/> Nichts hier von der künstlerischen Bewunderung für die herrlichen Attitüden der Tänzerin<lb/> Pierra, welcher die Prioritätsrechte Englands keinen Abbruch zu thun im Stande wa-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 10*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
wärtige Präsident des Senats wollte an der großartigen Empfangsfeierlichkeit vom 29. der
Märzen nicht als bloßer Präsident Theil nehmen, er erinnert sich an sein Napoleon'sches
Blut, er bestand darauf, an der Seite des Präsidenten, des Kaisers der Republik, zu
sitzen, und die officiellen Tapezierer finden Nichts einzuwenden gegen diese höchste An¬
maßung des allerhöchsten Verwandten. Jerome Napoleon wollte um einige Zoll tieser,
aber an der Seite des Hausherrn der Tuilerien und Frankreichs Platz nehmen. Louis
Napoleons Thron-Rede oder vorläufig Stuhlrede — denn die Krone bleibt noch ver¬
deckt — kennen Sie. Aber die Armee scheint verbürgt, Frankreich ist stumm, die Parteien
aufgelöst, die Presse vernichtet, die gefährlichsten Gegner des Landes verwiesen oder dem
gelben Fieber in die Arme geschickt; was will man mehr, was braucht man mehr, um
glücklich zu sein, um Kaiser zu werden? — Der Polizeiminister ist gerade so ein Genie,
wie der im Lonseil ni'vest selig entschlafene Großmeister Carlier, gnolt' lo sono xiltore,
auch ich bin im Lande geboren, wo die Schncidercvmplotte wachsen. Maupas hat die
Patentfähigkeit seiner Erfindung dadurch nachgewiesen, daß er den Schauplatz seiner
Heldenthaten diesmal nach dem Las« Dänemark,'dem Sammelplatze von Handwerkern
verschiedener Länder, verlegt. Die neuen Mörder des künftigen Cäsars sind freilich
schnell' wieder entlassen worden, aber der Tradition ist einmal Genüge geschehen und
das ist Alles , was verlangt werden kann. Die Lebensgefahr, in welcher das kranke
Land schwebt, ist nachgewiesen, und daß das alleinige Heilmittel das Kaiserthum sei,
ist für Jedermann eine ausgemachte Thatsache, und also abermals vive I'emperem'.
Wie so der dänische Gesandte selbst der imperialistischen Polizei Befürchtungen einflößt,
und nicht blos das dänische Kaffeehaus, das ist auch einem Asmodäus schwer zu ent-
räthseln. Es bleibt darum nicht minder eine Thatsache, daß in einem Salon, in dem
sich Herr von Moll befunden, in Gegenwart desselben Verhaftungen vorgenommen wur¬
den; also mit den alten Traditionen ist auch in dieser Beziehung gebrochen, die Ge¬
sandten können keinen Schutz mehr verleihen, auch wenn sie ihre Bürgschaft anbieten.
Da muß es denn doch gefährlich einhergehen, und Europa wird es endlich begreiflich
finden, daß Frankreich auf möglichst schneller Rettung im kaiserlichen Hafen bestehe. Da¬
mit uns endlich gar kein Anlaß zum Überschreiten des Rubicon fehle, erscheint Mephisto
Munnoz, der spanische Herzog, als DkU8 ox msoliiim und verlangt die Bagatelle von
nahe einer Million, welche Herr Grimaldi als Unterhändler aus dem Beutel der Köni¬
gin hervorgezaubert, und da trotz der Convertirung der Renten gewisse hohe und zu-
künftlich allerhöchste Personen noch keine Zcchlungsncophiten geworden, erhellt die Noth¬
wendigkeit des goldenen Zeitalters der Cäsaren aufs Neue, und Jedermann wird noch¬
mals und zum letzten Male mit dem Botschafter in den Ruf: es lebe der Kaiser, ein¬
stimmen. Glaube man aber ja nicht, so wichtige Staatsgeschäfte könnten das Genie
des versebesungencn Messias der modernen Gesellschaft ganz ausfüllen. Der Dichter
des Faust und des Tasso, der Vorfechter von Wilhelms Lehrjahren, hat nebst unzäh¬
ligen Gedichten noch Zeit gefunden, eine Theorie der Farben zu schreiben und über¬
dies als wahrer Minnesänger dem Leben seine volle Bedeutung zu geben. Wir kennen
die platonischen Beziehungen einer englischen Lady zum Elysve, wir wissen, wie diese
ideale Freundschaft zu einem Zwiespalt« mit der europäischen Diplomatie geführt habe.
Nichts hier von der künstlerischen Bewunderung für die herrlichen Attitüden der Tänzerin
Pierra, welcher die Prioritätsrechte Englands keinen Abbruch zu thun im Stande wa-
10*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |