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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Stüdtecmsichten,. Seestücke, Landschafts- und Gebirgsstudien wechselten mit Genre¬
skizzen in bunter Mannichfaltigkeit und mehr oder minder sorgsamer Ausführung.
Die Aquarelle waren zum größern Theil in leichter, flüchtiger Manier hingewor¬
fen, aber eben in dieser Leichtigkeit verrieth sich ein sicherer, künstlerischer Blick und eine
äußerst geschickte Hand. Freiheit der Zeichnung, scharfe Auffassung und Wieder¬
gabe des Charakteristischen in Form und Farbe bekundeten die lebendige Kraft
der Anschauung, das echt malerische Talent des Künstlers. Und dieses eingebo¬
rene Talent hielt ihn trotz seiner modernsüchtigen Neigung zum Coquetten und
Barocken immer in den Grenzen des Geschmacks, führte ihn immer wieder zur
Quelle der Wahrheit und Schönheit zurück. Bei Ausführung der aus der Neise
gewonnenen Motive in Oelfarben liebte er es, stets die prägnantesten, effectvoll¬
sten Momente der Beleuchtung zu wählen, aber er verstand es, selbst dem gesuch¬
ten Effecte den Zauber wunderbarer Naturwahrheit zu ertheilen. Dieselben
Farben, welche wir bei anderen Malern als grell und outrirt nicht selten verwer¬
fen, nehmen wir bei ihm als ein Phänomen der Natur bereitwillig mit unsrer
Sinnen auf. Es ist ein Geheimniß seiner Kunst, wodurch er dies bewirkt. Er
besitzt die Macht, die Leuchtkraft seiner Farben nicht an den Gegenständen haften
zu lassen, sondern sie wie ein lustiges Fluidum durch die ganze Atmosphäre seiner
Bilder zu gießen. Eines seiner schönsten, weil harmonievollsten Oelgemälde ist
sein jüngstes Werk, das vor einiger Zeit im Saale des Kunstvereins ausgestellt
war. Es stellt die Bai von San Lorenzo bei Sonnenaufgang dar. Der Be¬
schauer steht auf einer von tiefer liegender Waldung umkränzten Anhöhe, auf der
im Mittelgrunde ein einzelnes Felsstück sich erhebt, von Palmen und Cypressen
überragt. Weiter im Hintergrunde, rechts und links am Fuß der Anhöhe die
Stadt, an die noch weiter in der Ferne die Bai mit dem Blick in das offene
Meer und in verschwimmender Bläue ein Kranz von Bergen sich schließen. Im
Vorgrunde Gruppen von Menschen und Vieh. Die Sonne ist eben über den
Bergen, welche die Aussicht begrenzen, hervorgetreten und strahlt mit weißlichem
Licht in die mit seinem Dunst erfüllte Morgenluft. Die Wolken sind goldig an¬
gestrahlt, und je weiter nach vorn, um so mehr ins Roth hinüberspielend. Ein
Heller Sonnenstrahl fällt glänzend über die Anhöhe im Vorgrunde, und Alles
leuchtet in wunderbarer Pracht, ohne dennoch irgendwie an einen gewaltsamen
Effect zu mahnen. Wo Hildebrandt, wie bei diesem Bilde, sich selber das schöne
Maß vorschreibt, steht er unübertroffen da. Jetzt befindet er sich auf einer
Tour in den Orient.

Von Werken der Bildhauerkunst ist auch Manches im Entstehen. Kugler
machte im deutschen Kunstblatt auf ein Modell von Rauch aufmerksam, das so-
wol in der Idee wie in der sinnigen Ausführung gewiß von Allen,
die es sehen, als ein Werk der Grazien wird gepriesen werden. Es
ist eine Gruppe: Goethe und Schiller in wundervoll großer und edler antiker


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Stüdtecmsichten,. Seestücke, Landschafts- und Gebirgsstudien wechselten mit Genre¬
skizzen in bunter Mannichfaltigkeit und mehr oder minder sorgsamer Ausführung.
Die Aquarelle waren zum größern Theil in leichter, flüchtiger Manier hingewor¬
fen, aber eben in dieser Leichtigkeit verrieth sich ein sicherer, künstlerischer Blick und eine
äußerst geschickte Hand. Freiheit der Zeichnung, scharfe Auffassung und Wieder¬
gabe des Charakteristischen in Form und Farbe bekundeten die lebendige Kraft
der Anschauung, das echt malerische Talent des Künstlers. Und dieses eingebo¬
rene Talent hielt ihn trotz seiner modernsüchtigen Neigung zum Coquetten und
Barocken immer in den Grenzen des Geschmacks, führte ihn immer wieder zur
Quelle der Wahrheit und Schönheit zurück. Bei Ausführung der aus der Neise
gewonnenen Motive in Oelfarben liebte er es, stets die prägnantesten, effectvoll¬
sten Momente der Beleuchtung zu wählen, aber er verstand es, selbst dem gesuch¬
ten Effecte den Zauber wunderbarer Naturwahrheit zu ertheilen. Dieselben
Farben, welche wir bei anderen Malern als grell und outrirt nicht selten verwer¬
fen, nehmen wir bei ihm als ein Phänomen der Natur bereitwillig mit unsrer
Sinnen auf. Es ist ein Geheimniß seiner Kunst, wodurch er dies bewirkt. Er
besitzt die Macht, die Leuchtkraft seiner Farben nicht an den Gegenständen haften
zu lassen, sondern sie wie ein lustiges Fluidum durch die ganze Atmosphäre seiner
Bilder zu gießen. Eines seiner schönsten, weil harmonievollsten Oelgemälde ist
sein jüngstes Werk, das vor einiger Zeit im Saale des Kunstvereins ausgestellt
war. Es stellt die Bai von San Lorenzo bei Sonnenaufgang dar. Der Be¬
schauer steht auf einer von tiefer liegender Waldung umkränzten Anhöhe, auf der
im Mittelgrunde ein einzelnes Felsstück sich erhebt, von Palmen und Cypressen
überragt. Weiter im Hintergrunde, rechts und links am Fuß der Anhöhe die
Stadt, an die noch weiter in der Ferne die Bai mit dem Blick in das offene
Meer und in verschwimmender Bläue ein Kranz von Bergen sich schließen. Im
Vorgrunde Gruppen von Menschen und Vieh. Die Sonne ist eben über den
Bergen, welche die Aussicht begrenzen, hervorgetreten und strahlt mit weißlichem
Licht in die mit seinem Dunst erfüllte Morgenluft. Die Wolken sind goldig an¬
gestrahlt, und je weiter nach vorn, um so mehr ins Roth hinüberspielend. Ein
Heller Sonnenstrahl fällt glänzend über die Anhöhe im Vorgrunde, und Alles
leuchtet in wunderbarer Pracht, ohne dennoch irgendwie an einen gewaltsamen
Effect zu mahnen. Wo Hildebrandt, wie bei diesem Bilde, sich selber das schöne
Maß vorschreibt, steht er unübertroffen da. Jetzt befindet er sich auf einer
Tour in den Orient.

