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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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da die neuen Minister nur theilweise die äußere Politik ihrer Vorgänger zu be¬
folgen geneigt sein dürften, wobei ein Erkalten der Türkenfreundschaft natürlich
in erster Linie steht. Welchen Einfluß dies auf die Verhältnisse Serbiens üben
kann und muß, liegt auf der Hand; wenigstens die Lehre, daß man ohne Ru߬
lands Willen und Zustimmung Nichts zu erlangen vermöge, hat sich dabei auss
Klarste herausgestellt und wird hoffentlich nicht mehr vergessen werden. Dies
mag jede künftige Regierung Serbiens bedenken, und sie wird künftig nicht in die
Lage kommen, die Agacerien eines englischen oder französischen Konsuls ertragen
zu müssen, wie es eben jüngst der Fall war. Uebrigens soll der durch seiue
Burschikosität bekannte händelsüchtige, englische Consul, Herr de Faublanck, zum
Beweise der freundlichen Gesinnung Englands für "das souveraine Fürstenthum
Serbien, von Belgrad entfernt und bei dem in Bälde zu creirenden englischen
Consulate in Bosnien employirt werden.

In Bosnien nahmen die Dinge ebenfalls eine neue Wendung. Wie gesagt,
hatten die Beschuldigungen, die Neschid Pascha trafen, auch auf seine Freunde
einen zweifelhaften Schein geworfen. Omer Pascha wurde überdies beschuldigt,
sich von den Reichthümern und Schätzen des während der letzten Jnsurrection
verstorbenen VezirS der Herzegowina, Ali Pascha Stvltschewitsch, ein Sümmchen
von nur zwanzig Millionen Gulden angeeignet zu haben; ferner warfen ihm
die Alttürken seine Billigkeit gegen die Raja vor, und sagten, er wolle mit
Hilfe der Raja in Bosnien, und Albanien die Rolle Mohamed Ali Pascha's ^
wieder aufnehmen, und legten dem projectirten Feldzuge gegen Albanien dieses
Project zum Motive uuter. Obwol Omer Pascha zu allen diesen Beschuldigungen
keine Veranlassung gegeben, und obwol die Pforte gegen ihn die vielfachsten
Verpflichtungen hat, fand der Argwohn gegen ihn dennoch Gehör, wie es mehrere
ihm zugedachte Kränkungen zeigen.

Zuerst kam der Widerruf des albanesischen Feldzuges, den Omer Pascha so
eifrig betrieben hatte, und wodurch die Pforte wesentlichen Nutzen erlangt hätte,
da der gegenwärtige anarchische Zustand Albaniens auf die Dauer der türkischen
Herrschaft im Lande den schmählichsten Abbruch thun muß. Dieser Contreordre
folgte die für Omer Pascha nicht eben schmeichelhafte Anfrage der Pforte an die
böhmischen Medschlis (Verwaltungsräthe), ob die längere Anwesenheit Omer Pa¬
scha's in Bosnien nothwendig sei? Und als diese Anfrage, wie man sich leicht
denken kann, allerseits bejahend beantwortet wurde, kam der dritte Schlag, daß
nämlich das Wezirlük Bosnien einem erklärten Anhänger der alttürkischen Partei,
Samt Pascha angeboten, von diesem aber zurückgewiesen, einem domo novus von
mindestens zweideutigen Antecedentien Weli-Eddin Pascha, übertragen wurde, ob¬
wol die böhmischen Verhältnisse es dringend erheischen, daß die Civil- und Mili-
tairgewalt in einer kraftvollen Hand concentrirt werde. Endlich wurden auch die
Häupter des letzten böhmischen Aufstandes, welche Omer Pascha nach Coustanti-


da die neuen Minister nur theilweise die äußere Politik ihrer Vorgänger zu be¬
folgen geneigt sein dürften, wobei ein Erkalten der Türkenfreundschaft natürlich
in erster Linie steht. Welchen Einfluß dies auf die Verhältnisse Serbiens üben
kann und muß, liegt auf der Hand; wenigstens die Lehre, daß man ohne Ru߬
lands Willen und Zustimmung Nichts zu erlangen vermöge, hat sich dabei auss
Klarste herausgestellt und wird hoffentlich nicht mehr vergessen werden. Dies
mag jede künftige Regierung Serbiens bedenken, und sie wird künftig nicht in die
Lage kommen, die Agacerien eines englischen oder französischen Konsuls ertragen
zu müssen, wie es eben jüngst der Fall war. Uebrigens soll der durch seiue
Burschikosität bekannte händelsüchtige, englische Consul, Herr de Faublanck, zum
Beweise der freundlichen Gesinnung Englands für "das souveraine Fürstenthum
Serbien, von Belgrad entfernt und bei dem in Bälde zu creirenden englischen
Consulate in Bosnien employirt werden.

In Bosnien nahmen die Dinge ebenfalls eine neue Wendung. Wie gesagt,
hatten die Beschuldigungen, die Neschid Pascha trafen, auch auf seine Freunde
einen zweifelhaften Schein geworfen. Omer Pascha wurde überdies beschuldigt,
sich von den Reichthümern und Schätzen des während der letzten Jnsurrection
verstorbenen VezirS der Herzegowina, Ali Pascha Stvltschewitsch, ein Sümmchen
von nur zwanzig Millionen Gulden angeeignet zu haben; ferner warfen ihm
die Alttürken seine Billigkeit gegen die Raja vor, und sagten, er wolle mit
Hilfe der Raja in Bosnien, und Albanien die Rolle Mohamed Ali Pascha's ^
wieder aufnehmen, und legten dem projectirten Feldzuge gegen Albanien dieses
Project zum Motive uuter. Obwol Omer Pascha zu allen diesen Beschuldigungen
keine Veranlassung gegeben, und obwol die Pforte gegen ihn die vielfachsten
Verpflichtungen hat, fand der Argwohn gegen ihn dennoch Gehör, wie es mehrere
ihm zugedachte Kränkungen zeigen.

