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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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zu beschäftigen, so möge diesmal eine Darstellung seiner eigenen Gedanken gegen ihn
zu Felde ziehen.

Der letzte Angriff GutzkowS zeigt ein Gemüth, welches von zwei lebhaften Ge¬
fühlen beherrscht wird, von. Haß gegen die Grenzboten und von Wohlwollen für sich
selbst. Das wäre in der Ordnung. Sehen wir aber zu, wie er seine Gegner und
wie er sich selbst behandelt.

Die Redacteure der Grenzboten sitzen als eingebildete Menschen in ewiger Nacht
über ihre Wirksamkeit in Deutschland, sie sind unbedeutend, sie sind sehr unbedeutend,
sie sind ganz außerordentlich unbedeutend und unwesentlich, existiren mir noch sür die
kleine, engere, belletristische Conversation. Ihrem literarischen Character nach sind sie
traurige blasirte Epicuräer, welche den Genuß über jeden Ernst des Lebens setzen, und
die Grenzboten selbst ein klägliches Kukuksjvurnal, welches mir das Lob seiner Redac¬
teure aufschreit und nicht eine positive Thatsache in Deutschland gefördert und vertreten
hat. -- Das.Alles ist zwar nicht wahr, indeß, da man von Gutzkow nicht zu viel
verlangen muß, so möchte diese Auffassung hingehen, es ist doch eine gewisse logische
Ordnung und Konsequenz darin. Er erklärt seine Gegner für vernichtet, wir sind ver¬
nichtet, die Sache wäre gut. -- Aber seltsam, er ist selbst nicht im Stande, seine Erfin¬
dung zu dramatischerWirkung gelangen zu lassen. Eine neue Auffassung kommt und hebt
die frühere auf. Auf einmal treten die beiden Redacteure wieder vor, mit großen Tran-
chirmessern bewaffnet, "mit denen sie jedem Schaffenden: Dichtern, Philosophen, Staats¬
männern, wie dem Polypen die Bauchlänge aufschneiden, ihn umdrehen und sagen: da
ist nichts und immer nichts und ewig nichts." Auch der Einfall möchte noch angehen,
ja er ist für einen Hypochonder gar nicht schlecht. Jetzt aber haben ihm diese Redacteure
nicht mehr das Aussehen von blasirten Gourmands, welche nur zu rufen verstehen: es
leben die Cigarren und Camelien! Im Gegentheil haftet dieser Vorstellung, wie einer
unklaren Traumgestalt, die den Schlafenden erschreckt, etwas Beängstigendes an. Der
Dichter empfindet mit Angst, wie diese beiden unangenehmen Gestalten Inn ihren Trau-
chirmessern an ihn selbst herankommen, er vergißt seinen Stolz so weit, die eine von
ihnen zu beschwören, sie habe selbst Theaterstücke gemacht, es sei ungcntil, einen College::
aufzuschneiden. Aber es hilft nichts, immer weiter entwickelt sich in seiner Seele die
Anschauung von den zwei Schreckgestalten, welche auf ihn eindringen, er hat nicht die
Kraft, die Anschauung zu bannen, er hat nicht den Takt, sie dem Publikum zu ver¬
schweigen, es muß heraus, das Unnöthige, das Lächerliche: er empfindet sich selbst niederge¬
worfen, aufgeschnitten von den zwei Schlächtern, als leer an Character und Herz ausgerufen.
In dieser verzweifelten Lage aber empfindet er wieder, daß er sich ermannt und mit einem
gewissen Anstand aufspringend den Feinden die Tranchirmesser aus der Hand schlägt.
Die Stelle lautet wörtlich in Ur. 100 der Deutsch. Allg. Zeit, folgendermaßen: "Nun
erhebt sich aber ein solcher zum todten Cadaver und zur lieblosesten Leichenbeschau
herabgewürdigter, annoch lebender Mensch und schlägt Euch bei dieser frechen Diagnose
seines Charakters die Secir- und Tranchirmesser aus der Hand, thut es sogar mit
leidlichem Anstand... und was ist das Ende? Ein Racheschrei der Wuth." -- Der auf¬
geschnittene, zum Cadavcr entwürdigte Mensch ist er selbst, und mit dem Racheschrei der
Wuth ist die Antwort der Grenzboten in Ur. 9 gemeint. -- Was ist das für ein
würdeloser schwacher Geist, dessen Anschauungen in solcher Weise umherirren, und der
sich selbst, ohne es zu empfinden, Preis giebt, um ein lächerliches Bild so breit als mög¬
lich auszuführen.

Zu der großen Geringschätzung, welche er gegen die Grenzboten auszudrücken
bemüht ist, bildet die Achtung, welche er vor seiner eigenen Thätigkeit hat, einen schönen
Gegensatz: Nichts ärgert mehr an den Grenzboten als ihr Mangel an Hochachtung vor
dem Großen, Bedeutenden, Ursprünglichen! Er hat ihnen in seinem ersten Artikel
schlagend bewiesen, daß es für sie nichts Reelles giebt als die Apathie; er hat diesen
ersten Angriff mit Anstand und Scherz und mit etwas Vertrauen auf ihre "gentlemantike"


zu beschäftigen, so möge diesmal eine Darstellung seiner eigenen Gedanken gegen ihn
zu Felde ziehen.

