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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Hänger nicht mit sich fortreißen konnten. Die Liberale", weil die Whigs sich nicht
aus dem engen Kreise der Parlcianschanungen herausfinden können, und Andern
mit weiter fortgeschrittenen Ansichten die Führerschaft nicht gönnen. So sehen
wir zwei Heere vor uns, deren eines seine Generale in das feindliche Lager
hinüber gejagt hat, während das andere den seinen nur mit Widerwillen und
bei Gelegenheit Gehorsam leistet. Nach Persönlichkeiten, welche die alten Führer
ersehen könnten, sehen wir uns vergebens um. Daß sie nur durch die vorhan-
denen Beschränkungen des Wahlrechts aus dem Parlamente fern gehalten werde",
ist kaum zu glauben. Die Reformbill von 1831, die so große Veränderungen
in den Wählerschaften herbeiführte, hat den Charakter des Unterhauses nur sehr
wenig umgestaltet, und sehr wenig neue Elemente hineingebracht, so daß man
wol annehmen kann, das Unterhaus entspreche der vorhandenen politischen In¬
telligenz des Landes bei jeder Wahlart, und eine neue Reformbill werde wahr¬
scheinlich eine stärkere Vertretung der Fabrik- und Handelsinteressen, und eine
schwächere der-Ackerbaninteressen herbeiführe", aber schwerlich politische Kapaci¬
täten von anderem Caliber ins Parlament bringe". Vo" dieser Seite ist also
wenig Hoffming einer Besserung. Dagegen verspricht die gegenwärtige Krisis
ein gesünderes Parteileben in einer andern Weise herbeizuführen. Das neue
Parlament muß die Schutzzollfrage zur definitiven Lösung bringe", und wenn
dann das immer noch spukende Gespenst der alten Kornzölle zur ewigen Ruhe
gebracht ist, kaun sich auch eine neue conservative Partei organisiren. Sie wird
durch ihr bloßes Vorhandeusein die liberale Partei zu größerer Eintracht, die
Führer zu größerer Thätigkeit anspornen. Sie wird uicht, wie ein deutsches
Organ der revolutionairen Reaction meint, "der Krone die ihr im Verlause der
Zeit eiitfremdcten Rechte wiedererobern" -- el" Versuch, de" weder die Krone,
noch das Parlament in England zu machen Lust oder Veranlassung hat. Ge¬
meinsam mit der liberalen Partei wird sie die Durchführung einer freisinnige"
Handelspolitik fortsetzen, um dnrch die ungehemmteste Bewegung der Industrie
den Nationalwohlstand zu heben, und eine Verbesserung des materiellen und sitt¬
lichen Zustandes der unteren Schichten der Bevölkerung möglich zu machen.
Gemeinsam mit den Liberalen wird sie für Sparsamkeit im Staatshaushalte und
für angemessene Verwendung der Steuern sein. Aber wenn die Liberale" mit
zu feuriger Ungeduld umgestalten wollen, wird sie auf den Werth des Bestehen¬
den hinweisen; wenn die Liberalen das Budget mit den Angen des Steuerpflich¬
tigen "Ulstern, wird sie die Anschauung des Staatsmannes geltend machen, und
wenn die Liberalen sich manchmal geneigt zeigen, das Nützlichkeitsprincip allen
anderen voran zu stellen, wird sie in Erinnerung bringen, daß ein großer Staat
seinen Nutzen zuweilen seiner Ehre opfern muß. So werden die beiden großen
Parteien wieder in Harmonie wirken, die eine zu großen Eifer zügelnd, die
andere zu große Trägheit anstachelnd.




Hänger nicht mit sich fortreißen konnten. Die Liberale», weil die Whigs sich nicht
aus dem engen Kreise der Parlcianschanungen herausfinden können, und Andern
mit weiter fortgeschrittenen Ansichten die Führerschaft nicht gönnen. So sehen
wir zwei Heere vor uns, deren eines seine Generale in das feindliche Lager
hinüber gejagt hat, während das andere den seinen nur mit Widerwillen und
bei Gelegenheit Gehorsam leistet. Nach Persönlichkeiten, welche die alten Führer
ersehen könnten, sehen wir uns vergebens um. Daß sie nur durch die vorhan-
denen Beschränkungen des Wahlrechts aus dem Parlamente fern gehalten werde»,
ist kaum zu glauben. Die Reformbill von 1831, die so große Veränderungen
in den Wählerschaften herbeiführte, hat den Charakter des Unterhauses nur sehr
wenig umgestaltet, und sehr wenig neue Elemente hineingebracht, so daß man
wol annehmen kann, das Unterhaus entspreche der vorhandenen politischen In¬
telligenz des Landes bei jeder Wahlart, und eine neue Reformbill werde wahr¬
scheinlich eine stärkere Vertretung der Fabrik- und Handelsinteressen, und eine
schwächere der-Ackerbaninteressen herbeiführe», aber schwerlich politische Kapaci¬
täten von anderem Caliber ins Parlament bringe». Vo» dieser Seite ist also
wenig Hoffming einer Besserung. Dagegen verspricht die gegenwärtige Krisis
ein gesünderes Parteileben in einer andern Weise herbeizuführen. Das neue
Parlament muß die Schutzzollfrage zur definitiven Lösung bringe», und wenn
dann das immer noch spukende Gespenst der alten Kornzölle zur ewigen Ruhe
gebracht ist, kaun sich auch eine neue conservative Partei organisiren. Sie wird
durch ihr bloßes Vorhandeusein die liberale Partei zu größerer Eintracht, die
Führer zu größerer Thätigkeit anspornen. Sie wird uicht, wie ein deutsches
Organ der revolutionairen Reaction meint, „der Krone die ihr im Verlause der
Zeit eiitfremdcten Rechte wiedererobern" — el» Versuch, de» weder die Krone,
noch das Parlament in England zu machen Lust oder Veranlassung hat. Ge¬
meinsam mit der liberalen Partei wird sie die Durchführung einer freisinnige»
Handelspolitik fortsetzen, um dnrch die ungehemmteste Bewegung der Industrie
den Nationalwohlstand zu heben, und eine Verbesserung des materiellen und sitt¬
lichen Zustandes der unteren Schichten der Bevölkerung möglich zu machen.
