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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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dem Ausland von dem einheimischen und fremden Markt mehr und mehr verdrängt
werden, die Arbeiter, die dem Verhungern nahe sind, die Grundbesitzer und Pächter,
die nicht mehr bestehen können, haben so viel Häuser mehr gebaut, so viel Schiffe
mehr vom Stapel lausen lassen, so viel Seidenkleider mehr getragen, so viel Kaffee,
Zucker und andere gute Dinge mehr verbraucht, daß der Ausfall von 1-1 Millionen
Pfund trotz des verminderten Zolles durch die Mehrciufuhr nicht nur gut gemacht,
sondern sogar beträchtlich überstiegen ist. Das ist eine Thatsache, eine räthselhafte
freilich, aber nicht wegzuläugnen. Diese Thatsache macht allerdings das Haus und das
Land überhaupt abgeneigt, den vor zehn Jahren begonnenen Weg zu verlassen, und
durch eine Erhöhung der indirecten Abgaben das durch den Wegfall der Einkommen¬
steuer drohende Deficit zu decken. Eben so wenig läßt sich eine Erhöhung der directen
Steuern erwarten, da das Haus erst in voriger Session durch die Aufhebung der
Fenstcrstcucr klar genug gezeigt hat, daß es auch hier aus dem Wege der Reduction
fortzuschreiten gesonnen ist. Herr Disraeli beugt sich daher gehorsam vor dem Willen
des Hauses, schlägt keine Veränderung vor, und bittet nur, als letztes Auskunftsmittel,
um die Verlängerung der Einkommensteuer auf ein Jahr.'

Nicht den mindesten Antheil an dem großen Erfolg der Rede des neuen Schatz¬
kanzlers hatte die Bescheidenheit, mit der er dabei von sich selbst sprach. Von der wich¬
tigen Rolle, die er bei allen finanziellen Debatten der letzten zehn Jahre gespielt, von'
den donnernden Reden, die er gehalten, von den Prophezeihungen, die er ausgesprochen,
von den Rathschlägen, die er ertheilt, kein Wort. Freilich hatte diese Bescheidenheit
ihren guten Grund. Derselbe Disraeli, der jetzt den blühenden Wohlstand des Landes
freudig anerkennt, und bei der bisher befolgten Finanzpolitik zu verharren rathet, hat
mit unermüdlicher Energie die Opposition gegen diese Politik organisirt, hat den gro¬
ßen Staatsmann, der sie zuerst begonnen, gestürzt, nachdem er ihn zuerst mit den bit¬
tersten Jnvectiven verfolgt, und ihn der egoistischen Verblendung und fast des Verraths
am Vaterlande angeklagt, hat den sichern Untergang des Landes prophezeiht, und in
allen Variationen das gerade Gegentheil von dem, was er heute empfiehlt, angepriesen.
Er, der Sir. R. Peel einmal vorwarf, daß er die Whigs im Bade gefunden und sich
mit ihren Kleidern aus dem Staube gemacht habe, verdient jetzt den Gegcnvorwnrf,
daß er das vorige Ministerium im Schlafe überrascht und ihm sein Budget gestohlen
hat, und das rohe Gleichniß, mit welchem Lord Stanley Sir N. Peel einst einen jener
Taschenspieler nannte, welche aus Jahrmärkten vor dem verblüfften Volke die Kugel
von einem Becher unter den, andern escamotircn, bis keiner der Zuschauer sie mehr zu
suchen wagt, findet jetzt auf Lord Derby's festen Anhänger seine vollste Anwendung.

