Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.das Gesicht des Einen war Borrow voll zugewendet; dieser erkannte sogleich, wem 31 *
das Gesicht des Einen war Borrow voll zugewendet; dieser erkannte sogleich, wem 31 *
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das Gesicht des Einen war Borrow voll zugewendet; dieser erkannte sogleich, wem
ein solches Gesicht zugehö'ren müsse, und berührte den Arm des Vorübergehenden,
der nnn mit seinem Gefährten stehen blieb. Borrow sprach ein gewisses Wort
ans, welches sie nach einem Ausruf der Ueberraschung in der erwarteten Weise
beantworteten. Es waren Zigeuner, Glieder des seltsamen Volkes, das über alle
Theile der Erde verbreitet ist, und überall seine ursprünglichen Sitten und seine
eigenthümliche Sprache wenigstens zum Theil beibehalten hat. In dieser Sprache
fingen sich diese Drei jetzt mit einander zu unterhalten an, und kaum hatte sich
die Nachricht in der Stadt verbreitet, daß ein Fremder dasei, welcher Rommaney
so gut spreche, wie ein Zigeuner, und wol von Errate (Blut) sei, so füllte sich
die Straße vor der Posada mit Gitanos jedes Geschlechts und jedes Alters. Zer¬
lumpte, schmuzige Gestalten mit unheimlich lauernden Gesichtern drängten sich
um Borrow, bestürmten ihn mit tausend Fragen, betasteten ihn an Händen, Ge¬
sicht und Kleidern, und gingen endlich wieder nach Hause, in der festen Ueber-
zeugung, einen ihres Gleichen kennen gelernt zu haben. Die Beiden, welche
unser Reisender zuerst angeredet, besuchten ihn des Abends. Sie setzten sich um
den Brasero in der Mitte des Zimmers, und fingen an, kleine Papiercigarren zu
rauchen. Der Eine war ein ältlicher Mann, groß und knochig, mit abgemager¬
tem grotesken Gesicht, aber doch eine echte Zigeunerphysiognomie; er sprach
wenig, und dann meistens in wunderlichen Ausdrücken. Sein Begleiter war
kaum dreißig Jahre alt, von mittler Große, aber herkulischen Verhältnissen;
zottiges, schwarzes Haar, sast wie die Mähne eines wilden Thieres, fiel über die
Stirn und um Backen und Hals herab; das Gesicht war vou Pocken zerrissen,
und seine funkelnden Augen lugten unter buschigen Brauen hervor» Er trug
einen ungeheuren Schucmzbart, und große, weiße Zähne blinkten in seinem brei¬
ten Munde. Eins zeichnete ihn ganz besonders aus: sein rechter Arm war ver¬
dorrt, und hing im seltsamen Gegensatz zu den eisenharten, kräftigen Muskeln
des linken schlaff und dünn von der Schulter herab. Aber trotz seines wilden,
fast bestialischer Aussehens war er viel verständiger als der Andere, und gab
Borrow alle mögliche Auskunft über die Lage der Zigeuner in Badajoz, die in
großer Armuth schmachteten, mit Ausnahme eines Einzigen, welcher sich aber
von seinen Stammesgenossen ans das Sorgfältigste fern, hielt, und sich dadurch ihren
tödtlichen Haß zugezogen hatte. , Außer diesen Beiden lernte Borrow noch einen
dritten Gitano kennen, Namens Antonio, „mit einem Gesicht, so schwarz wie Pfef¬
fer, und Augen voll tückischen Feuers, dem Aeußern nach Zigeuner und Bandit
in einer Person." Er war erfahrener als die Andern, denn er hatte den Krieg
gegen Napoleon mitgemacht, in welchem er eine Geschichte erlebte, welche die
Festigkeit des die Zigeuner aller Länder umschlingenden Bandes zeigt. „In einer
großen Schlacht," erzählte er, „entstand große Verwirrung, und beide Parteien kamen
unter einander und ins Handgemenge; ein französischer Soldat hatte es auf
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