Der letzte Angriff GutzkowS zeigt ein Gemüth, welches von zwei lebhaften Ge¬
fühlen beherrscht wird, von. Haß gegen die Grenzboten und von Wohlwollen für sich
selbst. Das wäre in der Ordnung. Sehen wir aber zu, wie er seine Gegner und
wie er sich selbst behandelt.

Die Redacteure der Grenzboten sitzen als eingebildete Menschen in ewiger Nacht
über ihre Wirksamkeit in Deutschland, sie sind unbedeutend, sie sind sehr unbedeutend,
sie sind ganz außerordentlich unbedeutend und unwesentlich, existiren mir noch sür die
kleine, engere, belletristische Conversation. Ihrem literarischen Character nach sind sie
traurige blasirte Epicuräer, welche den Genuß über jeden Ernst des Lebens setzen, und
die Grenzboten selbst ein klägliches Kukuksjvurnal, welches mir das Lob seiner Redac¬
teure aufschreit und nicht eine positive Thatsache in Deutschland gefördert und vertreten
hat. — Das.Alles ist zwar nicht wahr, indeß, da man von Gutzkow nicht zu viel
verlangen muß, so möchte diese Auffassung hingehen, es ist doch eine gewisse logische
Ordnung und Konsequenz darin. Er erklärt seine Gegner für vernichtet, wir sind ver¬
nichtet, die Sache wäre gut. — Aber seltsam, er ist selbst nicht im Stande, seine Erfin¬
dung zu dramatischerWirkung gelangen zu lassen. Eine neue Auffassung kommt und hebt
die frühere auf. Auf einmal treten die beiden Redacteure wieder vor, mit großen Tran-
chirmessern bewaffnet, „mit denen sie jedem Schaffenden: Dichtern, Philosophen, Staats¬
männern, wie dem Polypen die Bauchlänge aufschneiden, ihn umdrehen und sagen: da
ist nichts und immer nichts und ewig nichts." Auch der Einfall möchte noch angehen,
ja er ist für einen Hypochonder gar nicht schlecht. Jetzt aber haben ihm diese Redacteure
nicht mehr das Aussehen von blasirten Gourmands, welche nur zu rufen verstehen: es
leben die Cigarren und Camelien! Im Gegentheil haftet dieser Vorstellung, wie einer
unklaren Traumgestalt, die den Schlafenden erschreckt, etwas Beängstigendes an. Der
Dichter empfindet mit Angst, wie diese beiden unangenehmen Gestalten Inn ihren Trau-
chirmessern an ihn selbst herankommen, er vergißt seinen Stolz so weit, die eine von
ihnen zu beschwören, sie habe selbst Theaterstücke gemacht, es sei ungcntil, einen College::
aufzuschneiden. Aber es hilft nichts, immer weiter entwickelt sich in seiner Seele die
Anschauung von den zwei Schreckgestalten, welche auf ihn eindringen, er hat nicht die
Kraft, die Anschauung zu bannen, er hat nicht den Takt, sie dem Publikum zu ver¬
schweigen, es muß heraus, das Unnöthige, das Lächerliche: er empfindet sich selbst niederge¬
worfen, aufgeschnitten von den zwei Schlächtern, als leer an Character und Herz ausgerufen.
In dieser verzweifelten Lage aber empfindet er wieder, daß er sich ermannt und mit einem
gewissen Anstand aufspringend den Feinden die Tranchirmesser aus der Hand schlägt.
Die Stelle lautet wörtlich in Ur. 100 der Deutsch. Allg. Zeit, folgendermaßen: „Nun
erhebt sich aber ein solcher zum todten Cadaver und zur lieblosesten Leichenbeschau
herabgewürdigter, annoch lebender Mensch und schlägt Euch bei dieser frechen Diagnose
seines Charakters die Secir- und Tranchirmesser aus der Hand, thut es sogar mit
leidlichem Anstand... und was ist das Ende? Ein Racheschrei der Wuth." — Der auf¬
geschnittene, zum Cadavcr entwürdigte Mensch ist er selbst, und mit dem Racheschrei der
Wuth ist die Antwort der Grenzboten in Ur. 9 gemeint. — Was ist das für ein
würdeloser schwacher Geist, dessen Anschauungen in solcher Weise umherirren, und der
sich selbst, ohne es zu empfinden, Preis giebt, um ein lächerliches Bild so breit als mög¬
lich auszuführen.

