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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Venedigs von Ziem gedenken. Das ist ein Gemälde, welches der Canaletto nicht
zu desavouiren brauchte. Wie ist das Meer wahr und poetisch aufgefaßt,
wie kühn ist nicht diese Barke mit ihrem großen gelben Segel uifter dem blauen
Himmel hingestellt, und wie sicher doch die Harmonie gerettet! Und auf einem
so grellen Hintergründe, wie dieses Segel, vermochte Ziem noch einen grellen
Farbeneffect zu erzielen durch die vollgekleideten Fischergestalten. Aber mit
welcher Meisterschaft ist da die Farbentonleiter behandelt! Und seitwärts die
herrliche Venezia mit ihren Marmorpalästen und die vortrefflich gelungene Fern¬
sicht -- das ist ein ganz gelungenes Kunstwerk. Die anderen zwei Landschaften
von Ziem haben gleichfalls viele Vorzüge. Unter den Landschaftern sind noch
Jules DuprL, Cabot Mdonin und vorzüglich Andrv zu nennen. Ersterer hat
drei Landschaften, eine ungewöhnlich große, ausgestellt, welche den Preis dieses
Genres verdienen.

Ueber die Sculptur will ich mich bei einer andern Gelegenheit auslassen,
und schließe hiemit meinen Artikel über den Salon. Sie und Ihre Leser werden
es mir gewiß verzeihen, daß ich Ihnen die Schilderung der unzähligen Ophelien
und Gretchen erlasse, daß ich Sie mit der gewissen Wäscherin, mit dem gewissen
Herrn Banditen und mit dein unabweisbaren Trinker nicht weiter beseitige.
Diese können in keinem Salon fehlen, eben so wenig als der traditionelle Türke
ans den Wiener Redontenbällen. Diese flüchtige Uebersicht der bemerkenswer-
thesten Kunsterzeugnisse hat unsrem' Zwecke genügt. Sie werden nun mit mir
überzeugt sein, daß sich wol recht Gutes auf unsren KnnstauSstellnngen vorfinde,
daß dies, aber noch lange kein Salon ist, wie man ihn in einer Hauptstadt eines
ganz in dieser aufgegangenen Landes zu sehen wünschen muß. Es mag vielleicht
auch als Entschuldigung gelten, daß eine jährliche Ausstellung selbst für Paris
zuviel sei, und wir wollen vor Allem gelten lassen, daß, wie wir in einer frühern
Botschaft bemerkten, die Ingres, Delacroix, Scheffer, Flandrin, Diaz, Rosa
Bonheur, Decamp sich diesmal ganz enthielten.




Die Coneertsaifon 1851-1852 in Leipzig.
' 2.-

Schnmcinn's übergroße Fruchtbarkeit erscheint fast ungesund und fieberhaft.
Es fällt uns nicht ein, den Vorwurf einer industriösen Vielschreiberei gegen ihn
zu erheben, darüber ist Schumann erhaben. Und doch vermögen wir die
bis zur Ueberzeugung in uns ausgebildete Meinung nicht zu unterdrücken, daß
dieses ruhelose Schaffen die Ursache der mancherlei Mißstände sei, welche an


Venedigs von Ziem gedenken. Das ist ein Gemälde, welches der Canaletto nicht
zu desavouiren brauchte. Wie ist das Meer wahr und poetisch aufgefaßt,
wie kühn ist nicht diese Barke mit ihrem großen gelben Segel uifter dem blauen
Himmel hingestellt, und wie sicher doch die Harmonie gerettet! Und auf einem
so grellen Hintergründe, wie dieses Segel, vermochte Ziem noch einen grellen
Farbeneffect zu erzielen durch die vollgekleideten Fischergestalten. Aber mit
welcher Meisterschaft ist da die Farbentonleiter behandelt! Und seitwärts die
herrliche Venezia mit ihren Marmorpalästen und die vortrefflich gelungene Fern¬
sicht — das ist ein ganz gelungenes Kunstwerk. Die anderen zwei Landschaften
von Ziem haben gleichfalls viele Vorzüge. Unter den Landschaftern sind noch
Jules DuprL, Cabot Mdonin und vorzüglich Andrv zu nennen. Ersterer hat
drei Landschaften, eine ungewöhnlich große, ausgestellt, welche den Preis dieses
Genres verdienen.