Ist die demüthige Buße, mit der Disraeli den Manen des großen Peel Abbitte
geleistet hat, aufrichtig, und gedenkt er wirklich sich von dem Glaubensbekenntnis^ der
Protectionisten loszusagen? Disraeli's allcrneucstcs Auftreten veranlaßt uns zu dieser
mißtrauischen Frage. Am Freitag vor acht Tagen mußte er die Freude über sein ge¬
lungenes Auftreten dadurch verbittert sehen, daß seine entschiedensten Gegner am lautesten
in ihren anerkennenden Lobsprüchen waren, während der Beifallruf der Anhänger wol
, mehr der taschenspielerhasten Geschwindigkeit galt, mit der er vor den Augen der guten
Landedelleute sein altes Glaubensbekenntniß in die Tasche steckte, und. ein ganz nagel¬
neues wieder herauszog, und ihre Bewunderung war wahrscheinlich nicht frei von der Besorg-
mß, daß das alte für immer verschwunden bleiben möchte. Jedenfalls hat Disraeli
Sorge getragen, sie nachträglich zu beruhigen, indem er genau 8 Tage später die Ver¬
sicherung gab, er füge sich zwar für jetzt in die Lage der Sachen, bleibe aber sonst
bei seiner alten Ueberzeugung, das heißt doch nichts Anderes als: als Schatzkanzler
erkenne ich die Nothwendigkeit der Freihandelspolitik bei dem Zustand der Finanzen
an, aber als Führer der proiectionistischcn Partei werde ich nach wie vor die Schutz¬
zollpolitik vertheidigen. Das ist ein Weg, der nur dazu führen kann, entweder seine
Gegner, oder seine Anhänger zu hintergehen. Herr Disraeli ist so sehr Künstler in
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dem Ausland von dem einheimischen und fremden Markt mehr und mehr verdrängt
werden, die Arbeiter, die dem Verhungern nahe sind, die Grundbesitzer und Pächter,
die nicht mehr bestehen können, haben so viel Häuser mehr gebaut, so viel Schiffe
mehr vom Stapel lausen lassen, so viel Seidenkleider mehr getragen, so viel Kaffee,
Zucker und andere gute Dinge mehr verbraucht, daß der Ausfall von 1-1 Millionen
Pfund trotz des verminderten Zolles durch die Mehrciufuhr nicht nur gut gemacht,
sondern sogar beträchtlich überstiegen ist. Das ist eine Thatsache, eine räthselhafte
freilich, aber nicht wegzuläugnen. Diese Thatsache macht allerdings das Haus und das
Land überhaupt abgeneigt, den vor zehn Jahren begonnenen Weg zu verlassen, und
durch eine Erhöhung der indirecten Abgaben das durch den Wegfall der Einkommen¬
steuer drohende Deficit zu decken. Eben so wenig läßt sich eine Erhöhung der directen
Steuern erwarten, da das Haus erst in voriger Session durch die Aufhebung der
Fenstcrstcucr klar genug gezeigt hat, daß es auch hier aus dem Wege der Reduction
fortzuschreiten gesonnen ist. Herr Disraeli beugt sich daher gehorsam vor dem Willen
des Hauses, schlägt keine Veränderung vor, und bittet nur, als letztes Auskunftsmittel,
um die Verlängerung der Einkommensteuer auf ein Jahr.'

Nicht den mindesten Antheil an dem großen Erfolg der Rede des neuen Schatz¬
kanzlers hatte die Bescheidenheit, mit der er dabei von sich selbst sprach. Von der wich¬
tigen Rolle, die er bei allen finanziellen Debatten der letzten zehn Jahre gespielt, von'
den donnernden Reden, die er gehalten, von den Prophezeihungen, die er ausgesprochen,
von den Rathschlägen, die er ertheilt, kein Wort. Freilich hatte diese Bescheidenheit
ihren guten Grund. Derselbe Disraeli, der jetzt den blühenden Wohlstand des Landes
freudig anerkennt, und bei der bisher befolgten Finanzpolitik zu verharren rathet, hat
mit unermüdlicher Energie die Opposition gegen diese Politik organisirt, hat den gro¬
ßen Staatsmann, der sie zuerst begonnen, gestürzt, nachdem er ihn zuerst mit den bit¬
tersten Jnvectiven verfolgt, und ihn der egoistischen Verblendung und fast des Verraths
am Vaterlande angeklagt, hat den sichern Untergang des Landes prophezeiht, und in
allen Variationen das gerade Gegentheil von dem, was er heute empfiehlt, angepriesen.
