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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Hund und bellt selber). Will man gerecht sein, so muß man bei diesem unge¬
zogenen Benehmen das Selbstgefühl in Anschlag bringen, daß diesen niebersäch-
sisch-friestschen Naturen eigen ist. Das Verhältniß der Dienstbarkeit widerstreitet
ihrem Sinn, wofern sie nicht, wie auf dem Lande, mit der Familie auf gleichem
Fuße stehn. Sie sind deshalb einem freundlichen Benehmen wenig zugänglich,
weil es die, wenn auch noch so gutgemeinte, Freundlichkeit des Herrn ist, und
schließen sich nur schwer an die-Familie an. Eine Menge Dienstleistungen, die
anderswo von den Dienstboten freiwillig und freundlich verrichtet werden, sieht
man in Oldenburg, als gegen die Ehre gehend, verweigert, und freilich einem
"Mädchen" (man sage nur nicht "Magd"; dies ist ein sehr beleidigender Aus¬
druck), das mit dem Hut und dem gestickten Taschentuch, Sonntags auch wol
mi't einem Sonnenschirm in der Hand geht, muß gar Vieles nicht anstelln. So
hielt es ein Bedienter ans einem mir bekannten Hause für unvereinbar mit seiner
Würde, Wasser in der Flasche vom nächsten Brunnen zu holen. Da aber dieser Dienst
nicht zu verweigern war, ließ er sich ein Futteral machen, in welchem er die Flasche
trug, als wären es Acten oder Note". Es ist deshalb dem Fremden, der in
Oldenburg seinen Wohnsitz nimmt, zu rathen, sich in die Art der Dienstboten
so weit zu schicken, als es die eingeborenen! Herrschaften thun, damit nicht Aeuße¬
rungen über ihn gethan werden; wie die jenes Mädchens, das zu mager aß und zu
viel arbeitete. N ä, klagte sie, nach dem sie den Dienst der fremden Herrschaft ver¬
lasse" hatte, ick kunnt um 't leewe Ader bi 't fremde Volk nich länger
ut holen; da kreeg man blood so 'n Jnp in 'tLiw, un man gar uickS
wat bi de Nippen steil; un von de Rippen kann man doch nich
jümmer lären, wenn man Slawen schall as 'n Hund. For wat hört
wat. Da kunnt lin Keerl bi bliweu. (Da bekam mau uur so 'was zum
Spaß in den Leib, und gar nichts was Fett auf die Rippen giebt, und von den
Rippen kann man doch nicht immer zehren, wenn mau wie ein Hund arbeiten
muß. Für Etwas gehört Etwas. Dabei konnt' es kein Mensch aushalten).

- Am besten sind noch die männlichen Domestiken, die einige Jahre laug beim
Militair formirt und gedrillt worden sind.

Als ein Curiosum erwähne ich noch, daß wir ein Dienstmädchen gehabt
haben, die sich weigerte, einen Kimer Wasser die Treppe hinauf zu tragen,
weil sie das nicht gewöhnt sei". Zur Erklärung muß ich beifügen, daß die Hänser
auf dem Lande und die Mehrzahl derselben in den Stävten nur Parterrewoh-
uuuqcu sind. Daher diese Scheu vor Treppen, die überall sonst unerhört ist. >
Es ist mir vorgekommen, daß Verkäufer, die aus dem Fenster angerufen wurden,
erwiderten: Die Treppe geh' ich nicht herauf. Ich habe sogar einen gesunden
Menschen von etwa vierzig Jahren eine Treppe in der Stadt, auf allen Vieren
wie einen Wilden, hinausklimmen sehen.

Daß Oldenburg ein wenig ans der Welt liegt, macht sich im Guten wie


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Hund und bellt selber). Will man gerecht sein, so muß man bei diesem unge¬
zogenen Benehmen das Selbstgefühl in Anschlag bringen, daß diesen niebersäch-
sisch-friestschen Naturen eigen ist. Das Verhältniß der Dienstbarkeit widerstreitet
ihrem Sinn, wofern sie nicht, wie auf dem Lande, mit der Familie auf gleichem
Fuße stehn. Sie sind deshalb einem freundlichen Benehmen wenig zugänglich,
weil es die, wenn auch noch so gutgemeinte, Freundlichkeit des Herrn ist, und
schließen sich nur schwer an die-Familie an. Eine Menge Dienstleistungen, die
anderswo von den Dienstboten freiwillig und freundlich verrichtet werden, sieht
man in Oldenburg, als gegen die Ehre gehend, verweigert, und freilich einem
„Mädchen" (man sage nur nicht „Magd"; dies ist ein sehr beleidigender Aus¬
druck), das mit dem Hut und dem gestickten Taschentuch, Sonntags auch wol
mi't einem Sonnenschirm in der Hand geht, muß gar Vieles nicht anstelln. So
hielt es ein Bedienter ans einem mir bekannten Hause für unvereinbar mit seiner
Würde, Wasser in der Flasche vom nächsten Brunnen zu holen. Da aber dieser Dienst
nicht zu verweigern war, ließ er sich ein Futteral machen, in welchem er die Flasche
trug, als wären es Acten oder Note». Es ist deshalb dem Fremden, der in
Oldenburg seinen Wohnsitz nimmt, zu rathen, sich in die Art der Dienstboten
so weit zu schicken, als es die eingeborenen! Herrschaften thun, damit nicht Aeuße¬
rungen über ihn gethan werden; wie die jenes Mädchens, das zu mager aß und zu
viel arbeitete. N ä, klagte sie, nach dem sie den Dienst der fremden Herrschaft ver¬
lasse» hatte, ick kunnt um 't leewe Ader bi 't fremde Volk nich länger
ut holen; da kreeg man blood so 'n Jnp in 'tLiw, un man gar uickS
wat bi de Nippen steil; un von de Rippen kann man doch nich
jümmer lären, wenn man Slawen schall as 'n Hund. For wat hört
wat. Da kunnt lin Keerl bi bliweu. (Da bekam mau uur so 'was zum
Spaß in den Leib, und gar nichts was Fett auf die Rippen giebt, und von den
Rippen kann man doch nicht immer zehren, wenn mau wie ein Hund arbeiten
muß. Für Etwas gehört Etwas. Dabei konnt' es kein Mensch aushalten).

