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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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den friedlichen Weg lehren, den sie zu ihrer Ausgleichung um des beiderseitigen
Bestens willen zu wählen haben, anstatt im wilden Kampfe beider Interessen zu
vernichten. Die geistige Bildung über gewerbliche Dinge würde weiter die mi߬
lichen Irrthümer über die sogen. Ueberproduction und Uebervölkerung verschwin¬
den macheu. Sie würde das Volk lehren, daß es zwar in einer oder der an¬
dern Waare eine augenblickliche Ueberfüllung, und,damit eine falsche Production
geben kann, daß es aber ein Unding ist zu behaupten, es werde im Allgemeinen
zu viel producirt, oder es würden zu viele Werthe geschaffen, und aus diesem
Grunde könne das Volk seine Bedürfnisse nicht befriedigen, d.h. wegen zu vieler
Werthe fehle es an Werthen. Wäre jene Bildung allgemein, so würde endlich
der Arbeiter klarer sehen, was zu produciren im Augenblick vortheilhaft ist, und
er würde begreifen, daß die zahlreiche Bevölkerung ihm die Arbeit und den Ver¬
dienst nicht nehmen kann, wenn er sich nur dem Bedürfnisse seiner Zeit anzu¬
passen versteht und willig ist.'

Würden alle Regierungen für diese Ausbildung desVolkes in gewerblichen
Dingen Sorge tragen, würden sie die Beschränkungen des freien Gewerbebetriebes
hinwegnehmen, welche den Schein von Ueberproduction und Uebervölkerung her¬
vorrufen, und würden sie auf das Irrthümliche dieser Begriffe hinweisen, welche
sie freilich vielfach selbst für wahr zu halten scheinen, dann würden auch dem
Lande viele thatkräftige Hände und mit ihnen viele Capitale erhalten werden,
welche jetzt, von jenen beiden Phantomen erschreckt, und durch Beschränkungen
der gewerblichen Freiheit der Aussicht auf Erwerb und Vergrößerung beraubt,
das Vaterland verlassen.

Niemand wird eine zügellose Freiheit des Gewerbes verlangen. Im Gegen¬
theil muß Jeder, will er die größte Freiheit, sich dem strengsten Rechte unter¬
werfen. Es mag daher auch hier wieder der Wunsch in Anregung gebracht
werden, daß alle deutscheu Regierungen mit Erlassung von Gesetzen über Ge¬
werbe- und Handelsgerichte, über Marken- und Mnstergesetze, endlich auch über
ein Institut, worauf im Interesse des Arbeiters wie des Rechtsverhältnisses
zwischen ihm und dem Arbeitgeber ein besonderer Werth zu legen sein dürfte,
über Arbeitsbücher, nicht weiter anstehen möchten. Und außerdem fühlen wir in
den kleineren deutscheu Staate" noch lebhaft das Bedürfniß von Gewerbe- und
Handelsräthen, und von-einer selbstständigen, von dem Departement der Polizei
freien Vertretung der gewerblichen, Interessen im Staate, auch in der höchsten
Instanz. Das strenge Anhalten, welches die Zügel der Polizeiverwaltung er¬
fordern, härtet die leitende Hand derselben zu sehr, als daß sie weich genug
bleiben konnte, um dem freien Fluge des Gewerbes Genüge zu thun. Nur frei¬
lich müssen, wo ein Handels- und Gewerbe-Ministerium besteht, nicht, wie aus
Preußen in den letzten Tagen berichtet wurde, Gewerbsconcessionssachcn diesem
Ministerium genommen und dem Polizeiministerium überlassen werden.


den friedlichen Weg lehren, den sie zu ihrer Ausgleichung um des beiderseitigen
Bestens willen zu wählen haben, anstatt im wilden Kampfe beider Interessen zu
vernichten. Die geistige Bildung über gewerbliche Dinge würde weiter die mi߬
lichen Irrthümer über die sogen. Ueberproduction und Uebervölkerung verschwin¬
den macheu. Sie würde das Volk lehren, daß es zwar in einer oder der an¬
dern Waare eine augenblickliche Ueberfüllung, und,damit eine falsche Production
geben kann, daß es aber ein Unding ist zu behaupten, es werde im Allgemeinen
zu viel producirt, oder es würden zu viele Werthe geschaffen, und aus diesem
Grunde könne das Volk seine Bedürfnisse nicht befriedigen, d.h. wegen zu vieler
Werthe fehle es an Werthen. Wäre jene Bildung allgemein, so würde endlich
der Arbeiter klarer sehen, was zu produciren im Augenblick vortheilhaft ist, und
er würde begreifen, daß die zahlreiche Bevölkerung ihm die Arbeit und den Ver¬
dienst nicht nehmen kann, wenn er sich nur dem Bedürfnisse seiner Zeit anzu¬
passen versteht und willig ist.'

Würden alle Regierungen für diese Ausbildung desVolkes in gewerblichen
Dingen Sorge tragen, würden sie die Beschränkungen des freien Gewerbebetriebes
hinwegnehmen, welche den Schein von Ueberproduction und Uebervölkerung her¬
vorrufen, und würden sie auf das Irrthümliche dieser Begriffe hinweisen, welche
sie freilich vielfach selbst für wahr zu halten scheinen, dann würden auch dem
Lande viele thatkräftige Hände und mit ihnen viele Capitale erhalten werden,
welche jetzt, von jenen beiden Phantomen erschreckt, und durch Beschränkungen
der gewerblichen Freiheit der Aussicht auf Erwerb und Vergrößerung beraubt,
das Vaterland verlassen.

Niemand wird eine zügellose Freiheit des Gewerbes verlangen. Im Gegen¬
theil muß Jeder, will er die größte Freiheit, sich dem strengsten Rechte unter¬
werfen. Es mag daher auch hier wieder der Wunsch in Anregung gebracht
werden, daß alle deutscheu Regierungen mit Erlassung von Gesetzen über Ge¬
werbe- und Handelsgerichte, über Marken- und Mnstergesetze, endlich auch über
ein Institut, worauf im Interesse des Arbeiters wie des Rechtsverhältnisses
zwischen ihm und dem Arbeitgeber ein besonderer Werth zu legen sein dürfte,
über Arbeitsbücher, nicht weiter anstehen möchten. Und außerdem fühlen wir in
den kleineren deutscheu Staate» noch lebhaft das Bedürfniß von Gewerbe- und
Handelsräthen, und von-einer selbstständigen, von dem Departement der Polizei
freien Vertretung der gewerblichen, Interessen im Staate, auch in der höchsten
Instanz. Das strenge Anhalten, welches die Zügel der Polizeiverwaltung er¬
fordern, härtet die leitende Hand derselben zu sehr, als daß sie weich genug
bleiben konnte, um dem freien Fluge des Gewerbes Genüge zu thun. Nur frei¬
lich müssen, wo ein Handels- und Gewerbe-Ministerium besteht, nicht, wie aus
Preußen in den letzten Tagen berichtet wurde, Gewerbsconcessionssachcn diesem
Ministerium genommen und dem Polizeiministerium überlassen werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/154>, abgerufen am 24.07.2024.