Von Werken der Bildhauerkunst ist auch Manches im Entstehen. Kugler
machte im deutschen Kunstblatt auf ein Modell von Rauch aufmerksam, das so-
wol in der Idee wie in der sinnigen Ausführung gewiß von Allen,
die es sehen, als ein Werk der Grazien wird gepriesen werden. Es
ist eine Gruppe: Goethe und Schiller in wundervoll großer und edler antiker


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[0469] Stüdtecmsichten,. Seestücke, Landschafts- und Gebirgsstudien wechselten mit Genre¬ skizzen in bunter Mannichfaltigkeit und mehr oder minder sorgsamer Ausführung. Die Aquarelle waren zum größern Theil in leichter, flüchtiger Manier hingewor¬ fen, aber eben in dieser Leichtigkeit verrieth sich ein sicherer, künstlerischer Blick und eine äußerst geschickte Hand. Freiheit der Zeichnung, scharfe Auffassung und Wieder¬ gabe des Charakteristischen in Form und Farbe bekundeten die lebendige Kraft der Anschauung, das echt malerische Talent des Künstlers. Und dieses eingebo¬ rene Talent hielt ihn trotz seiner modernsüchtigen Neigung zum Coquetten und Barocken immer in den Grenzen des Geschmacks, führte ihn immer wieder zur Quelle der Wahrheit und Schönheit zurück. Bei Ausführung der aus der Neise gewonnenen Motive in Oelfarben liebte er es, stets die prägnantesten, effectvoll¬ sten Momente der Beleuchtung zu wählen, aber er verstand es, selbst dem gesuch¬ ten Effecte den Zauber wunderbarer Naturwahrheit zu ertheilen. Dieselben Farben, welche wir bei anderen Malern als grell und outrirt nicht selten verwer¬ fen, nehmen wir bei ihm als ein Phänomen der Natur bereitwillig mit unsrer Sinnen auf. Es ist ein Geheimniß seiner Kunst, wodurch er dies bewirkt. Er besitzt die Macht, die Leuchtkraft seiner Farben nicht an den Gegenständen haften zu lassen, sondern sie wie ein lustiges Fluidum durch die ganze Atmosphäre seiner Bilder zu gießen. Eines seiner schönsten, weil harmonievollsten Oelgemälde ist sein jüngstes Werk, das vor einiger Zeit im Saale des Kunstvereins ausgestellt war. Es stellt die Bai von San Lorenzo bei Sonnenaufgang dar. Der Be¬ schauer steht auf einer von tiefer liegender Waldung umkränzten Anhöhe, auf der im Mittelgrunde ein einzelnes Felsstück sich erhebt, von Palmen und Cypressen überragt. Weiter im Hintergrunde, rechts und links am Fuß der Anhöhe die Stadt, an die noch weiter in der Ferne die Bai mit dem Blick in das offene Meer und in verschwimmender Bläue ein Kranz von Bergen sich schließen. Im Vorgrunde Gruppen von Menschen und Vieh. Die Sonne ist eben über den Bergen, welche die Aussicht begrenzen, hervorgetreten und strahlt mit weißlichem Licht in die mit seinem Dunst erfüllte Morgenluft. Die Wolken sind goldig an¬ gestrahlt, und je weiter nach vorn, um so mehr ins Roth hinüberspielend. Ein Heller Sonnenstrahl fällt glänzend über die Anhöhe im Vorgrunde, und Alles leuchtet in wunderbarer Pracht, ohne dennoch irgendwie an einen gewaltsamen Effect zu mahnen. Wo Hildebrandt, wie bei diesem Bilde, sich selber das schöne Maß vorschreibt, steht er unübertroffen da. Jetzt befindet er sich auf einer Tour in den Orient. Von Werken der Bildhauerkunst ist auch Manches im Entstehen. Kugler machte im deutschen Kunstblatt auf ein Modell von Rauch aufmerksam, das so- wol in der Idee wie in der sinnigen Ausführung gewiß von Allen, die es sehen, als ein Werk der Grazien wird gepriesen werden. Es ist eine Gruppe: Goethe und Schiller in wundervoll großer und edler antiker 58"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/469>, abgerufen am 22.07.2024.