- Am besten sind noch die männlichen Domestiken, die einige Jahre laug beim
Militair formirt und gedrillt worden sind.

Als ein Curiosum erwähne ich noch, daß wir ein Dienstmädchen gehabt
haben, die sich weigerte, einen Kimer Wasser die Treppe hinauf zu tragen,
weil sie das nicht gewöhnt sei». Zur Erklärung muß ich beifügen, daß die Hänser
auf dem Lande und die Mehrzahl derselben in den Stävten nur Parterrewoh-
uuuqcu sind. Daher diese Scheu vor Treppen, die überall sonst unerhört ist. >
Es ist mir vorgekommen, daß Verkäufer, die aus dem Fenster angerufen wurden,
erwiderten: Die Treppe geh' ich nicht herauf. Ich habe sogar einen gesunden
Menschen von etwa vierzig Jahren eine Treppe in der Stadt, auf allen Vieren
wie einen Wilden, hinausklimmen sehen.

Daß Oldenburg ein wenig ans der Welt liegt, macht sich im Guten wie


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[0511] Hund und bellt selber). Will man gerecht sein, so muß man bei diesem unge¬ zogenen Benehmen das Selbstgefühl in Anschlag bringen, daß diesen niebersäch- sisch-friestschen Naturen eigen ist. Das Verhältniß der Dienstbarkeit widerstreitet ihrem Sinn, wofern sie nicht, wie auf dem Lande, mit der Familie auf gleichem Fuße stehn. Sie sind deshalb einem freundlichen Benehmen wenig zugänglich, weil es die, wenn auch noch so gutgemeinte, Freundlichkeit des Herrn ist, und schließen sich nur schwer an die-Familie an. Eine Menge Dienstleistungen, die anderswo von den Dienstboten freiwillig und freundlich verrichtet werden, sieht man in Oldenburg, als gegen die Ehre gehend, verweigert, und freilich einem „Mädchen" (man sage nur nicht „Magd"; dies ist ein sehr beleidigender Aus¬ druck), das mit dem Hut und dem gestickten Taschentuch, Sonntags auch wol mi't einem Sonnenschirm in der Hand geht, muß gar Vieles nicht anstelln. So hielt es ein Bedienter ans einem mir bekannten Hause für unvereinbar mit seiner Würde, Wasser in der Flasche vom nächsten Brunnen zu holen. Da aber dieser Dienst nicht zu verweigern war, ließ er sich ein Futteral machen, in welchem er die Flasche trug, als wären es Acten oder Note». Es ist deshalb dem Fremden, der in Oldenburg seinen Wohnsitz nimmt, zu rathen, sich in die Art der Dienstboten so weit zu schicken, als es die eingeborenen! Herrschaften thun, damit nicht Aeuße¬ rungen über ihn gethan werden; wie die jenes Mädchens, das zu mager aß und zu viel arbeitete. N ä, klagte sie, nach dem sie den Dienst der fremden Herrschaft ver¬ lasse» hatte, ick kunnt um 't leewe Ader bi 't fremde Volk nich länger ut holen; da kreeg man blood so 'n Jnp in 'tLiw, un man gar uickS wat bi de Nippen steil; un von de Rippen kann man doch nich jümmer lären, wenn man Slawen schall as 'n Hund. For wat hört wat. Da kunnt lin Keerl bi bliweu. (Da bekam mau uur so 'was zum Spaß in den Leib, und gar nichts was Fett auf die Rippen giebt, und von den Rippen kann man doch nicht immer zehren, wenn mau wie ein Hund arbeiten muß. Für Etwas gehört Etwas. Dabei konnt' es kein Mensch aushalten). - Am besten sind noch die männlichen Domestiken, die einige Jahre laug beim Militair formirt und gedrillt worden sind. Als ein Curiosum erwähne ich noch, daß wir ein Dienstmädchen gehabt haben, die sich weigerte, einen Kimer Wasser die Treppe hinauf zu tragen, weil sie das nicht gewöhnt sei». Zur Erklärung muß ich beifügen, daß die Hänser auf dem Lande und die Mehrzahl derselben in den Stävten nur Parterrewoh- uuuqcu sind. Daher diese Scheu vor Treppen, die überall sonst unerhört ist. > Es ist mir vorgekommen, daß Verkäufer, die aus dem Fenster angerufen wurden, erwiderten: Die Treppe geh' ich nicht herauf. Ich habe sogar einen gesunden Menschen von etwa vierzig Jahren eine Treppe in der Stadt, auf allen Vieren wie einen Wilden, hinausklimmen sehen. Daß Oldenburg ein wenig ans der Welt liegt, macht sich im Guten wie 63"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/511>, abgerufen am 25.07.2024.