Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.Versailles der neue Kaiser schon von fünf Cavalerieregimentern proclamirt, und Louis Und George Sand täuscht sich keineswegs, Louis Buonaparte ist Socialist, er ist Versailles der neue Kaiser schon von fünf Cavalerieregimentern proclamirt, und Louis Und George Sand täuscht sich keineswegs, Louis Buonaparte ist Socialist, er ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0364" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93729"/> <p xml:id="ID_973" prev="#ID_972"> Versailles der neue Kaiser schon von fünf Cavalerieregimentern proclamirt, und Louis<lb/> Napoleon hielt lächelnd an der offenen Kalesche von Miß Howard, um sie an dieser<lb/> kaiserlichen Huldigung Theil nehmen zu lassen. Ludwig XIV. und Madame Mvntespan<lb/> hätten das nicht besser gemacht, und das Schloß von Versailles, das unter dem Haufen<lb/> der vorüber desilirenden Reiter erdröhnte, blickte staunend in diese Parodie einer ver¬<lb/> storben geglaubten Zeit hinein. Napoleon und Ludwig XIV., die beiden größten Des¬<lb/> poten Frankreichs, werden von dem Abenteuerer des zweiten Decembers noch in ihrem<lb/> Grabe persistirt, und die Monarchie könnte gar keinen größern Schimpf erleben, als<lb/> durch diese kaiserliche Komödie, der der gekrönte Spectakel, der uns bevorsteht, kaum<lb/> Etwas hinzufügen können wird. Horace Vernet studirt bereits das Krönungsgemälde<lb/> David's, und er wird kaum mit seiner gemalten römischen Expedition fertig sein, wenn<lb/> sein Dampfpinsel wieder eine neue Aufgabe erhalten dürfte. Dieser Talleyrand der<lb/> Malerei, dieser servile Cvurtisan aller Regierungen ist ganz aus dem Holze gemacht, aus<lb/> ' dem diese Machthaber ihre Höflinge brauchen. T'ki msilr«;, W1 pökelt Der Carneval<lb/> ist ohnehin bald zu Ende, und die vesoenlv as la oonrtillö, jener Fastnachtszug, bei<lb/> dem die Flcischhaucrzunst und ein Paar wohlgemästete Ochsen die Hauptrolle spielen,<lb/> kann eben so leicht als passend zu einer imperialistischen Demonstration umgewandelt<lb/> werden. Der Präsident übt sich schon darin, auf echt kaiserliche Weise die Honneurs zu<lb/> machen, und in den Tuilerien finden wöchentlich Generalproben statt. Die Hofbälle<lb/> gehen regelmäßig ihren Gang, und jeder Ball führt den Augen der erstaunten Pariser<lb/> neue Lakaien in neuen Uniformen vor. Der socialistische Imperator, welcher 'die Ver¬<lb/> einigung der grellsten Widersprüche zu lieben scheint, hat auch seinem künftigen Vetter,<lb/> dem Herrn aller Reußen, sein soldatisches Bekleidungssystem abgeguckt, und ehe man es<lb/> sich versehen wird, muß das ganze officielle Frankreich die Livröe der neuen Dynastie<lb/> tragen. Die Servilität der civilisirtesten Nation des allerrevolutionairsten Volkes, wird<lb/> dann einen numerischen Ausdruck finden, und für statistische Curiositätensammler wird<lb/> es nicht an gehöriger Beute fehlen. Die socialistischen Reformen sind darum noch nicht<lb/> bei Seite gelegt, und Louis Buonaparte hat durch die Auseinandersetzung seiner Be-<lb/> glückuugspläne sogar die socialistische Schriftstellerin, die Verfasserin der Circulare von<lb/> 1848, die berühmte Schriftstellerin George Sand, zu gewinnen gewußt. Er weinte wie<lb/> Nero, und klagte über sein Unglück, nicht verstanden zu werden; er zeigte seine Gro߬<lb/> muth, indem er der poetischen Fürsprecherin die Begnadigung einiger Verurtheilten ver¬<lb/> heißen, und, Mad. Düdevant kehrte mit dem Bewußtsein aus dem Elysve, wieder einen<lb/> poetischen Glaubensgenossen an der Spitze des Landes zu sehen! Ist das nicht der<lb/> kostbarste Humor, wie ihn selbst Shakspeare nicht schöner erfinden könnte?</p><lb/> <p xml:id="ID_974" next="#ID_975"> Und George Sand täuscht sich keineswegs, Louis Buonaparte ist Socialist, er ist<lb/> Socialist wie Cabet, Louis Blanc und Baboeuf, und er will die Kaiserkrone allen<lb/> Ernstes durch Entfernung der Bourgeoisie verdienen. Er erkennt mit Scharfblick, daß<lb/> diese Klasse nicht im Stande sei, eine Negierung zu halten, und er wird sein Marengo<lb/> durch finanzielle Schlachten schlagen, die anderen Siege soll dann die Armee ausfechten.<lb/> Wäre sein Ursprung nicht so empörend unmoralisch, wäre seine Absicht nicht so egoi¬<lb/> stisch, die Mittel, die er anwendet, nicht in dem Maße dem rechtlichen Gefühle selbst<lb/> der Klassen, denen er wohlzuwollen scheint, widerstrebend, es ließe sich gar nicht ab¬<lb/> sehen, wozu es dieser jedenfalls ungewöhnliche Mensch bringen könnte. So aber muß<lb/> der Strick eher reißen, als man es erwarten dürste, und nie wird eine Negierung</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0364]
