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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Wählern auch durch den bekannten radicalen Deputieren Joseph Hume empfehlen.
Er wurde nicht gewählt. Im Jahre 1834 gab er eine Schrift heraus: "Vincll-
oation ok elle LriUsli eonsMMon", in welcher sich diese beiden entgegengesetzten
Gesichtspunkte auf eine wunderliche Art durchkreuzten. Ueberall war es die che-
valereske, romantische Seite, die ihn bald nach dieser, bald nach jener Richtung
zog. Eine Reihe von Romanen: Contarini Flemming, Sybille, Tancred ze.,
fallen in diese Zeit. 1837 endlich erreichte er das nächste Ziel seines Ehrgeizes.
Er trat ins Parlament, und eröffnete seine Laufbahn tuend eine Rede, die den
Inbegriff seiner gesammten Polik enthalten sollte, die aber wegen ihrer Wider¬
sprüche gegen die gewöhnlichen Vorstellungen das unglückliche Schicksal hatte,
allgemeines Gelächter zu erregen. Seit der Zeit war er eine komische Person,
nicht blos für die Blätter seiner Gegner, der Whigs, sondern auch für die torystische
Presse, die nicht recht wußte, was sie aus dem wunderlichen neuen Alliirten machen
sollte. Trotzdem hatte er den Erfolg, eine, wenn auch kleine, Zahl romantischer junger
Edelleute um seine Fahnen zu schaaren. Es war das. sogenannte Jungengland,
welches die Sympathien sür das Ritterthum und die übrigen Einrichtungen des
Mittelalters mit einer eben so großen Vorliebe für demokratische und socialistische
Träumereien verband. Bei der Beweglichkeit in ihren Gesichtspunkten und bei
der wenigen Bestimmtheit in ihren unmittelbaren Absichten erlangte diese Fraction
dadurch einige Wichtigkeit, daß ein großer Theil der wirklichen Tones anfing,
mit den Concessionen, die ihr Premier an die Liberalen machte, sehr unzufrieden
zu sein. Man hatte sich zwar damals noch nicht die Möglichkeit ausgemalt, ohne
die Leitung der bisher anerkannten Staatsmänner die Geschäfte zu führen, aber
man sah es gern, wenn auf die Halbheiten derselben gestichelt wurde, gleichviel
von welchem Standpunkt. D'Jsraeli's Roman "Coningsby" (1844) verschaffte
dieser Fraction eine Existenz in der fashionablen Welt. Das Buch war leidlich
interessant, offenbar mit Hinblick aus Bulwer's "Pelham" geschrieben, nur daß dieser
die Charakteristik des Whigadels bezweckte, während D'Jsraeli seinen Helden aus,
einer Torysamilie hervorgehen läßt. Der junge Coningsby entzweit sich mit sei¬
nen aristokratischen Verwandten, weil er im Parlament sich nicht als gefügiges
Werkzeug wollte gebrauchen lassen; aber er geht keineswegs zu den Whigs über,
die er uoch viel gründlicher verachtet, als die zu nachgiebigen Führer seiner
Partei. Er sucht nach allen Seiten hin Sympathien zu gewinnen, beim Adel
durch seine Vorliebe für's Mittelalter, beim Volke durch die Verheißung allgemei¬
nen Wohlstandes, bei der Bürgerschaft durch sinnige Aussprüche über die welt¬
historische Bedeutung der Industrie. Eine der, merkwürdigsten Figuren dieses
Buchs ist Sidonia, ein idealisirter Rothschild, der von der Höhe seiner Geldsäcke herab
die Könige und Kaiser zu seinen Füßen sieht, stolz ist auf seine ungemischte orientalische
Race und in der besten Ueberzeugung lebt, daß die wahre Aristokratie nur bei
den Juden vorhanden sei. Auf seinen Reisen durch den Continent hat er ge-


Wählern auch durch den bekannten radicalen Deputieren Joseph Hume empfehlen.
Er wurde nicht gewählt. Im Jahre 1834 gab er eine Schrift heraus: „Vincll-
oation ok elle LriUsli eonsMMon", in welcher sich diese beiden entgegengesetzten
Gesichtspunkte auf eine wunderliche Art durchkreuzten. Ueberall war es die che-
valereske, romantische Seite, die ihn bald nach dieser, bald nach jener Richtung
zog. Eine Reihe von Romanen: Contarini Flemming, Sybille, Tancred ze.,
fallen in diese Zeit. 1837 endlich erreichte er das nächste Ziel seines Ehrgeizes.
