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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Sir James trotz aller seiner Gescheidtheit ein Stein des Anstoßes sei. Niemand
kann ihn leiden, und keiner möchte ihn zum Kollegen habe", wenn er durch einen
Andern ersetzt werden könnte. Bei dem großen Publieum steht er in noch üblerem
Gerüche. Das Aufbrechen der Mazzinischen Briefe, und die Mittheilung ihres
Inhalts an die absolutistischen Cabinete ist ihm weder vergessen noch verziehen.
Das Blut der BandieraS befleckt Sir James Graham. Ein Cabinet, von dem
er ein Mitglied ist, kann nur in Ermangelung eines bessern geduldet werden.

Gladstone's Talente als Parlamentstakliker und Redner wird Niemand an¬
fechten; als praktischer Staatsmann hat er sich nicht ungewandt gezeigt; und er
ist jetzt popnlair wege" seiner neapolitanischen Briefe. Aber in seinem frühern
Departement als Cvlonialsccretair hat Gladstone bei aller Geschäftögewandthcit
kein Glück gemacht, und er hat so großen Hang zur theologischen Polemik, daß
man immer besorgen muß, er werde (wie König James in Nigels Schicksalen),
seine Zeit in casuistischen Streitigkeiten verschwenden, wenn er sich weltlichen Ge¬
schäften widmen sollte.

Lord Aberdeen ist der dritte des politischen Kleeblatts. Noch ganz vor
Kurzem stand man in Zweifel, ob er noch lange nach dem Tode Sir Robert
Peel's treu zu der Fahne halten werde; aber die letzte Debatte im Parlament zeigte
ihn als den entschiedensten Freihändler. In den andern Fragen innerer Politik
scheint er sich ebenfalls der liberaleren Anschauungsweise Graham's angeschlossen
zu haben; dagegen dürsten seine Ansichten der auswärtigen Verhältnisse mir bei
den Hochtories Anklang finden. Durch seine persönliche Vertrautheit mit allen
Staatsmännern der vormärzlichen Reaction des Festlands, und durch seine Bereit¬
willigkeit, sclavisch ihrem Interesse zu dienen, ist er derjenige, welchen die des¬
potischen Cabinete am liebsten als auswärtigen Minister im Amte sehen; aber in
dem Maße, wie .er bei diesen beliebt ist, steht er in England, anßer bei der
hochtoryistische" Partei, in Verruf, und ist als Staatsmann ganz unmöglich, so
wie durch eine neue Erschütterung auf dem Kontinent das Interesse an der aus¬
wärtigen Politik in England einen Aufschwung nimmt.

Ueber die kleineren Lichter der Peelclique brauchen wir nur wenig Worte zu
verlieren. Den Herzog von Newcastle (der als Lord Lincoln im Unterhause saß),
kann man kaum mitzählen; er hielt sich von allen Parteien entfernt, als voriges
Jahr während der Ministerkrisiö die Tones und die Whigs mit den Pceliten
anzuknüpfen versuchte". Er scheint gewillt, seinen eignen Weg zu gehen, wünscht aber
erst zu wissen, von welcher Seite der günstigste Wind kommt. Lord Dalhonsie,
der mit so großen Erwartungen nach Ostindien geschickt wurde, hat dort nicht be¬
friedigt. Die ostindische Compagnie weigert sich, seine Bestallung als Gcneral-
statthalter zu erneuern, weil er systematisch an dem einen Ende des Reichs blieb,
während sich der Rath, mit dessen Wirkung er regieren soll, an dem andern Ende
aufhielt. Cardwcll ist ein tüchtiger Geschäftsmann und verspricht ein guter Pra-


Sir James trotz aller seiner Gescheidtheit ein Stein des Anstoßes sei. Niemand
kann ihn leiden, und keiner möchte ihn zum Kollegen habe», wenn er durch einen
Andern ersetzt werden könnte. Bei dem großen Publieum steht er in noch üblerem
Gerüche. Das Aufbrechen der Mazzinischen Briefe, und die Mittheilung ihres
Inhalts an die absolutistischen Cabinete ist ihm weder vergessen noch verziehen.
Das Blut der BandieraS befleckt Sir James Graham. Ein Cabinet, von dem
er ein Mitglied ist, kann nur in Ermangelung eines bessern geduldet werden.

Gladstone's Talente als Parlamentstakliker und Redner wird Niemand an¬
fechten; als praktischer Staatsmann hat er sich nicht ungewandt gezeigt; und er
ist jetzt popnlair wege» seiner neapolitanischen Briefe. Aber in seinem frühern
Departement als Cvlonialsccretair hat Gladstone bei aller Geschäftögewandthcit
kein Glück gemacht, und er hat so großen Hang zur theologischen Polemik, daß
man immer besorgen muß, er werde (wie König James in Nigels Schicksalen),
seine Zeit in casuistischen Streitigkeiten verschwenden, wenn er sich weltlichen Ge¬
schäften widmen sollte.

Lord Aberdeen ist der dritte des politischen Kleeblatts. Noch ganz vor
Kurzem stand man in Zweifel, ob er noch lange nach dem Tode Sir Robert
Peel's treu zu der Fahne halten werde; aber die letzte Debatte im Parlament zeigte
ihn als den entschiedensten Freihändler. In den andern Fragen innerer Politik
scheint er sich ebenfalls der liberaleren Anschauungsweise Graham's angeschlossen
zu haben; dagegen dürsten seine Ansichten der auswärtigen Verhältnisse mir bei
den Hochtories Anklang finden. Durch seine persönliche Vertrautheit mit allen
Staatsmännern der vormärzlichen Reaction des Festlands, und durch seine Bereit¬
willigkeit, sclavisch ihrem Interesse zu dienen, ist er derjenige, welchen die des¬
potischen Cabinete am liebsten als auswärtigen Minister im Amte sehen; aber in
dem Maße, wie .er bei diesen beliebt ist, steht er in England, anßer bei der
hochtoryistische» Partei, in Verruf, und ist als Staatsmann ganz unmöglich, so
wie durch eine neue Erschütterung auf dem Kontinent das Interesse an der aus¬
wärtigen Politik in England einen Aufschwung nimmt.

Ueber die kleineren Lichter der Peelclique brauchen wir nur wenig Worte zu
verlieren. Den Herzog von Newcastle (der als Lord Lincoln im Unterhause saß),
kann man kaum mitzählen; er hielt sich von allen Parteien entfernt, als voriges
Jahr während der Ministerkrisiö die Tones und die Whigs mit den Pceliten
anzuknüpfen versuchte». Er scheint gewillt, seinen eignen Weg zu gehen, wünscht aber
erst zu wissen, von welcher Seite der günstigste Wind kommt. Lord Dalhonsie,
der mit so großen Erwartungen nach Ostindien geschickt wurde, hat dort nicht be¬
friedigt. Die ostindische Compagnie weigert sich, seine Bestallung als Gcneral-
statthalter zu erneuern, weil er systematisch an dem einen Ende des Reichs blieb,
während sich der Rath, mit dessen Wirkung er regieren soll, an dem andern Ende
aufhielt. Cardwcll ist ein tüchtiger Geschäftsmann und verspricht ein guter Pra-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/30>, abgerufen am 04.07.2024.