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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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ragten; um diese Enden wurden Ketten geschlungen und diese in den Mitelpnnkten
der Wageuachsen, deren Richtung mit den Balken rechte Winkel bildeten, befestigt,
während zu gleicher Zeit das Haus durch Hebebäume etwas gehoben wurde.
So hing nach Entfernung der Hebebäume das ganze Gebände ans den Achsen.
Jetzt wurden die Ochsen angespannt; ein vieltöniges, aus allen Kehlen er¬
schallendes <>u,l.! brachte sie zum Anziehen, und nach wenigen Minuten stand
das Haus auf einer andern Stelle, gegen 200 Schritt von dem frühern Stand¬
orte entfernt. Neue Unterlagen waren bald untergeschoben; die Ketten wurden
gelöst, die Ochsen zogen ab, und Alles bis auf die Galerie und den Kamin
war in der gewohnten Ordnung. Das Ansetzen der Galerie erforderte die
gleichzeitige Hilfe mehrerer Menschen, und wurde daher noch an demselben Tage
ausgeführt. Die Säulen, auf denen das Dach ruhte, wurden in kurzer Zeit
aufgestellt, und alle Kräfte vereint hoben auch das Dach, welches vorher als
ein Ganzes abgenommen war, bald in die Höhe, und setzten es an die gewohnte
Stelle. Der Aufbau des Kamins, welcher in hinlänglicher Zeit auch dnrch
einen Mann ausgeführt werden konnte, wurde für spätere Zeit aufbewahrt.

Bei einem Feste im Hinterwalde oder im Busche soll, nach deutschen,
Romanbegriffen, niemals ein halber Ochse am Bratspieße über einem hoch¬
lodernden Feuer fehlen, und die Hinterwäldler sollen mit gewaltigen Messern
riesenhafte Stücke losschueiden, die hinreichend wären, um fünf deutsche Magen
von gewöhnlichem Schlage zu sättigen; -- aber die deutsch-texanischen Begriffe
eines Festes in der Wirklichkeit find anders: statt eines Ochsen hatte man 4 oder
ö Hühner geschlachtet, und statt Ungeheuer über einem riesigen Feuer zu rösten,
hatte man über ein ganz bescheidenes Feuer einen ganz gewöhnlichen Topf ge¬
setzt, und mit Hilfe von Essig und Eiern eine ganz gewöhnliche Hühnersricassäe
bereitet; aber obgleich nur Hühuerfricassäe, so schmeckte es doch den Farmern und
mir ganz prächtig; denn der deutsch-texanische Farmer hat nicht jeden Tag ein
Huhn im Topfe, nicht einmal jeden Sonntag, und einen Ochsen zu schlachten,
fällt einem Deutschen, der erst 3 bis 4 Jahre im Lande ist, noch viel weniger
ein. Denn Ochsen kaufen, dazu hat er kein Geld, und die jungen Ochsen, welche
er sich während seines Aufenthalts in Texas gezogen hat, hält er fein in Ehren,
denn er bedarf mit der Zeit Zugvieh. Aber einen Hirschbraten? Die Hirsche
lausen doch herrenlos und herdenweise in der Prairie umher? Allerdings giebt es
in Texas Hirschherden, aber in der Nähe von Farmer nnr einzelne Hirsche, und
diese Hirsche haben lange und schnelle Beine, und wissen schon recht gut den Jäger
zu unterscheiden. Mancher Tag kann hingehen, ehe ein geübter Jäger in diesen
Gegenden einen Hirsch in die Schußlinie bekommt, und ein ungeübter Jäger
muß noch länger warten, und lange auf einen Hirsch zu warten, dazu hat der
Farmer keine Zeit. Darum gab es zum Feste des "raoving-" eine Hühner-
fricassoe, und ans gutem Grunde nichts Anderes.


ragten; um diese Enden wurden Ketten geschlungen und diese in den Mitelpnnkten
der Wageuachsen, deren Richtung mit den Balken rechte Winkel bildeten, befestigt,
während zu gleicher Zeit das Haus durch Hebebäume etwas gehoben wurde.
So hing nach Entfernung der Hebebäume das ganze Gebände ans den Achsen.
Jetzt wurden die Ochsen angespannt; ein vieltöniges, aus allen Kehlen er¬
schallendes <>u,l.! brachte sie zum Anziehen, und nach wenigen Minuten stand
das Haus auf einer andern Stelle, gegen 200 Schritt von dem frühern Stand¬
orte entfernt. Neue Unterlagen waren bald untergeschoben; die Ketten wurden
gelöst, die Ochsen zogen ab, und Alles bis auf die Galerie und den Kamin
war in der gewohnten Ordnung. Das Ansetzen der Galerie erforderte die
gleichzeitige Hilfe mehrerer Menschen, und wurde daher noch an demselben Tage
ausgeführt. Die Säulen, auf denen das Dach ruhte, wurden in kurzer Zeit
aufgestellt, und alle Kräfte vereint hoben auch das Dach, welches vorher als
ein Ganzes abgenommen war, bald in die Höhe, und setzten es an die gewohnte
Stelle. Der Aufbau des Kamins, welcher in hinlänglicher Zeit auch dnrch
einen Mann ausgeführt werden konnte, wurde für spätere Zeit aufbewahrt.

Bei einem Feste im Hinterwalde oder im Busche soll, nach deutschen,
Romanbegriffen, niemals ein halber Ochse am Bratspieße über einem hoch¬
lodernden Feuer fehlen, und die Hinterwäldler sollen mit gewaltigen Messern
riesenhafte Stücke losschueiden, die hinreichend wären, um fünf deutsche Magen
von gewöhnlichem Schlage zu sättigen; — aber die deutsch-texanischen Begriffe
eines Festes in der Wirklichkeit find anders: statt eines Ochsen hatte man 4 oder
ö Hühner geschlachtet, und statt Ungeheuer über einem riesigen Feuer zu rösten,
hatte man über ein ganz bescheidenes Feuer einen ganz gewöhnlichen Topf ge¬
setzt, und mit Hilfe von Essig und Eiern eine ganz gewöhnliche Hühnersricassäe
bereitet; aber obgleich nur Hühuerfricassäe, so schmeckte es doch den Farmern und
mir ganz prächtig; denn der deutsch-texanische Farmer hat nicht jeden Tag ein
Huhn im Topfe, nicht einmal jeden Sonntag, und einen Ochsen zu schlachten,
fällt einem Deutschen, der erst 3 bis 4 Jahre im Lande ist, noch viel weniger
ein. Denn Ochsen kaufen, dazu hat er kein Geld, und die jungen Ochsen, welche
er sich während seines Aufenthalts in Texas gezogen hat, hält er fein in Ehren,
denn er bedarf mit der Zeit Zugvieh. Aber einen Hirschbraten? Die Hirsche
lausen doch herrenlos und herdenweise in der Prairie umher? Allerdings giebt es
in Texas Hirschherden, aber in der Nähe von Farmer nnr einzelne Hirsche, und
diese Hirsche haben lange und schnelle Beine, und wissen schon recht gut den Jäger
zu unterscheiden. Mancher Tag kann hingehen, ehe ein geübter Jäger in diesen
Gegenden einen Hirsch in die Schußlinie bekommt, und ein ungeübter Jäger
muß noch länger warten, und lange auf einen Hirsch zu warten, dazu hat der
Farmer keine Zeit. Darum gab es zum Feste des „raoving-" eine Hühner-
fricassoe, und ans gutem Grunde nichts Anderes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/31>, abgerufen am 22.07.2024.