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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Es ist wunderbar, mit wie feinem Sinn und wie sicherer Hand Richter durch
wenige Züge den vollen Eindruck der Landschaft hervorzurufen versteht, aus
der die Figuren wie hervorgewachsen sind, und in der sie erst ihr rechtes,
frisches Leben haben. Eine ganz besondere Rolle spielt aber auch die Thier¬
welt, nicht um den herkömmlichen Lückenbüßer abzugeben, sondern mit derselben
Empfänglichkeit sür das Charakteristische aufgefaßt, Wie die Menschen und die
Landschaft. Es ließe sich eine Physiognomik, ja eine Art von Sittengeschichte, na¬
mentlich der Richter'schen Hunde, schreiben. Auch die Thiere bilden ein noth¬
wendiges Element des unmittelbaren frischen Lebens, welche diese Darstellungen
durchdringt, und besonders ist es gar anmuthig, wie sie nicht nur selbstständig
ihre Rolle klug und bescheiden spielen, sondern zu den reizendsten Motiven
auch der Menschenwelt Veranlassung geben. Uebrigens ist ihm auch die
humoristische Thierparodie keineswegs fremd. Vor längerer Zeit hat er Zeich¬
nungen zu Reinecke Fuchs entworfen, welche leider im Holzschnitt gänzlich
entstellt sind, in den Originalen aber es mit Kaulbach's Bildern, denen sie der
Zeit nach vorangehen, sehr wohl ausnehmen können, trotzdem daß' sie im Um¬
fang und Apparat ungleich bescheidener auftreten.

In der Auffassung der Formen bewährt sich wiederum Richters ursprüng¬
liche Natur, die sich nicht beirren läßt. Die höheren und eigentlich wirksamen
Impulse zu seiner Bildung erhielt Richter, wie schon bemerkt, durch die Meister,
welche bekanntlich nicht nur überhaupt, sondern ganz besonders in der Behand¬
lung der menschlichen Form eine ernste, strenge, ja herbe Richtung verfolgten
und theils das Großartige nicht ohne Härte und Straffheit erstrebten, theils
den Ausdruck des Geistigen durch das möglichst geringe Maß des Sinnlichen
zu erreichen suchten. Dem entsprechend wandte Richter seine Studien, wie in
seiner Jugend den Niederländern und Chodowiecki, so später Albrecht Dürer
zu, dessen Leben der Maria gar nicht mehr von seinem Tische kam. Allein
seine Eigenthümlichkeit wurde dadurch nicht beeinträchtigt, nach wie vor sah er
mit seinen eigenen Augen, und stellte dar, was und wie er sah, und es kann
wol als recht bezeichnend gelten, daß nur da, wo das Conventionelle, Richter's
Natur an sich Fremde, zur Darstellung kommt, in Gestalt und Gewandung ein
Anklang an die strengere Schule bemerkbar wird. Seiner ganzen Natur ist eine
frische Sinnlichkeit gemäß, die eine reine Freude hat an Allem, was gesund,
kräftig und schön ist, und eben so weit von dem Puritanismus entfernt
ist, welcher die reiche Fülle der Natur zur magern Dürftigkeit herunterkasteien
will, als von frivoler Ueppigkeit und Sinnenlust. So einfach und rein wie
Richter's Sinn in Allem ist, zeigt er sich auch hier, und auch hier ist im
Ganzen das Anmuthige und Feine vorherrschend, aber ohne alle Weichlichkeit;
und wie scharf und individuell auch seine Charakteristik in Ernst und Scherz
ist, so läßt er sich doch nie verführen, die zarte Linie des Schönen zu ver-


Es ist wunderbar, mit wie feinem Sinn und wie sicherer Hand Richter durch
wenige Züge den vollen Eindruck der Landschaft hervorzurufen versteht, aus
der die Figuren wie hervorgewachsen sind, und in der sie erst ihr rechtes,
frisches Leben haben. Eine ganz besondere Rolle spielt aber auch die Thier¬
welt, nicht um den herkömmlichen Lückenbüßer abzugeben, sondern mit derselben
Empfänglichkeit sür das Charakteristische aufgefaßt, Wie die Menschen und die
Landschaft. Es ließe sich eine Physiognomik, ja eine Art von Sittengeschichte, na¬
mentlich der Richter'schen Hunde, schreiben. Auch die Thiere bilden ein noth¬
wendiges Element des unmittelbaren frischen Lebens, welche diese Darstellungen
durchdringt, und besonders ist es gar anmuthig, wie sie nicht nur selbstständig
ihre Rolle klug und bescheiden spielen, sondern zu den reizendsten Motiven
auch der Menschenwelt Veranlassung geben. Uebrigens ist ihm auch die
humoristische Thierparodie keineswegs fremd. Vor längerer Zeit hat er Zeich¬
nungen zu Reinecke Fuchs entworfen, welche leider im Holzschnitt gänzlich
entstellt sind, in den Originalen aber es mit Kaulbach's Bildern, denen sie der
Zeit nach vorangehen, sehr wohl ausnehmen können, trotzdem daß' sie im Um¬
fang und Apparat ungleich bescheidener auftreten.

In der Auffassung der Formen bewährt sich wiederum Richters ursprüng¬
liche Natur, die sich nicht beirren läßt. Die höheren und eigentlich wirksamen
Impulse zu seiner Bildung erhielt Richter, wie schon bemerkt, durch die Meister,
welche bekanntlich nicht nur überhaupt, sondern ganz besonders in der Behand¬
lung der menschlichen Form eine ernste, strenge, ja herbe Richtung verfolgten
und theils das Großartige nicht ohne Härte und Straffheit erstrebten, theils
den Ausdruck des Geistigen durch das möglichst geringe Maß des Sinnlichen
zu erreichen suchten. Dem entsprechend wandte Richter seine Studien, wie in
seiner Jugend den Niederländern und Chodowiecki, so später Albrecht Dürer
zu, dessen Leben der Maria gar nicht mehr von seinem Tische kam. Allein
seine Eigenthümlichkeit wurde dadurch nicht beeinträchtigt, nach wie vor sah er
mit seinen eigenen Augen, und stellte dar, was und wie er sah, und es kann
wol als recht bezeichnend gelten, daß nur da, wo das Conventionelle, Richter's
Natur an sich Fremde, zur Darstellung kommt, in Gestalt und Gewandung ein
Anklang an die strengere Schule bemerkbar wird. Seiner ganzen Natur ist eine
frische Sinnlichkeit gemäß, die eine reine Freude hat an Allem, was gesund,
kräftig und schön ist, und eben so weit von dem Puritanismus entfernt
ist, welcher die reiche Fülle der Natur zur magern Dürftigkeit herunterkasteien
will, als von frivoler Ueppigkeit und Sinnenlust. So einfach und rein wie
Richter's Sinn in Allem ist, zeigt er sich auch hier, und auch hier ist im
Ganzen das Anmuthige und Feine vorherrschend, aber ohne alle Weichlichkeit;
und wie scharf und individuell auch seine Charakteristik in Ernst und Scherz
ist, so läßt er sich doch nie verführen, die zarte Linie des Schönen zu ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/225>, abgerufen am 22.07.2024.