Ueber die Sculptur will ich mich bei einer andern Gelegenheit auslassen,
und schließe hiemit meinen Artikel über den Salon. Sie und Ihre Leser werden
es mir gewiß verzeihen, daß ich Ihnen die Schilderung der unzähligen Ophelien
und Gretchen erlasse, daß ich Sie mit der gewissen Wäscherin, mit dem gewissen
Herrn Banditen und mit dein unabweisbaren Trinker nicht weiter beseitige.
Diese können in keinem Salon fehlen, eben so wenig als der traditionelle Türke
ans den Wiener Redontenbällen. Diese flüchtige Uebersicht der bemerkenswer-
thesten Kunsterzeugnisse hat unsrem' Zwecke genügt. Sie werden nun mit mir
überzeugt sein, daß sich wol recht Gutes auf unsren KnnstauSstellnngen vorfinde,
daß dies, aber noch lange kein Salon ist, wie man ihn in einer Hauptstadt eines
ganz in dieser aufgegangenen Landes zu sehen wünschen muß. Es mag vielleicht
auch als Entschuldigung gelten, daß eine jährliche Ausstellung selbst für Paris
zuviel sei, und wir wollen vor Allem gelten lassen, daß, wie wir in einer frühern
Botschaft bemerkten, die Ingres, Delacroix, Scheffer, Flandrin, Diaz, Rosa
Bonheur, Decamp sich diesmal ganz enthielten.




Die Coneertsaifon 1851-1852 in Leipzig.
' 2.-

Schnmcinn's übergroße Fruchtbarkeit erscheint fast ungesund und fieberhaft.
Es fällt uns nicht ein, den Vorwurf einer industriösen Vielschreiberei gegen ihn
zu erheben, darüber ist Schumann erhaben. Und doch vermögen wir die
bis zur Ueberzeugung in uns ausgebildete Meinung nicht zu unterdrücken, daß
dieses ruhelose Schaffen die Ursache der mancherlei Mißstände sei, welche an


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[0265] Venedigs von Ziem gedenken. Das ist ein Gemälde, welches der Canaletto nicht zu desavouiren brauchte. Wie ist das Meer wahr und poetisch aufgefaßt, wie kühn ist nicht diese Barke mit ihrem großen gelben Segel uifter dem blauen Himmel hingestellt, und wie sicher doch die Harmonie gerettet! Und auf einem so grellen Hintergründe, wie dieses Segel, vermochte Ziem noch einen grellen Farbeneffect zu erzielen durch die vollgekleideten Fischergestalten. Aber mit welcher Meisterschaft ist da die Farbentonleiter behandelt! Und seitwärts die herrliche Venezia mit ihren Marmorpalästen und die vortrefflich gelungene Fern¬ sicht — das ist ein ganz gelungenes Kunstwerk. Die anderen zwei Landschaften von Ziem haben gleichfalls viele Vorzüge. Unter den Landschaftern sind noch Jules DuprL, Cabot Mdonin und vorzüglich Andrv zu nennen. Ersterer hat drei Landschaften, eine ungewöhnlich große, ausgestellt, welche den Preis dieses Genres verdienen. Ueber die Sculptur will ich mich bei einer andern Gelegenheit auslassen, und schließe hiemit meinen Artikel über den Salon. Sie und Ihre Leser werden es mir gewiß verzeihen, daß ich Ihnen die Schilderung der unzähligen Ophelien und Gretchen erlasse, daß ich Sie mit der gewissen Wäscherin, mit dem gewissen Herrn Banditen und mit dein unabweisbaren Trinker nicht weiter beseitige. Diese können in keinem Salon fehlen, eben so wenig als der traditionelle Türke ans den Wiener Redontenbällen. Diese flüchtige Uebersicht der bemerkenswer- thesten Kunsterzeugnisse hat unsrem' Zwecke genügt. Sie werden nun mit mir überzeugt sein, daß sich wol recht Gutes auf unsren KnnstauSstellnngen vorfinde, daß dies, aber noch lange kein Salon ist, wie man ihn in einer Hauptstadt eines ganz in dieser aufgegangenen Landes zu sehen wünschen muß. Es mag vielleicht auch als Entschuldigung gelten, daß eine jährliche Ausstellung selbst für Paris zuviel sei, und wir wollen vor Allem gelten lassen, daß, wie wir in einer frühern Botschaft bemerkten, die Ingres, Delacroix, Scheffer, Flandrin, Diaz, Rosa Bonheur, Decamp sich diesmal ganz enthielten. Die Coneertsaifon 1851-1852 in Leipzig. ' 2.- Schnmcinn's übergroße Fruchtbarkeit erscheint fast ungesund und fieberhaft. Es fällt uns nicht ein, den Vorwurf einer industriösen Vielschreiberei gegen ihn zu erheben, darüber ist Schumann erhaben. Und doch vermögen wir die bis zur Ueberzeugung in uns ausgebildete Meinung nicht zu unterdrücken, daß dieses ruhelose Schaffen die Ursache der mancherlei Mißstände sei, welche an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/265>, abgerufen am 24.07.2024.