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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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nicht das Gepräge des Reichthums oder der Vornehmheit; wol aber haben sie
ein sehr freundliches Aussehn in ihren lachenden Gärten und ihrer frischgrünen
Umgebung, von wohlgepflegtem Nasen, Hecken und Baumgängen. Es i^t, als
ob sie den Fremden einluden, einzutreten, und ihm zuflüsterten, er werde hier
wackere Menschen finden und selber willkommen sein. Es findet sich in der
Stadt Oldenburg die vortrefflichste Gesellschaft. Dies liegt nicht allein darin,
daß hier, am Sitze des Hofes, der sämmtlichen höchsten Landesbehörden und des
ganzen Officiercorps, das viel gediegene Männer in seinen Reihen zählt, ein unge¬
wöhnlicher Zusammenfluß der Bildung stattfindet, sondern auch darin, daß diese
Beamten, Officiere, Hofleute in nicht geringer Anzahl Fremde find, deren Heimnth
oft sehr weit vom Herzogthume Oldenburg abliegt. Durch diese Mischung kommt
das etwas starre Wesen der Eingebornen in Fluß, und es entsteht durch Mannich-
faltigkeit der Bildung, des Temperaments und der Charaktere, eine wohlthätige
und fruchtbare Friction der Geister. ' Hierzu kommt, daß der fast ans lauter
Nichtoldenburgern bestehende Adel zu arm und mit bürgerlichem Blute zu gemischt
ist, um, wie in anderen kleinen Residenzen, das Hervortreten und Spreizen eines
faden Junkerthnms möglich zu machen. Der Hof ist seit vielen Jahren mit dem
schönen Beispiele des Einfachen und Soliden vorangegangen; überhaupt stellt das
großherzogliche Haus' ein Muster der Sittlichkeit und des Familienglücks dar.
Wo so viele Elemente der Bildung, so viel tüchtiger Sinu, Verstand, tiefes
Gemüth und treues Wesen zusammentreffen, da gedeiht Humanität im vollsten
Maße. Fast nirgends hab' ich, wie in Oldenburg, in den verschiedensten Kreisen
ein tiefgehendes Gespräch, ein Interesse für alles Gute wahrgenommen. Freilich
ist .dieses Alles in sehr viel Tabaksrauch eingehüllt; denn keine Gesellschaft, außer
bei Hofe, geht ohne große Rauchopser ab, und die zarten, oft überzarteu vlden-
burger Damen sind so eingedampft, als weiland Pythia aus ihrem Dreisnße.
Für die Raucher bemerk' ich zugleich, daß die "Cigarren, welche in der Regel
die Stadt selbst, und nicht Bremen, die große Cigarren-Mutter Norddeutschlands,
liefert, von guter Beschaffenheit sind.

Drei Institute: das Theater, der literarisch-gesellige Verein und der Kunst-
verein haben nicht wenig dazu beigetragen, die Oldenburger in geistige Bewe¬
gung zu versetzen, und thun es fortwährend noch. Indem das Theater die Oper
ausgeschlossen hat, kann es die volle Kraft dem geistigem Gebiete, dem Drama,
zuwenden. Das Schauspielerpersonal ist im Ganzen recht wacker; die Wahl
der Stücke dürfte kaum irgendwo besser getroffen werden. Was den literarisch-
geselligen Verein angeht, so ist dies eine nnn über zwölf Jahre bestehende Ge¬
sellschaft von gebildeten Männern aus den verschiedensten Berufskreisen, die sich
alle vierzehn Tage einmal zu einer Vorlesung, die von den Mitgliedern abwech¬
selnd gehalten wird, und zum Abendessen in einem öffentlichen Lokale zusammen¬
finden, und bet festlicher Gelegenheit auch Damen heranziehen, ich verdanke diesem


Grenzboten. it. 63

nicht das Gepräge des Reichthums oder der Vornehmheit; wol aber haben sie
ein sehr freundliches Aussehn in ihren lachenden Gärten und ihrer frischgrünen
Umgebung, von wohlgepflegtem Nasen, Hecken und Baumgängen. Es i^t, als
ob sie den Fremden einluden, einzutreten, und ihm zuflüsterten, er werde hier
wackere Menschen finden und selber willkommen sein. Es findet sich in der
Stadt Oldenburg die vortrefflichste Gesellschaft. Dies liegt nicht allein darin,
daß hier, am Sitze des Hofes, der sämmtlichen höchsten Landesbehörden und des
ganzen Officiercorps, das viel gediegene Männer in seinen Reihen zählt, ein unge¬
wöhnlicher Zusammenfluß der Bildung stattfindet, sondern auch darin, daß diese
Beamten, Officiere, Hofleute in nicht geringer Anzahl Fremde find, deren Heimnth
oft sehr weit vom Herzogthume Oldenburg abliegt. Durch diese Mischung kommt
das etwas starre Wesen der Eingebornen in Fluß, und es entsteht durch Mannich-
faltigkeit der Bildung, des Temperaments und der Charaktere, eine wohlthätige
und fruchtbare Friction der Geister. ' Hierzu kommt, daß der fast ans lauter
Nichtoldenburgern bestehende Adel zu arm und mit bürgerlichem Blute zu gemischt
ist, um, wie in anderen kleinen Residenzen, das Hervortreten und Spreizen eines
faden Junkerthnms möglich zu machen. Der Hof ist seit vielen Jahren mit dem
schönen Beispiele des Einfachen und Soliden vorangegangen; überhaupt stellt das
großherzogliche Haus' ein Muster der Sittlichkeit und des Familienglücks dar.
Wo so viele Elemente der Bildung, so viel tüchtiger Sinu, Verstand, tiefes
Gemüth und treues Wesen zusammentreffen, da gedeiht Humanität im vollsten
Maße. Fast nirgends hab' ich, wie in Oldenburg, in den verschiedensten Kreisen
ein tiefgehendes Gespräch, ein Interesse für alles Gute wahrgenommen. Freilich
ist .dieses Alles in sehr viel Tabaksrauch eingehüllt; denn keine Gesellschaft, außer
bei Hofe, geht ohne große Rauchopser ab, und die zarten, oft überzarteu vlden-
burger Damen sind so eingedampft, als weiland Pythia aus ihrem Dreisnße.
Für die Raucher bemerk' ich zugleich, daß die «Cigarren, welche in der Regel
die Stadt selbst, und nicht Bremen, die große Cigarren-Mutter Norddeutschlands,
liefert, von guter Beschaffenheit sind.

Drei Institute: das Theater, der literarisch-gesellige Verein und der Kunst-
verein haben nicht wenig dazu beigetragen, die Oldenburger in geistige Bewe¬
gung zu versetzen, und thun es fortwährend noch. Indem das Theater die Oper
ausgeschlossen hat, kann es die volle Kraft dem geistigem Gebiete, dem Drama,
zuwenden. Das Schauspielerpersonal ist im Ganzen recht wacker; die Wahl
der Stücke dürfte kaum irgendwo besser getroffen werden. Was den literarisch-
geselligen Verein angeht, so ist dies eine nnn über zwölf Jahre bestehende Ge¬
sellschaft von gebildeten Männern aus den verschiedensten Berufskreisen, die sich
alle vierzehn Tage einmal zu einer Vorlesung, die von den Mitgliedern abwech¬
selnd gehalten wird, und zum Abendessen in einem öffentlichen Lokale zusammen¬
finden, und bet festlicher Gelegenheit auch Damen heranziehen, ich verdanke diesem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/509>, abgerufen am 24.07.2024.