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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Schubfächern für Charten und Kupferwerke, wo diese in Mappen liegen können;
in der Mitte ein eleganter Arbeitstisch mit bequemen Sesseln zum Zurücklegen des
Rückens, in den Ecken der Stube Nischen mit Statuen oder Vasen, wenn nicht
von Marmor, doch von Zinkguß oder bescheidener Terracotta, ein dem freien
Wandraum einige historische Portraits. -- das ist eine Einrichtung, welche dem
Einzelnen auch ohne großen Reichthum möglich wird und welche hier und da
zu veranlassen der lebhafte Wunsch dieses Artikels ist.




Wochenb erlebt.
Pariser Botschaften.

Ja, es war eine schone Wendung, welche Louis Napoleon in der Thronrede
anbrachte: er werde sich nur dann zum Kaiser machen, wenn seine Kinder, die Fran¬
zosen, unartig werden sollten. Wie edel und uneigennützig! Warum sollte er sich auch
erst die unnöthige Mühe nehmen und die Hand nach der Krone ausstrecken, wo
die besternte, galonnirte, gestickte und dotirte Servilität mit dem Präsentirteller
auf den Knien liegt und die ganz ergebenste Hoffnung lispelt, man werde ihr
freudig angebotenes Geschenk nicht verschmähen. Und hat Frankreich es denn
auch verdient, daß ihm eine einzige Demüthigung erspart werde? es muß wie
ein zahmer Hofhund, auch ohne Kette mit den Schwänze wedeln und dem
Ruse, was sag' ich? dem Winke des Herrn folgen. Louis Bonaparte verschmäht
es mit Recht, ein armer Kaiser zu werden, und er läßt sich erst gehörig dornen,
ehe er zur Schlußscene schreitet; und der Senat hat verstanden, was Noth thut:
er hat dem Präsidenten, dem bekanntlich das Geld das Wenigste ist, zwölf
Millionen, statt der acht, die er wünschte, aufgedrungen und vier Schlösser an¬
gewiesen, wo er die anständige Civilliste verzehren kann. Wissen Sie, was die
nächste Folge dieser Taktik sein muß? Es wird geschehen, was Kaffeelicbhabern
passirt: die nehmen absichtlich zuviel Milch, um noch Kaffee hinzugeben zu
müssen. Die bisherige Civilliste war für einen Prinzpräsidenten zu klein, die
gegenwärtigeist zu groß; man wird daher noch Kaffee hinzugießen, und ans dem
Prinzprästdentcn wird ein Kaiser werden. Die Stelle der Botschaft, welche die
Erhaltung der Republik als etwas Wünschenswertes ausspricht, ist wol blos
zur Aufrechthaltung der Harmonie mit deren Nachbarn da, und vielleicht soll es
blos eine künstlerische Nachahmung der bekannten Scene in Richard III. sein,
wo dieser' sich über das plötzliche Verdorren seines rechten Armes beklagt. Und
warum sollte Louis Bonaparte nicht auch an Hexen glauben? muß er es nicht schon
aus Höflichkeit für die hohe Geistlichkeit thun? war doch der echte Republikaner


Schubfächern für Charten und Kupferwerke, wo diese in Mappen liegen können;
in der Mitte ein eleganter Arbeitstisch mit bequemen Sesseln zum Zurücklegen des
Rückens, in den Ecken der Stube Nischen mit Statuen oder Vasen, wenn nicht
von Marmor, doch von Zinkguß oder bescheidener Terracotta, ein dem freien
Wandraum einige historische Portraits. — das ist eine Einrichtung, welche dem
Einzelnen auch ohne großen Reichthum möglich wird und welche hier und da
zu veranlassen der lebhafte Wunsch dieses Artikels ist.




Wochenb erlebt.
Pariser Botschaften.

Ja, es war eine schone Wendung, welche Louis Napoleon in der Thronrede
anbrachte: er werde sich nur dann zum Kaiser machen, wenn seine Kinder, die Fran¬
zosen, unartig werden sollten. Wie edel und uneigennützig! Warum sollte er sich auch
erst die unnöthige Mühe nehmen und die Hand nach der Krone ausstrecken, wo
die besternte, galonnirte, gestickte und dotirte Servilität mit dem Präsentirteller
auf den Knien liegt und die ganz ergebenste Hoffnung lispelt, man werde ihr
freudig angebotenes Geschenk nicht verschmähen. Und hat Frankreich es denn
auch verdient, daß ihm eine einzige Demüthigung erspart werde? es muß wie
ein zahmer Hofhund, auch ohne Kette mit den Schwänze wedeln und dem
Ruse, was sag' ich? dem Winke des Herrn folgen. Louis Bonaparte verschmäht
es mit Recht, ein armer Kaiser zu werden, und er läßt sich erst gehörig dornen,
ehe er zur Schlußscene schreitet; und der Senat hat verstanden, was Noth thut:
er hat dem Präsidenten, dem bekanntlich das Geld das Wenigste ist, zwölf
Millionen, statt der acht, die er wünschte, aufgedrungen und vier Schlösser an¬
gewiesen, wo er die anständige Civilliste verzehren kann. Wissen Sie, was die
nächste Folge dieser Taktik sein muß? Es wird geschehen, was Kaffeelicbhabern
passirt: die nehmen absichtlich zuviel Milch, um noch Kaffee hinzugeben zu
müssen. Die bisherige Civilliste war für einen Prinzpräsidenten zu klein, die
gegenwärtigeist zu groß; man wird daher noch Kaffee hinzugießen, und ans dem
Prinzprästdentcn wird ein Kaiser werden. Die Stelle der Botschaft, welche die
Erhaltung der Republik als etwas Wünschenswertes ausspricht, ist wol blos
zur Aufrechthaltung der Harmonie mit deren Nachbarn da, und vielleicht soll es
blos eine künstlerische Nachahmung der bekannten Scene in Richard III. sein,
wo dieser' sich über das plötzliche Verdorren seines rechten Armes beklagt. Und
warum sollte Louis Bonaparte nicht auch an Hexen glauben? muß er es nicht schon
aus Höflichkeit für die hohe Geistlichkeit thun? war doch der echte Republikaner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/119>, abgerufen am 24.07.2024.