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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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volle des Actes liegt darin, daß dadurch die Kirche selbst den Kampf gegen die
Fremdenherrschaft aufnahm und in dem Serbenlager ihre Altäre ausschlug. Der
englische Consul in Serbien, .Herr von Fonblanck, der witzige Exredactenr des
"Examiner", machte zu jener Zeit manches scharfe Epigramm. Man erzählte
sich, daß der Patriarch dnrch ein ganzes Jahr in keiner Kirche gewesen. - Im
Sommer 1849 verweilte er in Semlin und ging eines Tages in die'Kirche.
"Seine Heiligkeit", bemerkte Herr von Foublanck zu einem bekannten serbischen
Geistlichen, ,, scheint dieses Gebäude nicht zu kennen: es ist keine Caserne."
"Seien Sie unbesorgt", erwiderte der Archimrandrit, "er ginge auch in diesem
Falle nicht irre, denn jedes Serbenlager ist eine eben so gute Kirche als diese."

Der Serbe hält auf das religiöse Ceremoniel, wie gesagt, nicht viel; er
ist weder ein fleißiger Kirchengänger, noch liebt er Beichte oder Predigt, und
läßt sich von seinem Geistlichen die Hölle nicht heiß yiachen. Ein Geistlicher ließ
es sich angelegen sein, seiner Gemeinde die Folgen der Sünde recht deutlich zu
macheu, und sprach von den Strafen nach dem Tode. "Wäre es so", sagte
einer der Zuhörer laut, "dann hätte es auch der Papa nicht besser als wir --
Gott vergebe ihm die sündhafte Rede." Ueberhaupt wird jedes Wort des Prie¬
sters streng controlirt, und wehe ihm, wenn er sich eine Blöße gegeben; darüber
cursiren Hunderte der pikantesten Anekdoten. Aber so streng der Serbe seinen
Priester beurtheilt, so wenig würde er es dulden, daß dies ein Andersglaubender
thäte; nur sich hält er in eigenen Angelegenheiten für den competenten Richter,
und mag von keiner fremden Intervention hören.

Was den Klerus betrifft, so ist dieser Nichts weniger, als eine bevorrechtete
Kaste. So lange der Priester am Altare steht, ist er Priester, und wird aus
das Ehrerbietigste angehört; sobald er aber den Segen gesprochen und das
Kirchenkleid abgelegt hat, hat seine kirchliche Autorität aufgehört, und, wenn er
nicht eines persönlichen, wie menschlichen Ansehens genießt, bekümmert sich das
Volk um ihn nicht mehr, als um jeden Andern ans seiner Mitte. Die Soutane
macht hier den Geistlichen so wenig, daß in der Zrnagora z. B. nur die weni¬
gen Mönche sich ihrer bedienen, während die übrigen Priester gleich dem Volke
in der Nationaltracht und in vollem Waffenschmncke daherschreiten.




volle des Actes liegt darin, daß dadurch die Kirche selbst den Kampf gegen die
Fremdenherrschaft aufnahm und in dem Serbenlager ihre Altäre ausschlug. Der
englische Consul in Serbien, .Herr von Fonblanck, der witzige Exredactenr des
„Examiner", machte zu jener Zeit manches scharfe Epigramm. Man erzählte
sich, daß der Patriarch dnrch ein ganzes Jahr in keiner Kirche gewesen. - Im
Sommer 1849 verweilte er in Semlin und ging eines Tages in die'Kirche.
„Seine Heiligkeit", bemerkte Herr von Foublanck zu einem bekannten serbischen
Geistlichen, ,, scheint dieses Gebäude nicht zu kennen: es ist keine Caserne."
„Seien Sie unbesorgt", erwiderte der Archimrandrit, „er ginge auch in diesem
Falle nicht irre, denn jedes Serbenlager ist eine eben so gute Kirche als diese."