Er, der Sir. R. Peel einmal vorwarf, daß er die Whigs im Bade gefunden und sich
mit ihren Kleidern aus dem Staube gemacht habe, verdient jetzt den Gegcnvorwnrf,
daß er das vorige Ministerium im Schlafe überrascht und ihm sein Budget gestohlen
hat, und das rohe Gleichniß, mit welchem Lord Stanley Sir N. Peel einst einen jener
Taschenspieler nannte, welche aus Jahrmärkten vor dem verblüfften Volke die Kugel
von einem Becher unter den, andern escamotircn, bis keiner der Zuschauer sie mehr zu
suchen wagt, findet jetzt auf Lord Derby's festen Anhänger seine vollste Anwendung.

Ist die demüthige Buße, mit der Disraeli den Manen des großen Peel Abbitte
geleistet hat, aufrichtig, und gedenkt er wirklich sich von dem Glaubensbekenntnis^ der
Protectionisten loszusagen? Disraeli's allcrneucstcs Auftreten veranlaßt uns zu dieser
mißtrauischen Frage. Am Freitag vor acht Tagen mußte er die Freude über sein ge¬
lungenes Auftreten dadurch verbittert sehen, daß seine entschiedensten Gegner am lautesten
in ihren anerkennenden Lobsprüchen waren, während der Beifallruf der Anhänger wol
, mehr der taschenspielerhasten Geschwindigkeit galt, mit der er vor den Augen der guten
Landedelleute sein altes Glaubensbekenntniß in die Tasche steckte, und. ein ganz nagel¬
neues wieder herauszog, und ihre Bewunderung war wahrscheinlich nicht frei von der Besorg-
mß, daß das alte für immer verschwunden bleiben möchte. Jedenfalls hat Disraeli
Sorge getragen, sie nachträglich zu beruhigen, indem er genau 8 Tage später die Ver¬
sicherung gab, er füge sich zwar für jetzt in die Lage der Sachen, bleibe aber sonst
bei seiner alten Ueberzeugung, das heißt doch nichts Anderes als: als Schatzkanzler
erkenne ich die Nothwendigkeit der Freihandelspolitik bei dem Zustand der Finanzen
an, aber als Führer der proiectionistischcn Partei werde ich nach wie vor die Schutz¬
zollpolitik vertheidigen. Das ist ein Weg, der nur dazu führen kann, entweder seine
Gegner, oder seine Anhänger zu hintergehen. Herr Disraeli ist so sehr Künstler in
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[0327] dem Ausland von dem einheimischen und fremden Markt mehr und mehr verdrängt werden, die Arbeiter, die dem Verhungern nahe sind, die Grundbesitzer und Pächter, die nicht mehr bestehen können, haben so viel Häuser mehr gebaut, so viel Schiffe mehr vom Stapel lausen lassen, so viel Seidenkleider mehr getragen, so viel Kaffee, Zucker und andere gute Dinge mehr verbraucht, daß der Ausfall von 1-1 Millionen Pfund trotz des verminderten Zolles durch die Mehrciufuhr nicht nur gut gemacht, sondern sogar beträchtlich überstiegen ist. Das ist eine Thatsache, eine räthselhafte freilich, aber nicht wegzuläugnen. Diese Thatsache macht allerdings das Haus und das Land überhaupt abgeneigt, den vor zehn Jahren begonnenen Weg zu verlassen, und durch eine Erhöhung der indirecten Abgaben das durch den Wegfall der Einkommen¬ steuer drohende Deficit zu decken. Eben so wenig läßt sich eine Erhöhung der directen Steuern erwarten, da das Haus erst in voriger Session durch die Aufhebung der Fenstcrstcucr klar genug gezeigt hat, daß es auch hier aus dem Wege der Reduction fortzuschreiten gesonnen ist. Herr Disraeli beugt sich daher gehorsam vor dem Willen des Hauses, schlägt keine