Er trat ins Parlament, und eröffnete seine Laufbahn tuend eine Rede, die den
Inbegriff seiner gesammten Polik enthalten sollte, die aber wegen ihrer Wider¬
sprüche gegen die gewöhnlichen Vorstellungen das unglückliche Schicksal hatte,
allgemeines Gelächter zu erregen. Seit der Zeit war er eine komische Person,
nicht blos für die Blätter seiner Gegner, der Whigs, sondern auch für die torystische
Presse, die nicht recht wußte, was sie aus dem wunderlichen neuen Alliirten machen
sollte. Trotzdem hatte er den Erfolg, eine, wenn auch kleine, Zahl romantischer junger
Edelleute um seine Fahnen zu schaaren. Es war das. sogenannte Jungengland,
welches die Sympathien sür das Ritterthum und die übrigen Einrichtungen des
Mittelalters mit einer eben so großen Vorliebe für demokratische und socialistische
Träumereien verband. Bei der Beweglichkeit in ihren Gesichtspunkten und bei
der wenigen Bestimmtheit in ihren unmittelbaren Absichten erlangte diese Fraction
dadurch einige Wichtigkeit, daß ein großer Theil der wirklichen Tones anfing,
mit den Concessionen, die ihr Premier an die Liberalen machte, sehr unzufrieden
zu sein. Man hatte sich zwar damals noch nicht die Möglichkeit ausgemalt, ohne
die Leitung der bisher anerkannten Staatsmänner die Geschäfte zu führen, aber
man sah es gern, wenn auf die Halbheiten derselben gestichelt wurde, gleichviel
von welchem Standpunkt. D'Jsraeli's Roman „Coningsby" (1844) verschaffte
dieser Fraction eine Existenz in der fashionablen Welt. Das Buch war leidlich
interessant, offenbar mit Hinblick aus Bulwer's „Pelham" geschrieben, nur daß dieser
die Charakteristik des Whigadels bezweckte, während D'Jsraeli seinen Helden aus,
einer Torysamilie hervorgehen läßt. Der junge Coningsby entzweit sich mit sei¬
nen aristokratischen Verwandten, weil er im Parlament sich nicht als gefügiges
Werkzeug wollte gebrauchen lassen; aber er geht keineswegs zu den Whigs über,
die er uoch viel gründlicher verachtet, als die zu nachgiebigen Führer seiner
Partei. Er sucht nach allen Seiten hin Sympathien zu gewinnen, beim Adel
durch seine Vorliebe für's Mittelalter, beim Volke durch die Verheißung allgemei¬
nen Wohlstandes, bei der Bürgerschaft durch sinnige Aussprüche über die welt¬
historische Bedeutung der Industrie. Eine der, merkwürdigsten Figuren dieses
Buchs ist Sidonia, ein idealisirter Rothschild, der von der Höhe seiner Geldsäcke herab
die Könige und Kaiser zu seinen Füßen sieht, stolz ist auf seine ungemischte orientalische
Race und in der besten Ueberzeugung lebt, daß die wahre Aristokratie nur bei
den Juden vorhanden sei. Auf seinen Reisen durch den Continent hat er ge-


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[0481] Wählern auch durch den bekannten radicalen Deputieren Joseph Hume empfehlen. Er wurde nicht gewählt. Im Jahre 1834 gab er eine Schrift heraus: „Vincll- oation ok elle LriUsli eonsMMon", in welcher sich diese beiden entgegengesetzten Gesichtspunkte auf eine wunderliche Art durchkreuzten. Ueberall war es die che- valereske, romantische Seite, die ihn bald nach dieser, bald nach jener Richtung zog. Eine Reihe von Romanen: Contarini Flemming, Sybille, Tancred ze., fallen in diese Zeit. 1837 endlich erreichte er das nächste Ziel seines Ehrgeizes. Er trat ins Parlament, und eröffnete seine Laufbahn tuend eine Rede, die den Inbegriff seiner gesammten Polik enthalten sollte, die aber wegen ihrer Wider¬ sprüche gegen die gewöhnlichen Vorstellungen das unglückliche Schicksal hatte, allgemeines Gelächter zu erregen. Seit der Zeit war er eine komische Person, nicht blos für die Blätter seiner Gegner, der Whigs, sondern auch für die torystische Presse, die nicht recht wußte, was sie aus dem wunderlichen neuen Alliirten machen sollte. Trotzdem hatte er den Erfolg, eine, wenn auch kleine, Zahl romantischer junger Edelleute um seine Fahnen zu schaaren. Es war das. sogenannte Jungengland, welches die Sympathien sür das Ritterthum und die übrigen Einrichtungen des Mittelalters mit einer eben so großen Vorliebe für demokratische und socialistische Träumereien verband. Bei der Beweglichkeit in ihren Gesichtspunkten und bei der wenigen Bestimmtheit in ihren unmittelbaren Absichten erlangte diese Fraction dadurch einige Wichtigkeit, daß ein großer Theil der wirklichen Tones anfing, mit den Concessionen, die ihr Premier an die Liberalen machte, sehr unzufrieden zu sein. Man hatte sich zwar damals noch nicht die Möglichkeit ausgemalt, ohne die Leitung der bisher anerkannten Staatsmänner die Geschäfte zu führen, aber man sah es gern, wenn auf die Halbheiten derselben gestichelt wurde, gleichviel von welchem Standpunkt. D'Jsraeli's Roman „Coningsby" (1844) verschaffte dieser Fraction eine Existenz in der fashionablen Welt. Das Buch war leidlich interessant, offenbar mit Hinblick aus Bulwer's „Pelham" geschrieben, nur daß dieser die Charakteristik des Whigadels bezweckte, während D'Jsraeli seinen Helden aus, einer Torysamilie hervorgehen läßt. Der junge Coningsby entzweit sich mit sei¬ nen aristokratischen Verwandten, weil er im Parlament sich nicht als gefügiges Werkzeug wollte gebrauchen lassen; aber er geht keineswegs zu den Whigs über, die er uoch viel gründlicher verachtet, als die zu nachgiebigen Führer seiner Partei. Er sucht nach allen Seiten hin Sympathien zu gewinnen, beim Adel durch seine Vorliebe für's Mittelalter, beim Volke durch die Verheißung allgemei¬ nen Wohlstandes, bei der Bürgerschaft durch sinnige Aussprüche über die welt¬ historische Bedeutung der Industrie. Eine der, merkwürdigsten Figuren dieses Buchs ist Sidonia, ein idealisirter Rothschild, der von der Höhe seiner Geldsäcke herab die Könige und Kaiser zu seinen Füßen sieht, stolz ist auf seine ungemischte orientalische Race und in der besten Ueberzeugung lebt, daß die wahre Aristokratie nur bei den Juden vorhanden sei. Auf seinen Reisen durch den Continent hat er ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/481>, abgerufen am 22.07.2024.