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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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scher Nachrichten zu einem Jahre Gefängniß und zu tausend Franken Strafe ver¬
Urtheilen lassen; ich sehe mich daher veranlaßt, meine obige Neuigkeit zu berich¬
tigen, indem ich Sie ersuche, blos zu sagen, daß der Präsident applaudirt habe,
da das "warm" vielleicht von der Polizei als falsche Nachricht betrachtet wer¬
den, und ich die Temperatur des allerhöchsten Beifalls so doch nicht nachweisen
könnte. Also es bleibt beim einfachen Beifalle. Nun sollten Sie unsre Jour¬
nale scheu, wie sie aus Mitleid für Roqueplan's hundertfunfzigtausend Franken
Paris an der Nase in Halvvy's Oper ziehen möchten. Das ist gar zu komisch.
Das Publicum weiß übrigens doch bald, woran es sich zu halten habe, und
schon für die zweite Vorstellung waren am Abende an der Kasse die Plätze in
Menge zu bekommen.

Der ewige Jude hat mir so viel Raum geraubt, daß ich für dieses Mal kaum
mehr wagen darf, noch über den plastischen Theil der Kunstausstellung zu reden.
Also hiervon ein anderes Mal; nur möchte ich hier nachträglich der vortrefflichen
Portraits des deutschen Malers "Karl Müller" lobend erwähnen. Sein Por¬
trait von Sophie Cruvelli findet hier mit Recht Anerkennung, und sein reizen¬
der Studienkopf hält mit gleichem Rechte stets eine kleine Gemeinde von Bewun¬
derern um sich. Müller war viele Jahre in Rom, und hat später bei Ingres
gemalt. Nach dem frischen lebendigen Colorit seiner Bilder zu schließen, macht
der junge Künstler Miene, seinem Lehrer untren zu werden.

(Der politische Bericht aus Frankreich in der nächsten Woche.)




Wochenb erlebt.
Neupreusßifche Politik.

-- Wir sind schon früher der Ansicht gewesen,
daß derjenige Theil unsrer Parteigenossen in der zweiten Kammer, der mit der Rechten
gegen die Annahme der Beschlüsse der ersten Kammer in Beziehung ans das neue
Pairsinstitnt stimmte, einen Fehler begangen hat. Schon in Beziehung auf den Inhalt
war dieser neue Gesetzentwurf besser, als der in Folge der Januarpropositionen I8S0
beschlossene. Die Möglichkeit eines fortdauernden Einverständnisses unter den Factoren
der gesetzgebenden Gewalt im konstitutionellen Staat setzt Volans, daß unter Umständen
der fortgesetzte Widerstand des einen oder des andern dieser Factoren beseitigt werden
kann. Von den Beschlüssen der zweiten Kammer kann dnrch neue Wahlen an das
Volk appellirt werden, die Krone kann ihre Räthe verändern. Nur gegen den fort¬
gesetzten Widerstand der ersten Kammer gab es nach den Bestimmungen der Verfassung
kein gesetzliches Mittel. Zwar hatte die Krone das Recht der Pairscrnemmng, aber
dieses Recht ist in einem im Ganzen armen Staate, wo sich nicht übertrieben viele
Personen vorfinden werden, den Glanz der neuen Würde mit Anstand zu tragen, und
wo andererseits die Krone außer Stand ist, neue Pairs anständig zu dotiren, nur in
den seltensten Fällen anwendbar. Zwar wurde ein Theil der Kammer gewählt, aber
die Basis dieser Wahl war eine so einseitige, daß an einen wesentlich veränderten


scher Nachrichten zu einem Jahre Gefängniß und zu tausend Franken Strafe ver¬
Urtheilen lassen; ich sehe mich daher veranlaßt, meine obige Neuigkeit zu berich¬
tigen, indem ich Sie ersuche, blos zu sagen, daß der Präsident applaudirt habe,
da das „warm" vielleicht von der Polizei als falsche Nachricht betrachtet wer¬
den, und ich die Temperatur des allerhöchsten Beifalls so doch nicht nachweisen
könnte. Also es bleibt beim einfachen Beifalle. Nun sollten Sie unsre Jour¬
nale scheu, wie sie aus Mitleid für Roqueplan's hundertfunfzigtausend Franken
Paris an der Nase in Halvvy's Oper ziehen möchten. Das ist gar zu komisch.
Das Publicum weiß übrigens doch bald, woran es sich zu halten habe, und
schon für die zweite Vorstellung waren am Abende an der Kasse die Plätze in
Menge zu bekommen.

Der ewige Jude hat mir so viel Raum geraubt, daß ich für dieses Mal kaum
mehr wagen darf, noch über den plastischen Theil der Kunstausstellung zu reden.
Also hiervon ein anderes Mal; nur möchte ich hier nachträglich der vortrefflichen
Portraits des deutschen Malers „Karl Müller" lobend erwähnen. Sein Por¬
trait von Sophie Cruvelli findet hier mit Recht Anerkennung, und sein reizen¬
der Studienkopf hält mit gleichem Rechte stets eine kleine Gemeinde von Bewun¬
derern um sich. Müller war viele Jahre in Rom, und hat später bei Ingres
gemalt. Nach dem frischen lebendigen Colorit seiner Bilder zu schließen, macht
der junge Künstler Miene, seinem Lehrer untren zu werden.

(Der politische Bericht aus Frankreich in der nächsten Woche.)




Wochenb erlebt.
Neupreusßifche Politik.

— Wir sind schon früher der Ansicht gewesen,
daß derjenige Theil unsrer Parteigenossen in der zweiten Kammer, der mit der Rechten
gegen die Annahme der Beschlüsse der ersten Kammer in Beziehung ans das neue
Pairsinstitnt stimmte, einen Fehler begangen hat. Schon in Beziehung auf den Inhalt
war dieser neue Gesetzentwurf besser, als der in Folge der Januarpropositionen I8S0
beschlossene. Die Möglichkeit eines fortdauernden Einverständnisses unter den Factoren
der gesetzgebenden Gewalt im konstitutionellen Staat setzt Volans, daß unter Umständen
der fortgesetzte Widerstand des einen oder des andern dieser Factoren beseitigt werden
kann. Von den Beschlüssen der zweiten Kammer kann dnrch neue Wahlen an das
Volk appellirt werden, die Krone kann ihre Räthe verändern. Nur gegen den fort¬
gesetzten Widerstand der ersten Kammer gab es nach den Bestimmungen der Verfassung
kein gesetzliches Mittel. Zwar hatte die Krone das Recht der Pairscrnemmng, aber
dieses Recht ist in einem im Ganzen armen Staate, wo sich nicht übertrieben viele
Personen vorfinden werden, den Glanz der neuen Würde mit Anstand zu tragen, und
wo andererseits die Krone außer Stand ist, neue Pairs anständig zu dotiren, nur in
den seltensten Fällen anwendbar. Zwar wurde ein Theil der Kammer gewählt, aber
die Basis dieser Wahl war eine so einseitige, daß an einen wesentlich veränderten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/322>, abgerufen am 04.07.2024.