Veränderung vor, und bittet nur, als letztes Auskunftsmittel, um die Verlängerung der Einkommensteuer auf ein Jahr.' Nicht den mindesten Antheil an dem großen Erfolg der Rede des neuen Schatz¬ kanzlers hatte die Bescheidenheit, mit der er dabei von sich selbst sprach. Von der wich¬ tigen Rolle, die er bei allen finanziellen Debatten der letzten zehn Jahre gespielt, von' den donnernden Reden, die er gehalten, von den Prophezeihungen, die er ausgesprochen, von den Rathschlägen, die er ertheilt, kein Wort. Freilich hatte diese Bescheidenheit ihren guten Grund. Derselbe Disraeli, der jetzt den blühenden Wohlstand des Landes freudig anerkennt, und bei der bisher befolgten Finanzpolitik zu verharren rathet, hat mit unermüdlicher Energie die Opposition gegen diese Politik organisirt, hat den gro¬ ßen Staatsmann, der sie zuerst begonnen, gestürzt, nachdem er ihn zuerst mit den bit¬ tersten Jnvectiven verfolgt, und ihn der egoistischen Verblendung und fast des Verraths am Vaterlande angeklagt, hat den sichern Untergang des Landes prophezeiht, und in allen Variationen das gerade Gegentheil von dem, was er heute empfiehlt, angepriesen. Er, der Sir. R. Peel einmal vorwarf, daß er die Whigs im Bade gefunden und sich mit ihren Kleidern aus dem Staube gemacht habe, verdient jetzt den Gegcnvorwnrf, daß er das vorige Ministerium im Schlafe überrascht und ihm sein Budget gestohlen hat, und das rohe Gleichniß, mit welchem Lord Stanley Sir N. Peel einst einen jener Taschenspieler nannte, welche aus Jahrmärkten vor dem verblüfften Volke die Kugel von einem Becher unter den, andern escamotircn, bis keiner der Zuschauer sie mehr zu suchen wagt, findet jetzt auf Lord Derby's festen Anhänger seine vollste Anwendung. Ist die demüthige Buße, mit der Disraeli den Manen des großen Peel Abbitte geleistet hat, aufrichtig, und gedenkt er wirklich sich von dem Glaubensbekenntnis^ der Protectionisten loszusagen? Disraeli's allcrneucstcs Auftreten veranlaßt uns zu dieser mißtrauischen Frage. Am Freitag vor acht Tagen mußte er die Freude über sein ge¬ lungenes Auftreten dadurch verbittert sehen, daß seine entschiedensten Gegner am lautesten in ihren anerkennenden Lobsprüchen waren, während der Beifallruf der Anhänger wol , mehr der taschenspielerhasten Geschwindigkeit galt, mit der er vor den Augen der guten Landedelleute sein altes Glaubensbekenntniß in die Tasche steckte, und. ein ganz nagel¬ neues wieder herauszog, und ihre Bewunderung war wahrscheinlich nicht frei von der Besorg- mß, daß das alte für immer verschwunden bleiben möchte. Jedenfalls hat Disraeli Sorge getragen, sie nachträglich zu beruhigen, indem er genau 8 Tage später die Ver¬ sicherung gab, er füge sich zwar für jetzt in die Lage der Sachen, bleibe aber sonst bei seiner alten Ueberzeugung, das heißt doch nichts Anderes als: als Schatzkanzler erkenne ich die Nothwendigkeit der Freihandelspolitik bei dem Zustand der Finanzen an, aber als Führer der proiectionistischcn Partei werde ich nach wie vor die Schutz¬ zollpolitik vertheidigen. Das ist ein Weg, der nur dazu führen kann, entweder seine Gegner, oder seine Anhänger zu hintergehen. Herr Disraeli ist so sehr Künstler in '" 40*,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/327>, abgerufen am 04.07.2024.