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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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eine gewisse Anstrengung vermittelt werden kann, ist für ein derartiges Unternehmen
ein fester Stamm unumgänglich nothwendig, an welchen sich dann die übrigen
brauchbarou Kräfte nach und nach anknüpfen. Die Gelehrten, die sich einer solchen
Aufgabe unterziehen, müssen bereits in einer factischen Beziehung zu einander
stehen, die eine gedeihliche Gemeinsamkeit des Wirkens mit Gewißheit voraus¬
sehen läßt. Die Mitglieder einer kleinen Universität, die eben sowol eine gewisse
Totalität des wissenschaftlichen Strebens ausdrücken, als eine durch die bloße lite¬
rarische Beziehung nicht zu erhebende gemüthliche Gemeinschaft, dürften wol am
geeignetsten sein, einen solchen Stamm herzugeben. Die daraus etwa hervor¬
gehende Einseitigkeit wurde in diesem Fall sofort durch zwei Umstände aufgeho¬
ben, einmal durch das Fortbestehen der Verlagshandlung in Halle, das zugleich
eine Anknüpfung an den frühern Bestand der literarischen Kräfte möglich machte,
andrerseits durch die Versetzung des ersten Redacteurs uach Jena. Es dürste
nicht leicht ein Mann gefunden werden, der für die Erfüllung der Aufgabe, die
Wissenschaft mit der Nationalliteratur zu vermitteln, geeigneter wäre, als Droysen.
Selten verbindet ein deutscher Gelehrter so viel wissenschaftliche Energie mit so
viel Beweglichkeit, Zugänglichkeit und Humanität in der Form. Durch seine
Schriften hatte Droysen bereits im Einzelnen geleistet, was die Zeitschrift im
Großen und Ganzen anstreben sollte: sie waren streng wissenschaftlich und doch
popnlair, d. h. zugänglich und anziehend für jeden Gebildeten.

Um die bisherigen Leistungen der Zeitschrift im rechten Licht zu betrachten,
muß man erwägen, daß sie ihrer Aufgabe erst durch allmähliches, unermüdlich fort¬
gesetztes Streben nachkommen kann. Die Tendenz der Zeitschrift, ein Gesammt¬
organ für die höhere wissenschaftliche Bildung der deutschen Nation zu sein,
kann erst dann mit einer gewissen Zuversicht des Gelingens verfolgt werden, wenn
wenigstens bis zu einem gewissen Grad alle wissenschaftlichen Kapacitäten Deutsch¬
lands sich daran betheiligen. Bis zu einem gewissen Grade: denn an eine Voll¬
ständigkeit ist schon darum nicht zu denken, weil sich nnter unsren Gelehrten nicht
sehr viele finden werden, die sür diese Form der Literatur hinlängliches Interesse
und hinlängliche Befähigung mit bringen; aber anch darum nicht, weil sich die
Zeitschrift ihrer Tendenz nach auf eigentliche Controverse nicht einlassen darf, und
daher bei der Aufnahme mit Behutsamkeit zu Werke gehen muß. Für jetzt fühlt
man noch heraus, daß die Redaction nicht ganz aus dem Vollen arbeitet, daß,
um die nöthige Einschränkung eintreten zu lassen, noch eine bedeutende Erweite¬
rung des Materials vorangehen muß. Trotzdem ist bereits so viel Bedeutendes
geleistet worden, daß man eine immer fortschreitende Bedeutung nicht nur wün¬
schen, sondern auch erwarten darf.

Die Bedeutung einer solchen Zeitschrift, nicht nur. für die Wissenschaft,
sondern auch für das deutsche Leben, kann eine sehr große werden, und wir
müssen mit um so größerer Aufmerksamkeit die Natur dieser Aufgabe untersuchen,


eine gewisse Anstrengung vermittelt werden kann, ist für ein derartiges Unternehmen
ein fester Stamm unumgänglich nothwendig, an welchen sich dann die übrigen
brauchbarou Kräfte nach und nach anknüpfen. Die Gelehrten, die sich einer solchen
Aufgabe unterziehen, müssen bereits in einer factischen Beziehung zu einander
stehen, die eine gedeihliche Gemeinsamkeit des Wirkens mit Gewißheit voraus¬
sehen läßt. Die Mitglieder einer kleinen Universität, die eben sowol eine gewisse
Totalität des wissenschaftlichen Strebens ausdrücken, als eine durch die bloße lite¬
rarische Beziehung nicht zu erhebende gemüthliche Gemeinschaft, dürften wol am
geeignetsten sein, einen solchen Stamm herzugeben. Die daraus etwa hervor¬
gehende Einseitigkeit wurde in diesem Fall sofort durch zwei Umstände aufgeho¬
ben, einmal durch das Fortbestehen der Verlagshandlung in Halle, das zugleich
eine Anknüpfung an den frühern Bestand der literarischen Kräfte möglich machte,
andrerseits durch die Versetzung des ersten Redacteurs uach Jena. Es dürste
nicht leicht ein Mann gefunden werden, der für die Erfüllung der Aufgabe, die
Wissenschaft mit der Nationalliteratur zu vermitteln, geeigneter wäre, als Droysen.
Selten verbindet ein deutscher Gelehrter so viel wissenschaftliche Energie mit so
viel Beweglichkeit, Zugänglichkeit und Humanität in der Form. Durch seine
Schriften hatte Droysen bereits im Einzelnen geleistet, was die Zeitschrift im
Großen und Ganzen anstreben sollte: sie waren streng wissenschaftlich und doch
popnlair, d. h. zugänglich und anziehend für jeden Gebildeten.

Um die bisherigen Leistungen der Zeitschrift im rechten Licht zu betrachten,
muß man erwägen, daß sie ihrer Aufgabe erst durch allmähliches, unermüdlich fort¬
gesetztes Streben nachkommen kann. Die Tendenz der Zeitschrift, ein Gesammt¬
organ für die höhere wissenschaftliche Bildung der deutschen Nation zu sein,
kann erst dann mit einer gewissen Zuversicht des Gelingens verfolgt werden, wenn
wenigstens bis zu einem gewissen Grad alle wissenschaftlichen Kapacitäten Deutsch¬
lands sich daran betheiligen. Bis zu einem gewissen Grade: denn an eine Voll¬
ständigkeit ist schon darum nicht zu denken, weil sich nnter unsren Gelehrten nicht
sehr viele finden werden, die sür diese Form der Literatur hinlängliches Interesse
und hinlängliche Befähigung mit bringen; aber anch darum nicht, weil sich die
Zeitschrift ihrer Tendenz nach auf eigentliche Controverse nicht einlassen darf, und
daher bei der Aufnahme mit Behutsamkeit zu Werke gehen muß. Für jetzt fühlt
man noch heraus, daß die Redaction nicht ganz aus dem Vollen arbeitet, daß,
um die nöthige Einschränkung eintreten zu lassen, noch eine bedeutende Erweite¬
rung des Materials vorangehen muß. Trotzdem ist bereits so viel Bedeutendes
geleistet worden, daß man eine immer fortschreitende Bedeutung nicht nur wün¬
schen, sondern auch erwarten darf.

Die Bedeutung einer solchen Zeitschrift, nicht nur. für die Wissenschaft,
sondern auch für das deutsche Leben, kann eine sehr große werden, und wir
müssen mit um so größerer Aufmerksamkeit die Natur dieser Aufgabe untersuchen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/492>, abgerufen am 22.07.2024.