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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Kehle auskreischt, um einige höhere Soprannoten zu finden, während die Andere
sich heiser macht, um den Contraalt nachzuahmen, den ihr die Natur versagt hat."

Mit der Herstellung des Kaiserthums richtete Napoleon auch die, italienische
Oper wieder ein, die seit 1792 geschlossen war. Zu dieser wurden unter den Ersten
Crescentini*) und die Grassini berufen (1804). Sie war die unbestrittene Kö¬
nigin der Oper. Napoleon erfreute sich an ihrem Talent und liebte ihre Person;
sie erinnerte ihn an die schonen Tage seines frühen Ruhms. Sie durste allen
ihren Launen freien Spielraum lassen, und benutzte diese Freiheit reichlich. Selbst
der Kapellmeister Paer mußte sich ihren Einfällen fügen.

Einmal, im Jahre 1807, schien ihr die Gunst des Kaisers im Fall begriffen.
Um sie durch eine Coquetterie wieder zu gewinnen, eilte sie zu Blaugiui, einem
liebenswürdigen Componisten, und forderte ihn anf, für die Rolle der Cleopatra,
die sie zu spielen hatte, noch folgende drei Verse in Musik zu setzen:


^äors i cerni wol, yuesto mio vor keäele;
Lxosa Sars se vuoi, von äuditar 6i me;
Uf, un sguaräo seien" ti vnieäo ä'amor!^)

Der Vers war an Cäsar gerichtet, aber während der ganzen Vorstellung
verließen die Augen der Sängerin keinen Augenblick die kaiserliche Loge, in
ängstlicher Erwartung, daß der Eroberer von Aegypten ihr einen s^rurrcio serena
Ä'amor zuwerfen werde.

Das Verhältniß hinderte sie aber nicht, nach dem Fall des Kaiserthums 1814
mit Lord Castlereagh äuettini mnorosi zu singen und der Loge des Herzogs von
Wellington dieselben Verse: ^clora, i cerni wol, zu richten, die einst das Herz
Napoleons bewegt hatten. Blangini, der uns alle diese Anekdoten aufbewahrt
hat, versichert, daß der Sieger von Waterloo mit seinem Blick nicht habe auf
sich warten lassen.

Mit dem Jahre 181it trat die Grassini auf immer vom Theater ab. Im
Schooß des Reichthums setzte sie bald in Paris, bald in Mailand mit Anstand
das glänzende Leben fort, welches ihr bis dahin wie ein Traum vorübergegangen
war. In einem Salon 1838 kam die Rede auf Napoleon und Ludwig XVII l.
Man stellte sich vor, wie sie sich einander im Elysium begegneten, und die Grassini
behauptete, "das erste Wort, das der Kaiser dem König Ludwig gesagt haben
wird, muß folgendes gewesen sein: Warum hast Du die Pension unterdrückt, die
ich meiner lieben Grassini gegeben hatte?"






Geboren -1767, trat zuerst -1789 in Rom auf, ging 1797 nach Wien, 1799 nach Lissa¬
bon. Sein ausgezeichneter Sopran rührte in der Rolle des Romeo den Kaiser so, daß er
ihm den Orden der eisernen Krone ertheilte. Als die Höflinge darüber ungehalten waren,
sagte die Grassini, wie um ihren Kameraden zu entschuldigen: "Ach der Arme, es kommt ihm
theuer zu stehen (?ovorstto! Ali oost", o^ro)." ^ .
"Mein treues Herz unterwirft sich Deinem Gebot; ich will Deine Gattin sein, wenn
Dn willst, zweifle nicht an mir; aber ich beschwöre Dich um einen heitern Liebesblick!"

Kehle auskreischt, um einige höhere Soprannoten zu finden, während die Andere
sich heiser macht, um den Contraalt nachzuahmen, den ihr die Natur versagt hat."

Mit der Herstellung des Kaiserthums richtete Napoleon auch die, italienische
Oper wieder ein, die seit 1792 geschlossen war. Zu dieser wurden unter den Ersten
Crescentini*) und die Grassini berufen (1804). Sie war die unbestrittene Kö¬
nigin der Oper. Napoleon erfreute sich an ihrem Talent und liebte ihre Person;
sie erinnerte ihn an die schonen Tage seines frühen Ruhms. Sie durste allen
ihren Launen freien Spielraum lassen, und benutzte diese Freiheit reichlich. Selbst
der Kapellmeister Paer mußte sich ihren Einfällen fügen.

Einmal, im Jahre 1807, schien ihr die Gunst des Kaisers im Fall begriffen.
Um sie durch eine Coquetterie wieder zu gewinnen, eilte sie zu Blaugiui, einem
liebenswürdigen Componisten, und forderte ihn anf, für die Rolle der Cleopatra,
die sie zu spielen hatte, noch folgende drei Verse in Musik zu setzen:


^äors i cerni wol, yuesto mio vor keäele;
Lxosa Sars se vuoi, von äuditar 6i me;
Uf, un sguaräo seien» ti vnieäo ä'amor!^)

Der Vers war an Cäsar gerichtet, aber während der ganzen Vorstellung
verließen die Augen der Sängerin keinen Augenblick die kaiserliche Loge, in
ängstlicher Erwartung, daß der Eroberer von Aegypten ihr einen s^rurrcio serena
Ä'amor zuwerfen werde.