Zuerst kam der Widerruf des albanesischen Feldzuges, den Omer Pascha so
eifrig betrieben hatte, und wodurch die Pforte wesentlichen Nutzen erlangt hätte,
da der gegenwärtige anarchische Zustand Albaniens auf die Dauer der türkischen
Herrschaft im Lande den schmählichsten Abbruch thun muß. Dieser Contreordre
folgte die für Omer Pascha nicht eben schmeichelhafte Anfrage der Pforte an die
böhmischen Medschlis (Verwaltungsräthe), ob die längere Anwesenheit Omer Pa¬
scha's in Bosnien nothwendig sei? Und als diese Anfrage, wie man sich leicht
denken kann, allerseits bejahend beantwortet wurde, kam der dritte Schlag, daß
nämlich das Wezirlük Bosnien einem erklärten Anhänger der alttürkischen Partei,
Samt Pascha angeboten, von diesem aber zurückgewiesen, einem domo novus von
mindestens zweideutigen Antecedentien Weli-Eddin Pascha, übertragen wurde, ob¬
wol die böhmischen Verhältnisse es dringend erheischen, daß die Civil- und Mili-
tairgewalt in einer kraftvollen Hand concentrirt werde. Endlich wurden auch die
Häupter des letzten böhmischen Aufstandes, welche Omer Pascha nach Coustanti-


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[0110] da die neuen Minister nur theilweise die äußere Politik ihrer Vorgänger zu be¬ folgen geneigt sein dürften, wobei ein Erkalten der Türkenfreundschaft natürlich in erster Linie steht. Welchen Einfluß dies auf die Verhältnisse Serbiens üben kann und muß, liegt auf der Hand; wenigstens die Lehre, daß man ohne Ru߬ lands Willen und Zustimmung Nichts zu erlangen vermöge, hat sich dabei auss Klarste herausgestellt und wird hoffentlich nicht mehr vergessen werden. Dies mag jede künftige Regierung Serbiens bedenken, und sie wird künftig nicht in die Lage kommen, die Agacerien eines englischen oder französischen Konsuls ertragen zu müssen, wie es eben jüngst der Fall war. Uebrigens soll der durch seiue Burschikosität bekannte händelsüchtige, englische Consul, Herr de Faublanck, zum Beweise der freundlichen Gesinnung Englands für "das souveraine Fürstenthum Serbien, von Belgrad entfernt und bei dem in Bälde zu creirenden englischen Consulate in Bosnien employirt werden. In Bosnien nahmen die Dinge ebenfalls eine neue Wendung. Wie gesagt, hatten die Beschuldigungen, die Neschid Pascha trafen, auch auf seine Freunde einen zweifelhaften Schein geworfen. Omer Pascha wurde überdies beschuldigt, sich von den Reichthümern und Schätzen des während der letzten Jnsurrection verstorbenen VezirS der Herzegowina, Ali Pascha Stvltschewitsch, ein Sümmchen von nur zwanzig Millionen Gulden angeeignet zu haben; ferner warfen ihm die Alttürken seine Billigkeit gegen die Raja vor, und sagten, er wolle mit Hilfe der Raja in Bosnien, und Albanien die Rolle Mohamed Ali Pascha's ^ wieder aufnehmen, und legten dem projectirten Feldzuge gegen Albanien dieses Project zum Motive uuter. Obwol Omer Pascha zu allen diesen Beschuldigungen keine Veranlassung gegeben, und obwol die Pforte gegen ihn die vielfachsten Verpflichtungen hat, fand der Argwohn gegen ihn dennoch Gehör, wie es mehrere ihm zugedachte Kränkungen zeigen. Zuerst kam der Widerruf des albanesischen Feldzuges, den Omer Pascha so eifrig betrieben hatte, und wodurch die Pforte wesentlichen Nutzen erlangt hätte, da der gegenwärtige anarchische Zustand Albaniens auf die Dauer der türkischen Herrschaft im Lande den schmählichsten Abbruch thun muß. Dieser Contreordre folgte die für Omer Pascha nicht eben schmeichelhafte Anfrage der Pforte an die böhmischen Medschlis (Verwaltungsräthe), ob die längere Anwesenheit Omer Pa¬ scha's in Bosnien nothwendig sei? Und als diese Anfrage, wie man sich leicht denken kann, allerseits bejahend beantwortet wurde, kam der dritte Schlag, daß nämlich das Wezirlük Bosnien einem erklärten Anhänger der alttürkischen Partei, Samt Pascha angeboten, von diesem aber zurückgewiesen, einem domo novus von mindestens zweideutigen Antecedentien Weli-Eddin Pascha, übertragen wurde, ob¬ wol die böhmischen Verhältnisse es dringend erheischen, daß die Civil- und Mili- tairgewalt in einer kraftvollen Hand concentrirt werde. Endlich wurden auch die Häupter des letzten böhmischen Aufstandes, welche Omer Pascha nach Coustanti-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/110>, abgerufen am 04.07.2024.