Zu der großen Geringschätzung, welche er gegen die Grenzboten auszudrücken
bemüht ist, bildet die Achtung, welche er vor seiner eigenen Thätigkeit hat, einen schönen
Gegensatz: Nichts ärgert mehr an den Grenzboten als ihr Mangel an Hochachtung vor
dem Großen, Bedeutenden, Ursprünglichen! Er hat ihnen in seinem ersten Artikel
schlagend bewiesen, daß es für sie nichts Reelles giebt als die Apathie; er hat diesen
ersten Angriff mit Anstand und Scherz und mit etwas Vertrauen auf ihre „gentlemantike"


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[0448] zu beschäftigen, so möge diesmal eine Darstellung seiner eigenen Gedanken gegen ihn zu Felde ziehen. Der letzte Angriff GutzkowS zeigt ein Gemüth, welches von zwei lebhaften Ge¬ fühlen beherrscht wird, von. Haß gegen die Grenzboten und von Wohlwollen für sich selbst. Das wäre in der Ordnung. Sehen wir aber zu, wie er seine Gegner und wie er sich selbst behandelt. Die Redacteure der Grenzboten sitzen als eingebildete Menschen in ewiger Nacht über ihre Wirksamkeit in Deutschland, sie sind unbedeutend, sie sind sehr unbedeutend, sie sind ganz außerordentlich unbedeutend und unwesentlich, existiren mir noch sür die kleine, engere, belletristische Conversation. Ihrem literarischen Character nach sind sie traurige blasirte Epicuräer, welche den Genuß über jeden Ernst des Lebens setzen, und die Grenzboten selbst ein klägliches Kukuksjvurnal, welches mir das Lob seiner Redac¬ teure aufschreit und nicht eine positive Thatsache in Deutschland gefördert und vertreten hat. — Das.Alles ist zwar nicht wahr, indeß, da man von Gutzkow nicht zu viel verlangen muß, so möchte diese Auffassung hingehen, es ist doch eine gewisse logische Ordnung und Konsequenz darin. Er erklärt seine Gegner für vernichtet, wir sind ver¬ nichtet, die Sache wäre gut. — Aber seltsam, er ist selbst nicht im Stande, seine Erfin¬ dung zu dramatischerWirkung gelangen zu lassen. Eine neue Auffassung kommt und hebt die frühere auf. Auf einmal treten die beiden Redacteure wieder vor, mit großen Tran- chirmessern bewaffnet, „mit denen sie jedem Schaffenden: Dichtern, Philosophen, Staats¬ männern, wie dem Polypen die Bauchlänge aufschneiden, ihn umdrehen und sagen: da ist nichts und immer nichts und ewig nichts." Auch der Einfall möchte noch angehen, ja er ist für einen Hypochonder gar nicht schlecht. Jetzt aber haben ihm diese Redacteure nicht mehr das Aussehen von blasirten Gourmands, welche nur zu rufen verstehen: es leben die Cigarren und Camelien! Im Gegentheil haftet dieser Vorstellung, wie einer unklaren Traumgestalt, die den Schlafenden erschreckt, etwas Beängstigendes an. Der Dichter empfindet mit Angst, wie diese beiden unangenehmen Gestalten Inn ihren Trau- chirmessern an ihn selbst herankommen, er vergißt seinen Stolz so weit, die eine von ihnen zu beschwören, sie habe selbst Theaterstücke gemacht, es sei ungcntil, einen College:: aufzuschneiden. Aber es hilft nichts, immer weiter entwickelt sich in seiner Seele die Anschauung von den zwei Schreckgestalten, welche auf ihn eindringen, er hat nicht die Kraft, die Anschauung zu bannen, er hat nicht den Takt, sie dem Publikum zu ver¬ schweigen, es muß heraus, das Unnöthige, das Lächerliche: er empfindet sich selbst niederge¬ worfen, aufgeschnitten von den zwei Schlächtern, als leer an Character und Herz ausgerufen. In dieser verzweifelten Lage aber empfindet er wieder, daß er sich ermannt und mit einem gewissen Anstand aufspringend den Feinden die Tranchirmesser aus der Hand schlägt. Die Stelle lautet wörtlich in Ur. 100 der Deutsch. Allg. Zeit, folgendermaßen: „Nun erhebt sich aber ein solcher zum todten Cadaver und zur lieblosesten Leichenbeschau herabgewürdigter, annoch lebender Mensch und schlägt Euch bei dieser frechen Diagnose seines Charakters die Secir- und Tranchirmesser aus der Hand, thut es sogar mit leidlichem Anstand... und was ist das Ende? Ein Racheschrei der Wuth." — Der auf¬ geschnittene, zum Cadavcr entwürdigte Mensch ist er selbst, und mit dem Racheschrei der Wuth ist die Antwort der Grenzboten in Ur. 9 gemeint. — Was ist das für ein würdeloser schwacher Geist, dessen Anschauungen in solcher Weise umherirren, und der sich selbst, ohne es zu empfinden, Preis giebt, um ein lächerliches Bild so breit als mög¬ lich auszuführen. Zu der großen Geringschätzung, welche er gegen die Grenzboten auszudrücken bemüht ist, bildet die Achtung, welche er vor seiner eigenen Thätigkeit hat, einen schönen Gegensatz: Nichts ärgert mehr an den Grenzboten als ihr Mangel an Hochachtung vor dem Großen, Bedeutenden, Ursprünglichen! Er hat ihnen in seinem ersten Artikel schlagend bewiesen, daß es für sie nichts Reelles giebt als die Apathie; er hat diesen ersten Angriff mit Anstand und Scherz und mit etwas Vertrauen auf ihre „gentlemantike"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/448>, abgerufen am 22.07.2024.