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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Städtern sich einen frohen Tag macht. Aber Richter bewährt darin nicht blos im
Allgemeinen einen feinen Takt, sondern stattet diese Figuren und Gruppen mit
einer Fülle natürlicher und ansprechender Motive aus, daß sie in Wahrheit
ihr Leben sür sich führen. Es versteht sich, daß bei dem geringen Umfang,
welcher dem Künstler hier geboten war, mehr nur angedeutet als ausgeführt wer¬
den konnte. Was Richter geleistet hat, kann man freilich nur, wenn man seine
Zeichnungen kennt, nach Verdienst würdigen, nicht nach den Stahlstichen,
welche von routinirten Arbeitern ausgeführt sind, die eine elegante und gefällige
Wirkung zu erreichen geschickt waren, aber nicht feines künstlerisches Gefühl
genug besaßen, um auf Richter's Eigenthümlichkeit einzugehen und diese wieder-
zu geben.

Seine Betheiligung bei diesem Unternehmen führte zu einer nähern Be¬
kanntschaft mit dem Buchhändler Georg Wigand, welche bald zu einer herz¬
lichen Freundschaft zwischen den beiden Männern wurde, die auf die künstlerische
Thätigkeit Richter's einen entscheidenden Einfluß geübt hat. Wie in früheren
guten Zeiten nicht selten Buchhändler, Gelehrte und Künstler sich als verbündet
und befreundet im Dienst höherer Geistesbildung ansahen, und zu gemeinsamem
Wirken vereinigten, so ist auch hier eine Reihe schöner Leistungen durch das
Zusammenwirken praktischer Erfahrung und künstlerischer Production, die sich
in wahrhaftem Interesse für die Kunst begegneten, hervorgerufen worden.
Durch Wigand's Anregung ist Richter zumeist veranlaßt worden, sich dem
Holzschnitt und der Illustration zuzuwenden; Beides hat ihn eigentlich erst
populair gemacht und seinem Namen den Klang gegeben, den jetzt Jeder kennt.
Es kann gar keine Frage sein, daß Richter derjenige deutsche Künstler ist,
welcher diesem Kunstzweige in neuerer Zeit ein eigenthümliches, und zwar das
künstlerische Gepräge gegeben hat, und daß die außerordentliche Thätigkeit,
welche Richter seit einer Reihe von Jahren auf diesem Gebiet entfaltete, für die
geistige Auffassung, wie für die Ausbildung der Technik, von dem bedeutendsten
Einfluß ist.

Zu den ersten Arbeiten der Art gehörten Holzschnitte zu den bei O. Wigand
erschienenen deutschen Volksbüchern, welche leider bei der damals noch weniger
ausgebildeten Holzschneidekunst im Schnitt sehr entstellt sind, und bei denen
Richter sich nicht genannt hatte. Später sprach Kugler (im Kunstblatt 1848,
S. 96) die Vermuthung aus, daß sie von Richter herrührten, da aus ihnen
ein so eigenthümlicher sinnig romantischer Zug hervorleuchte, daß derselbe auf
keinen andern Urheber als auf Richter schließen lasse. Er glaube auch, daß
der Geist unsrer alten Volksbücher als der eigentliche Born zu betrachten sei,
aus welchem er für seine Naivetät, seinen Humor, seine Gemüthlichkeit, seine >
idyllische oder romantische Anmuth, seine warme Feierlichkeit, mit einem Worte,
für sein ganzes deutsches volksthümliches Wesen die entsprechendste Nahrung


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Städtern sich einen frohen Tag macht. Aber Richter bewährt darin nicht blos im
Allgemeinen einen feinen Takt, sondern stattet diese Figuren und Gruppen mit
einer Fülle natürlicher und ansprechender Motive aus, daß sie in Wahrheit
ihr Leben sür sich führen. Es versteht sich, daß bei dem geringen Umfang,
welcher dem Künstler hier geboten war, mehr nur angedeutet als ausgeführt wer¬
den konnte. Was Richter geleistet hat, kann man freilich nur, wenn man seine
Zeichnungen kennt, nach Verdienst würdigen, nicht nach den Stahlstichen,
welche von routinirten Arbeitern ausgeführt sind, die eine elegante und gefällige
Wirkung zu erreichen geschickt waren, aber nicht feines künstlerisches Gefühl
genug besaßen, um auf Richter's Eigenthümlichkeit einzugehen und diese wieder-
zu geben.