Gemeinsam mit den Liberalen wird sie für Sparsamkeit im Staatshaushalte und
für angemessene Verwendung der Steuern sein. Aber wenn die Liberale» mit
zu feuriger Ungeduld umgestalten wollen, wird sie auf den Werth des Bestehen¬
den hinweisen; wenn die Liberalen das Budget mit den Angen des Steuerpflich¬
tigen »Ulstern, wird sie die Anschauung des Staatsmannes geltend machen, und
wenn die Liberalen sich manchmal geneigt zeigen, das Nützlichkeitsprincip allen
anderen voran zu stellen, wird sie in Erinnerung bringen, daß ein großer Staat
seinen Nutzen zuweilen seiner Ehre opfern muß. So werden die beiden großen
Parteien wieder in Harmonie wirken, die eine zu großen Eifer zügelnd, die
andere zu große Trägheit anstachelnd.




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[0034] Hänger nicht mit sich fortreißen konnten. Die Liberale», weil die Whigs sich nicht aus dem engen Kreise der Parlcianschanungen herausfinden können, und Andern mit weiter fortgeschrittenen Ansichten die Führerschaft nicht gönnen. So sehen wir zwei Heere vor uns, deren eines seine Generale in das feindliche Lager hinüber gejagt hat, während das andere den seinen nur mit Widerwillen und bei Gelegenheit Gehorsam leistet. Nach Persönlichkeiten, welche die alten Führer ersehen könnten, sehen wir uns vergebens um. Daß sie nur durch die vorhan- denen Beschränkungen des Wahlrechts aus dem Parlamente fern gehalten werde», ist kaum zu glauben. Die Reformbill von 1831, die so große Veränderungen in den Wählerschaften herbeiführte, hat den Charakter des Unterhauses nur sehr wenig umgestaltet, und sehr wenig neue Elemente hineingebracht, so daß man wol annehmen kann, das Unterhaus entspreche der vorhandenen politischen In¬ telligenz des Landes bei jeder Wahlart, und eine neue Reformbill werde wahr¬ scheinlich eine stärkere Vertretung der Fabrik- und Handelsinteressen, und eine schwächere der-Ackerbaninteressen herbeiführe», aber schwerlich politische Kapaci¬ täten von anderem Caliber ins Parlament bringe». Vo» dieser Seite ist also wenig Hoffming einer Besserung. Dagegen verspricht die gegenwärtige Krisis ein gesünderes Parteileben in einer andern Weise herbeizuführen. Das neue Parlament muß die Schutzzollfrage zur definitiven Lösung bringe», und wenn dann das immer noch spukende Gespenst der alten Kornzölle zur ewigen Ruhe gebracht ist, kaun sich auch eine neue conservative Partei organisiren. Sie wird durch ihr bloßes Vorhandeusein die liberale Partei zu größerer Eintracht, die Führer zu größerer Thätigkeit anspornen. Sie wird uicht, wie ein deutsches Organ der revolutionairen Reaction meint, „der Krone die ihr im Verlause der Zeit eiitfremdcten Rechte wiedererobern" — el» Versuch, de» weder die Krone, noch das Parlament in England zu machen Lust oder Veranlassung hat. Ge¬ meinsam mit der liberalen Partei wird sie die Durchführung einer freisinnige» Handelspolitik fortsetzen, um dnrch die ungehemmteste Bewegung der Industrie den Nationalwohlstand zu heben, und eine Verbesserung des materiellen und sitt¬ lichen Zustandes der unteren Schichten der Bevölkerung möglich zu machen. Gemeinsam mit den Liberalen wird sie für Sparsamkeit im Staatshaushalte und für angemessene Verwendung der Steuern sein. Aber wenn die Liberale» mit zu feuriger Ungeduld umgestalten wollen, wird sie auf den Werth des Bestehen¬ den hinweisen; wenn die Liberalen das Budget mit den Angen des Steuerpflich¬ tigen »Ulstern, wird sie die Anschauung des Staatsmannes geltend machen, und wenn die Liberalen sich manchmal geneigt zeigen, das Nützlichkeitsprincip allen anderen voran zu stellen, wird sie in Erinnerung bringen, daß ein großer Staat seinen Nutzen zuweilen seiner Ehre opfern muß. So werden die beiden großen Parteien wieder in Harmonie wirken, die eine zu großen Eifer zügelnd, die andere zu große Trägheit anstachelnd.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/34>, abgerufen am 04.07.2024.