Das Verhältniß hinderte sie aber nicht, nach dem Fall des Kaiserthums 1814
mit Lord Castlereagh äuettini mnorosi zu singen und der Loge des Herzogs von
Wellington dieselben Verse: ^clora, i cerni wol, zu richten, die einst das Herz
Napoleons bewegt hatten. Blangini, der uns alle diese Anekdoten aufbewahrt
hat, versichert, daß der Sieger von Waterloo mit seinem Blick nicht habe auf
sich warten lassen.

Mit dem Jahre 181it trat die Grassini auf immer vom Theater ab. Im
Schooß des Reichthums setzte sie bald in Paris, bald in Mailand mit Anstand
das glänzende Leben fort, welches ihr bis dahin wie ein Traum vorübergegangen
war. In einem Salon 1838 kam die Rede auf Napoleon und Ludwig XVII l.
Man stellte sich vor, wie sie sich einander im Elysium begegneten, und die Grassini
behauptete, „das erste Wort, das der Kaiser dem König Ludwig gesagt haben
wird, muß folgendes gewesen sein: Warum hast Du die Pension unterdrückt, die
ich meiner lieben Grassini gegeben hatte?"






Geboren -1767, trat zuerst -1789 in Rom auf, ging 1797 nach Wien, 1799 nach Lissa¬
bon. Sein ausgezeichneter Sopran rührte in der Rolle des Romeo den Kaiser so, daß er
ihm den Orden der eisernen Krone ertheilte. Als die Höflinge darüber ungehalten waren,
sagte die Grassini, wie um ihren Kameraden zu entschuldigen: „Ach der Arme, es kommt ihm
theuer zu stehen (?ovorstto! Ali oost«, o^ro)." ^ .
„Mein treues Herz unterwirft sich Deinem Gebot; ich will Deine Gattin sein, wenn
Dn willst, zweifle nicht an mir; aber ich beschwöre Dich um einen heitern Liebesblick!"
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[0232] Kehle auskreischt, um einige höhere Soprannoten zu finden, während die Andere sich heiser macht, um den Contraalt nachzuahmen, den ihr die Natur versagt hat." Mit der Herstellung des Kaiserthums richtete Napoleon auch die, italienische Oper wieder ein, die seit 1792 geschlossen war. Zu dieser wurden unter den Ersten Crescentini*) und die Grassini berufen (1804). Sie war die unbestrittene Kö¬ nigin der Oper. Napoleon erfreute sich an ihrem Talent und liebte ihre Person; sie erinnerte ihn an die schonen Tage seines frühen Ruhms. Sie durste allen ihren Launen freien Spielraum lassen, und benutzte diese Freiheit reichlich. Selbst der Kapellmeister Paer mußte sich ihren Einfällen fügen. Einmal, im Jahre 1807, schien ihr die Gunst des Kaisers im Fall begriffen. Um sie durch eine Coquetterie wieder zu gewinnen, eilte sie zu Blaugiui, einem liebenswürdigen Componisten, und forderte ihn anf, für die Rolle der Cleopatra, die sie zu spielen hatte, noch folgende drei Verse in Musik zu setzen: ^äors i cerni wol, yuesto mio vor keäele; Lxosa Sars se vuoi, von äuditar 6i me; Uf, un sguaräo seien» ti vnieäo ä'amor!^) Der Vers war an Cäsar gerichtet, aber während der ganzen Vorstellung verließen die Augen der Sängerin keinen Augenblick die kaiserliche Loge, in ängstlicher Erwartung, daß der Eroberer von Aegypten ihr einen s^rurrcio serena Ä'amor zuwerfen werde. Das Verhältniß hinderte sie aber nicht, nach dem Fall des Kaiserthums 1814 mit Lord Castlereagh äuettini mnorosi zu singen und der Loge des Herzogs von Wellington dieselben Verse: ^clora, i cerni wol, zu richten, die einst das Herz Napoleons bewegt hatten. Blangini, der uns alle diese Anekdoten aufbewahrt hat, versichert, daß der Sieger von Waterloo mit seinem Blick nicht habe auf sich warten lassen. Mit dem Jahre 181it trat die Grassini auf immer vom Theater ab. Im Schooß des Reichthums setzte sie bald in Paris, bald in Mailand mit Anstand das glänzende Leben fort, welches ihr bis dahin wie ein Traum vorübergegangen war. In einem Salon 1838 kam die Rede auf Napoleon und Ludwig XVII l. Man stellte sich vor, wie sie sich einander im Elysium begegneten, und die Grassini behauptete, „das erste Wort, das der Kaiser dem König Ludwig gesagt haben wird, muß folgendes gewesen sein: Warum hast Du die Pension unterdrückt, die ich meiner lieben Grassini gegeben hatte?" Geboren -1767, trat zuerst -1789 in Rom auf, ging 1797 nach Wien, 1799 nach Lissa¬ bon. Sein ausgezeichneter Sopran rührte in der Rolle des Romeo den Kaiser so, daß er ihm den Orden der eisernen Krone ertheilte. Als die Höflinge darüber ungehalten waren, sagte die Grassini, wie um ihren Kameraden zu entschuldigen: „Ach der Arme, es kommt ihm theuer zu stehen (?ovorstto! Ali oost«, o^ro)." ^ . „Mein treues Herz unterwirft sich Deinem Gebot; ich will Deine Gattin sein, wenn Dn willst, zweifle nicht an mir; aber ich beschwöre Dich um einen heitern Liebesblick!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/232>, abgerufen am 22.07.2024.