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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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z. B. den Communalgardercknaster oder Jägertabak u. tgi. kennt. Allein wie
der wahrhaft verständige Raucher vor solchen Etiketten einen wahrhaften Absehen
empfindet, indem er sich der höhern Bedeutung einer Upmann, Cabauas, Cabar-
gas, Agnes oder sonstigen Familiencigarre bewußt ist, eben so verachtet der wahre
Theekenner die platten Bezeichnungen Phamiliu I, II u. s. w. auf den Pfund¬
paketen der Theeläden. Denn dies sind mir ganz alltägliche Sorten des ge¬
meinen Handelsthee's, durch ihre Bezeichnung speculirend auf die Unwissenheit des
lieben Publicums. Wirklicher Familienthee existirt nämlich nur als Blumen¬
thee, und trägt als Firma den Namen derjenigen Familie, welche in ihren Plan¬
tagen ein besonders gutes Blatt erzeugt. Unter den vier Klassen, in denen seine
Güte rangirt, nimmt das Geschlecht Min-kom seit langen Zeiten den ersten
Platz ein; erst in den letzten Jahren gelang es dem Compagniegeschäft Schitut-
schua-Schilungi ihm mitunter den Rang abzulaufen. In der zweiten Klasse
stehen die Familien Wansuntscho, Tusunschi und Jua-tschin-ana concur¬
rirend nebeneinander. Ju der 3. und 4. Klasse haben bisherMiuta, Kosat-
schona und Jusuntscho noch immer die preiswürdigsten Producte geliefert.
Obgleich nun auch wirklich einzelne, besonders gut renommirte Firmen begonnen
haben, ihre Namen bestimmten Sorten des gewöhnlichen Handelsthee's
aufzuprägen, so geschieht dies doch immerhin nnr per adusum. Der Kenner ist
auch nicht zu täuschen. Denn aller Blumenthee giebt beim Aufguß eine mattere,
blasse, zwischen der Farbe des Bernsteins und der sogenannten Schillerweine
stehende Flüssigkeit, welche sich beim Erkalten überdies mit einem opalisirenden
Fetthäutchen überzieht; der Handelsthee (dessen oberste Schicht indessen auch
häufig aus Blumenthee besteht, welcher jedoch uur seine ursprüngliche Farbe be¬
hält, in Geschmack und Geruch sich dagegen seiner Unterlage völlig assimilirt)
giebt stets einen gelbbräunlichen Aufgusz von prononcirter Bitterkeit, und ermangelt
jener mildernden Fettigkeit. Bereits früher wurde übrigens erwähnt, daß und
warum seine besten 3 Sorten Schqusithee genannt werden; die übrigen Gat¬
tungen werden denn in abermals 3 bis 6 Sorten nach ihrer Güte geschieden.

Vor der Hand -- wir müssen es mit Schmerzen gestehen, wenn wir an
unsre erträumte Cultur denken -- vor der Hand stehen die Russen in der Thee-
kennerschast oben an, und werden von den Engländern nur an Massenconsum
übertreffe". Aber der "deutsche Trost", welcher neulich in diesen Blättern bespro¬
chen wurde, verläßt uns auch hierbei uicht. Und die Statistik giebt ihn. Rechnet
man nämlich die Gesammtbevölkerung Rußlands, so kommt nur 6V4 Loth Thee
im Jahr ans die "Seele", während im deutschen Zvllverband I I Loth. nannten
wir früher I Pfd. 13 Loth als den Jahresbedarf eines russischen Individuums,
so geschah es, indem nur ein Zehntel der Gesammtbevölkerung als wirklich thee¬
trinkend angenommen werden kann; und dann auch müssen wir den urzuständlichen
Ziegelthee der Gesammttheemasse berechnen, um ein so großes Consum des In-


z. B. den Communalgardercknaster oder Jägertabak u. tgi. kennt. Allein wie
der wahrhaft verständige Raucher vor solchen Etiketten einen wahrhaften Absehen
empfindet, indem er sich der höhern Bedeutung einer Upmann, Cabauas, Cabar-
gas, Agnes oder sonstigen Familiencigarre bewußt ist, eben so verachtet der wahre
Theekenner die platten Bezeichnungen Phamiliu I, II u. s. w. auf den Pfund¬
paketen der Theeläden. Denn dies sind mir ganz alltägliche Sorten des ge¬
meinen Handelsthee's, durch ihre Bezeichnung speculirend auf die Unwissenheit des
lieben Publicums. Wirklicher Familienthee existirt nämlich nur als Blumen¬
thee, und trägt als Firma den Namen derjenigen Familie, welche in ihren Plan¬
tagen ein besonders gutes Blatt erzeugt. Unter den vier Klassen, in denen seine
Güte rangirt, nimmt das Geschlecht Min-kom seit langen Zeiten den ersten
Platz ein; erst in den letzten Jahren gelang es dem Compagniegeschäft Schitut-
schua-Schilungi ihm mitunter den Rang abzulaufen. In der zweiten Klasse
stehen die Familien Wansuntscho, Tusunschi und Jua-tschin-ana concur¬
rirend nebeneinander. Ju der 3. und 4. Klasse haben bisherMiuta, Kosat-
schona und Jusuntscho noch immer die preiswürdigsten Producte geliefert.
Obgleich nun auch wirklich einzelne, besonders gut renommirte Firmen begonnen
haben, ihre Namen bestimmten Sorten des gewöhnlichen Handelsthee's
aufzuprägen, so geschieht dies doch immerhin nnr per adusum. Der Kenner ist
auch nicht zu täuschen. Denn aller Blumenthee giebt beim Aufguß eine mattere,
blasse, zwischen der Farbe des Bernsteins und der sogenannten Schillerweine
stehende Flüssigkeit, welche sich beim Erkalten überdies mit einem opalisirenden
Fetthäutchen überzieht; der Handelsthee (dessen oberste Schicht indessen auch
häufig aus Blumenthee besteht, welcher jedoch uur seine ursprüngliche Farbe be¬
hält, in Geschmack und Geruch sich dagegen seiner Unterlage völlig assimilirt)
giebt stets einen gelbbräunlichen Aufgusz von prononcirter Bitterkeit, und ermangelt
jener mildernden Fettigkeit. Bereits früher wurde übrigens erwähnt, daß und
warum seine besten 3 Sorten Schqusithee genannt werden; die übrigen Gat¬
tungen werden denn in abermals 3 bis 6 Sorten nach ihrer Güte geschieden.

Vor der Hand — wir müssen es mit Schmerzen gestehen, wenn wir an
unsre erträumte Cultur denken — vor der Hand stehen die Russen in der Thee-
kennerschast oben an, und werden von den Engländern nur an Massenconsum
übertreffe». Aber der „deutsche Trost", welcher neulich in diesen Blättern bespro¬
chen wurde, verläßt uns auch hierbei uicht. Und die Statistik giebt ihn. Rechnet
man nämlich die Gesammtbevölkerung Rußlands, so kommt nur 6V4 Loth Thee
im Jahr ans die „Seele", während im deutschen Zvllverband I I Loth. nannten
wir früher I Pfd. 13 Loth als den Jahresbedarf eines russischen Individuums,
so geschah es, indem nur ein Zehntel der Gesammtbevölkerung als wirklich thee¬
trinkend angenommen werden kann; und dann auch müssen wir den urzuständlichen
Ziegelthee der Gesammttheemasse berechnen, um ein so großes Consum des In-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/346>, abgerufen am 24.07.2024.