Der Serbe hält auf das religiöse Ceremoniel, wie gesagt, nicht viel; er
ist weder ein fleißiger Kirchengänger, noch liebt er Beichte oder Predigt, und
läßt sich von seinem Geistlichen die Hölle nicht heiß yiachen. Ein Geistlicher ließ
es sich angelegen sein, seiner Gemeinde die Folgen der Sünde recht deutlich zu
macheu, und sprach von den Strafen nach dem Tode. „Wäre es so", sagte
einer der Zuhörer laut, „dann hätte es auch der Papa nicht besser als wir —
Gott vergebe ihm die sündhafte Rede." Ueberhaupt wird jedes Wort des Prie¬
sters streng controlirt, und wehe ihm, wenn er sich eine Blöße gegeben; darüber
cursiren Hunderte der pikantesten Anekdoten. Aber so streng der Serbe seinen
Priester beurtheilt, so wenig würde er es dulden, daß dies ein Andersglaubender
thäte; nur sich hält er in eigenen Angelegenheiten für den competenten Richter,
und mag von keiner fremden Intervention hören.

Was den Klerus betrifft, so ist dieser Nichts weniger, als eine bevorrechtete
Kaste. So lange der Priester am Altare steht, ist er Priester, und wird aus
das Ehrerbietigste angehört; sobald er aber den Segen gesprochen und das
Kirchenkleid abgelegt hat, hat seine kirchliche Autorität aufgehört, und, wenn er
nicht eines persönlichen, wie menschlichen Ansehens genießt, bekümmert sich das
Volk um ihn nicht mehr, als um jeden Andern ans seiner Mitte. Die Soutane
macht hier den Geistlichen so wenig, daß in der Zrnagora z. B. nur die weni¬
gen Mönche sich ihrer bedienen, während die übrigen Priester gleich dem Volke
in der Nationaltracht und in vollem Waffenschmncke daherschreiten.




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[0502] volle des Actes liegt darin, daß dadurch die Kirche selbst den Kampf gegen die Fremdenherrschaft aufnahm und in dem Serbenlager ihre Altäre ausschlug. Der englische Consul in Serbien, .Herr von Fonblanck, der witzige Exredactenr des „Examiner", machte zu jener Zeit manches scharfe Epigramm. Man erzählte sich, daß der Patriarch dnrch ein ganzes Jahr in keiner Kirche gewesen. - Im Sommer 1849 verweilte er in Semlin und ging eines Tages in die'Kirche. „Seine Heiligkeit", bemerkte Herr von Foublanck zu einem bekannten serbischen Geistlichen, ,, scheint dieses Gebäude nicht zu kennen: es ist keine Caserne." „Seien Sie unbesorgt", erwiderte der Archimrandrit, „er ginge auch in diesem Falle nicht irre, denn jedes Serbenlager ist eine eben so gute Kirche als diese." Der Serbe hält auf das religiöse Ceremoniel, wie gesagt, nicht viel; er ist weder ein fleißiger Kirchengänger, noch liebt er Beichte oder Predigt, und läßt sich von seinem Geistlichen die Hölle nicht heiß yiachen. Ein Geistlicher ließ es sich angelegen sein, seiner Gemeinde die Folgen der Sünde recht deutlich zu macheu, und sprach von den Strafen nach dem Tode. „Wäre es so", sagte einer der Zuhörer laut, „dann hätte es auch der Papa nicht besser als wir — Gott vergebe ihm die sündhafte Rede." Ueberhaupt wird jedes Wort des Prie¬ sters streng controlirt, und wehe ihm, wenn er sich eine Blöße gegeben; darüber cursiren Hunderte der pikantesten Anekdoten. Aber so streng der Serbe seinen Priester beurtheilt, so wenig würde er es dulden, daß dies ein Andersglaubender thäte; nur sich hält er in eigenen Angelegenheiten für den competenten Richter, und mag von keiner fremden Intervention hören. Was den Klerus betrifft, so ist dieser Nichts weniger, als eine bevorrechtete Kaste. So lange der Priester am Altare steht, ist er Priester, und wird aus das Ehrerbietigste angehört; sobald er aber den Segen gesprochen und das Kirchenkleid abgelegt hat, hat seine kirchliche Autorität aufgehört, und, wenn er nicht eines persönlichen, wie menschlichen Ansehens genießt, bekümmert sich das Volk um ihn nicht mehr, als um jeden Andern ans seiner Mitte. Die Soutane macht hier den Geistlichen so wenig, daß in der Zrnagora z. B. nur die weni¬ gen Mönche sich ihrer bedienen, während die übrigen Priester gleich dem Volke in der Nationaltracht und in vollem Waffenschmncke daherschreiten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/502>, abgerufen am 22.07.2024.