Versailles der neue Kaiser schon von fünf Cavalerieregimentern proclamirt, und Louis
Napoleon hielt lächelnd an der offenen Kalesche von Miß Howard, um sie an dieser
kaiserlichen Huldigung Theil nehmen zu lassen. Ludwig XIV. und Madame Mvntespan
hätten das nicht besser gemacht, und das Schloß von Versailles, das unter dem Haufen
der vorüber desilirenden Reiter erdröhnte, blickte staunend in diese Parodie einer ver¬
storben geglaubten Zeit hinein. Napoleon und Ludwig XIV., die beiden größten Des¬
poten Frankreichs, werden von dem Abenteuerer des zweiten Decembers noch in ihrem
Grabe persistirt, und die Monarchie könnte gar keinen größern Schimpf erleben, als
durch diese kaiserliche Komödie, der der gekrönte Spectakel, der uns bevorsteht, kaum
Etwas hinzufügen können wird. Horace Vernet studirt bereits das Krönungsgemälde
David's, und er wird kaum mit seiner gemalten römischen Expedition fertig sein, wenn
sein Dampfpinsel wieder eine neue Aufgabe erhalten dürfte. Dieser Talleyrand der
Malerei, dieser servile Cvurtisan aller Regierungen ist ganz aus dem Holze gemacht, aus
' dem diese Machthaber ihre Höflinge brauchen. T'ki msilr«;, W1 pökelt Der Carneval
ist ohnehin bald zu Ende, und die vesoenlv as la oonrtillö, jener Fastnachtszug, bei
dem die Flcischhaucrzunst und ein Paar wohlgemästete Ochsen die Hauptrolle spielen,
kann eben so leicht als passend zu einer imperialistischen Demonstration umgewandelt
werden. Der Präsident übt sich schon darin, auf echt kaiserliche Weise die Honneurs zu
machen, und in den Tuilerien finden wöchentlich Generalproben statt. Die Hofbälle
gehen regelmäßig ihren Gang, und jeder Ball führt den Augen der erstaunten Pariser
neue Lakaien in neuen Uniformen vor. Der socialistische Imperator, welcher 'die Ver¬
einigung der grellsten Widersprüche zu lieben scheint, hat auch seinem künftigen Vetter,
dem Herrn aller Reußen, sein soldatisches Bekleidungssystem abgeguckt, und ehe man es
sich versehen wird, muß das ganze officielle Frankreich die Livröe der neuen Dynastie
tragen. Die Servilität der civilisirtesten Nation des allerrevolutionairsten Volkes, wird
dann einen numerischen Ausdruck finden, und für statistische Curiositätensammler wird
es nicht an gehöriger Beute fehlen. Die socialistischen Reformen sind darum noch nicht
bei Seite gelegt, und Louis Buonaparte hat durch die Auseinandersetzung seiner Be-
glückuugspläne sogar die socialistische Schriftstellerin, die Verfasserin der Circulare von
1848, die berühmte Schriftstellerin George Sand, zu gewinnen gewußt. Er weinte wie
Nero, und klagte über sein Unglück, nicht verstanden zu werden; er zeigte seine Gro߬
muth, indem er der poetischen Fürsprecherin die Begnadigung einiger Verurtheilten ver¬
heißen, und, Mad. Düdevant kehrte mit dem Bewußtsein aus dem Elysve, wieder einen
poetischen Glaubensgenossen an der Spitze des Landes zu sehen! Ist das nicht der
kostbarste Humor, wie ihn selbst Shakspeare nicht schöner erfinden könnte?
Und George Sand täuscht sich keineswegs, Louis Buonaparte ist Socialist, er ist
Socialist wie Cabet, Louis Blanc und Baboeuf, und er will die Kaiserkrone allen
Ernstes durch Entfernung der Bourgeoisie verdienen. Er erkennt mit Scharfblick, daß
diese Klasse nicht im Stande sei, eine Negierung zu halten, und er wird sein Marengo
durch finanzielle Schlachten schlagen, die anderen Siege soll dann die Armee ausfechten.
Wäre sein Ursprung nicht so empörend unmoralisch, wäre seine Absicht nicht so egoi¬
stisch, die Mittel, die er anwendet, nicht in dem Maße dem rechtlichen Gefühle selbst
der Klassen, denen er wohlzuwollen scheint, widerstrebend, es ließe sich gar nicht ab¬
sehen, wozu es dieser jedenfalls ungewöhnliche Mensch bringen könnte. So aber muß
der Strick eher reißen, als man es erwarten dürste, und nie wird eine Negierung
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |