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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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liebe Regierung ist erst das zweite, wenigstens gilt in Ungarn die gemeinsame
Liebe zu dem nationalen Wein für älter, als die Zärtlichkeit für die östrei¬
chische Administration. Der Magyar trinkt viel Wein, aber er trinkt ihn nicht
nnr im Weinhause, sondern hält ihn anch als Haustrunk, und genießt ihn
fast zu jeder Tageszeit; aber wohl gemerkt, mit Wasser gemischt, oder, wie man
im ungarischen Deutsch zu sagen pflegt, gewässert. -- Nicht jeder Ungarwein läßt
sich mit "Wasser verbinden, die meisten Weine mit starkem Gewürzgeschmack, also
die besten Sorten, vertragen das Wasser nicht. Gerade darin ist der Geschmack
der Ungarn sehr ausgebildet, und auch der Bauer weiß sehr genau, wo er
Wasser zusetzen darf und wo nicht. Wir im Ausland kennen fast nnr die wei¬
ßen Ungarweine, in Ungarn selbst spielt der rothe eine wenigstens eben so
große Rolle. Von den Fremden versteht eigentlich nur der Pole die'feinen Weine
zu genießen, und Krakau war seit alten Zeiten berühmt durch seine Feinschmecker
im Ungarwein. Der Pole liebt zumeist den herben, harten, unverschnittenen Ober-
nngar, nächst dem von den feinen Weinen die kostbaren und merkwürdigen mit
pikantem Geschmack. In Oestreich und Böhmen wird der Ungarwein sehr viel
mit den inländischen Sorten gemischt und verhältnißmäßig selten rein getrunken.
In Oberschlesien, wo dem Ungar jetzt durch die französischen nud deutschen Weine
jährlich mehr Terrain entzogen wird, trinkt man viel Niederungar und Maszlas.
Ueberall aber wird der bessere Wein von den Kaufleuten über alle Grenzen des
Anstandes hinaus verfälscht. Schon in Ungarn selbst stehen die Preßburger deshalb
nicht im besten Rufe, und außerhalb Ungarn wird das Mischen und Brauen um
so leichter betrieben, da die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Sorten noch wenig gekannt und die Preise derselben in Ungarn selbst nach Jahr-
gängen und Lagen sehr verschieden sind.

Da der Handel noch zu häufig unsolide Speculation ist, jo hat in Pest
das adelige Casino (^cui/edi, Oasino) einen eigenen Weinkeller in großem Styl
angelegt; es kauft gute Lagen als Most und jungen Wein, pflegt sie zunächst
für den eigenen Gebrauch, verkauft aber auch den Ueberfluß zu civilen Preisen.
Dieser Casinowein, wie er in Pest allgemein genannt wird, ist das Vorzüglichste,
was im Detailhandel zugänglich ist, und es ist jedem Fremden, welcher den Be¬
darf seines Kellers durch bestimmte Arten sicher ergänzen will, zu rathen, sich
durch einen Bekannten in Pest an die Caflnogesellschast selbst zu wenden.
Auch die ungarische Handelsgesellschaft Ms^in- Koi-osKeäelini l.är"a8Üg') beschäftigt
sich viel mit Weinpflege. Unter den Weinhandlungen ist Franz A. JalicS und
Comp. in Pest zu erwähnen. Die Umgestaltung der Zollsätze Oestreichs und die
bevorstehende größere Annäherung an den Zollverein verspricht den ungarischen
Weinen ein größeres Exportgeschäft.

Die letzten Jahre des Kampfes und der Zerstörung haben auch dem fried¬
lichen Menschenfreunde, dem Ungarwein, großes Leid zugefügt. Er litt in die-


liebe Regierung ist erst das zweite, wenigstens gilt in Ungarn die gemeinsame
Liebe zu dem nationalen Wein für älter, als die Zärtlichkeit für die östrei¬
chische Administration. Der Magyar trinkt viel Wein, aber er trinkt ihn nicht
nnr im Weinhause, sondern hält ihn anch als Haustrunk, und genießt ihn
fast zu jeder Tageszeit; aber wohl gemerkt, mit Wasser gemischt, oder, wie man
im ungarischen Deutsch zu sagen pflegt, gewässert. -- Nicht jeder Ungarwein läßt
sich mit "Wasser verbinden, die meisten Weine mit starkem Gewürzgeschmack, also
die besten Sorten, vertragen das Wasser nicht. Gerade darin ist der Geschmack
der Ungarn sehr ausgebildet, und auch der Bauer weiß sehr genau, wo er
Wasser zusetzen darf und wo nicht. Wir im Ausland kennen fast nnr die wei¬
ßen Ungarweine, in Ungarn selbst spielt der rothe eine wenigstens eben so
große Rolle. Von den Fremden versteht eigentlich nur der Pole die'feinen Weine
zu genießen, und Krakau war seit alten Zeiten berühmt durch seine Feinschmecker
im Ungarwein. Der Pole liebt zumeist den herben, harten, unverschnittenen Ober-
nngar, nächst dem von den feinen Weinen die kostbaren und merkwürdigen mit
pikantem Geschmack. In Oestreich und Böhmen wird der Ungarwein sehr viel
mit den inländischen Sorten gemischt und verhältnißmäßig selten rein getrunken.
In Oberschlesien, wo dem Ungar jetzt durch die französischen nud deutschen Weine
jährlich mehr Terrain entzogen wird, trinkt man viel Niederungar und Maszlas.
Ueberall aber wird der bessere Wein von den Kaufleuten über alle Grenzen des
Anstandes hinaus verfälscht. Schon in Ungarn selbst stehen die Preßburger deshalb
nicht im besten Rufe, und außerhalb Ungarn wird das Mischen und Brauen um
so leichter betrieben, da die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Sorten noch wenig gekannt und die Preise derselben in Ungarn selbst nach Jahr-
gängen und Lagen sehr verschieden sind.

Da der Handel noch zu häufig unsolide Speculation ist, jo hat in Pest
das adelige Casino (^cui/edi, Oasino) einen eigenen Weinkeller in großem Styl
angelegt; es kauft gute Lagen als Most und jungen Wein, pflegt sie zunächst
für den eigenen Gebrauch, verkauft aber auch den Ueberfluß zu civilen Preisen.
Dieser Casinowein, wie er in Pest allgemein genannt wird, ist das Vorzüglichste,
was im Detailhandel zugänglich ist, und es ist jedem Fremden, welcher den Be¬
darf seines Kellers durch bestimmte Arten sicher ergänzen will, zu rathen, sich
durch einen Bekannten in Pest an die Caflnogesellschast selbst zu wenden.
Auch die ungarische Handelsgesellschaft Ms^in- Koi-osKeäelini l.är»a8Üg') beschäftigt
sich viel mit Weinpflege. Unter den Weinhandlungen ist Franz A. JalicS und
Comp. in Pest zu erwähnen. Die Umgestaltung der Zollsätze Oestreichs und die
bevorstehende größere Annäherung an den Zollverein verspricht den ungarischen
Weinen ein größeres Exportgeschäft.

Die letzten Jahre des Kampfes und der Zerstörung haben auch dem fried¬
lichen Menschenfreunde, dem Ungarwein, großes Leid zugefügt. Er litt in die-


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[0047] liebe Regierung ist erst das zweite, wenigstens gilt in Ungarn die gemeinsame Liebe zu dem nationalen Wein für älter, als die Zärtlichkeit für die östrei¬ chische Administration. Der Magyar trinkt viel Wein, aber er trinkt ihn nicht nnr im Weinhause, sondern hält ihn anch als Haustrunk, und genießt ihn fast zu jeder Tageszeit; aber wohl gemerkt, mit Wasser gemischt, oder, wie man im ungarischen Deutsch zu sagen pflegt, gewässert. -- Nicht jeder Ungarwein läßt sich mit "Wasser verbinden, die meisten Weine mit starkem Gewürzgeschmack, also die besten Sorten, vertragen das Wasser nicht. Gerade darin ist der Geschmack der Ungarn sehr ausgebildet, und auch der Bauer weiß sehr genau, wo er Wasser zusetzen darf und wo nicht. Wir im Ausland kennen fast nnr die wei¬ ßen Ungarweine, in Ungarn selbst spielt der rothe eine wenigstens eben so große Rolle. Von den Fremden versteht eigentlich nur der Pole die'feinen Weine zu genießen, und Krakau war seit alten Zeiten berühmt durch seine Feinschmecker im Ungarwein. Der Pole liebt zumeist den herben, harten, unverschnittenen Ober- nngar, nächst dem von den feinen Weinen die kostbaren und merkwürdigen mit pikantem Geschmack. In Oestreich und Böhmen wird der Ungarwein sehr viel mit den inländischen Sorten gemischt und verhältnißmäßig selten rein getrunken. In Oberschlesien, wo dem Ungar jetzt durch die französischen nud deutschen Weine jährlich mehr Terrain entzogen wird, trinkt man viel Niederungar und Maszlas. Ueberall aber wird der bessere Wein von den Kaufleuten über alle Grenzen des Anstandes hinaus verfälscht. Schon in Ungarn selbst stehen die Preßburger deshalb nicht im besten Rufe, und außerhalb Ungarn wird das Mischen und Brauen um so leichter betrieben, da die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Sorten noch wenig gekannt und die Preise derselben in Ungarn selbst nach Jahr- gängen und Lagen sehr verschieden sind. Da der Handel noch zu häufig unsolide Speculation ist, jo hat in Pest das adelige Casino (^cui/edi, Oasino) einen eigenen Weinkeller in großem Styl angelegt; es kauft gute Lagen als Most und jungen Wein, pflegt sie zunächst für den eigenen Gebrauch, verkauft aber auch den Ueberfluß zu civilen Preisen. Dieser Casinowein, wie er in Pest allgemein genannt wird, ist das Vorzüglichste, was im Detailhandel zugänglich ist, und es ist jedem Fremden, welcher den Be¬ darf seines Kellers durch bestimmte Arten sicher ergänzen will, zu rathen, sich durch einen Bekannten in Pest an die Caflnogesellschast selbst zu wenden. Auch die ungarische Handelsgesellschaft Ms^in- Koi-osKeäelini l.är»a8Üg') beschäftigt sich viel mit Weinpflege. Unter den Weinhandlungen ist Franz A. JalicS und Comp. in Pest zu erwähnen. Die Umgestaltung der Zollsätze Oestreichs und die bevorstehende größere Annäherung an den Zollverein verspricht den ungarischen Weinen ein größeres Exportgeschäft. Die letzten Jahre des Kampfes und der Zerstörung haben auch dem fried¬ lichen Menschenfreunde, dem Ungarwein, großes Leid zugefügt. Er litt in die-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/47>, abgerufen am 22.07.2024.