Seine Betheiligung bei diesem Unternehmen führte zu einer nähern Be¬
kanntschaft mit dem Buchhändler Georg Wigand, welche bald zu einer herz¬
lichen Freundschaft zwischen den beiden Männern wurde, die auf die künstlerische
Thätigkeit Richter's einen entscheidenden Einfluß geübt hat. Wie in früheren
guten Zeiten nicht selten Buchhändler, Gelehrte und Künstler sich als verbündet
und befreundet im Dienst höherer Geistesbildung ansahen, und zu gemeinsamem
Wirken vereinigten, so ist auch hier eine Reihe schöner Leistungen durch das
Zusammenwirken praktischer Erfahrung und künstlerischer Production, die sich
in wahrhaftem Interesse für die Kunst begegneten, hervorgerufen worden.
Durch Wigand's Anregung ist Richter zumeist veranlaßt worden, sich dem
Holzschnitt und der Illustration zuzuwenden; Beides hat ihn eigentlich erst
populair gemacht und seinem Namen den Klang gegeben, den jetzt Jeder kennt.
Es kann gar keine Frage sein, daß Richter derjenige deutsche Künstler ist,
welcher diesem Kunstzweige in neuerer Zeit ein eigenthümliches, und zwar das
künstlerische Gepräge gegeben hat, und daß die außerordentliche Thätigkeit,
welche Richter seit einer Reihe von Jahren auf diesem Gebiet entfaltete, für die
geistige Auffassung, wie für die Ausbildung der Technik, von dem bedeutendsten
Einfluß ist.

Zu den ersten Arbeiten der Art gehörten Holzschnitte zu den bei O. Wigand
erschienenen deutschen Volksbüchern, welche leider bei der damals noch weniger
ausgebildeten Holzschneidekunst im Schnitt sehr entstellt sind, und bei denen
Richter sich nicht genannt hatte. Später sprach Kugler (im Kunstblatt 1848,
S. 96) die Vermuthung aus, daß sie von Richter herrührten, da aus ihnen
ein so eigenthümlicher sinnig romantischer Zug hervorleuchte, daß derselbe auf
keinen andern Urheber als auf Richter schließen lasse. Er glaube auch, daß
der Geist unsrer alten Volksbücher als der eigentliche Born zu betrachten sei,
aus welchem er für seine Naivetät, seinen Humor, seine Gemüthlichkeit, seine >
idyllische oder romantische Anmuth, seine warme Feierlichkeit, mit einem Worte,
für sein ganzes deutsches volksthümliches Wesen die entsprechendste Nahrung


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[0221] Städtern sich einen frohen Tag macht. Aber Richter bewährt darin nicht blos im Allgemeinen einen feinen Takt, sondern stattet diese Figuren und Gruppen mit einer Fülle natürlicher und ansprechender Motive aus, daß sie in Wahrheit ihr Leben sür sich führen. Es versteht sich, daß bei dem geringen Umfang, welcher dem Künstler hier geboten war, mehr nur angedeutet als ausgeführt wer¬ den konnte. Was Richter geleistet hat, kann man freilich nur, wenn man seine Zeichnungen kennt, nach Verdienst würdigen, nicht nach den Stahlstichen, welche von routinirten Arbeitern ausgeführt sind, die eine elegante und gefällige Wirkung zu erreichen geschickt waren, aber nicht feines künstlerisches Gefühl genug besaßen, um auf Richter's Eigenthümlichkeit einzugehen und diese wieder- zu geben. Seine Betheiligung bei diesem Unternehmen führte zu einer nähern Be¬ kanntschaft mit dem Buchhändler Georg Wigand, welche bald zu einer herz¬ lichen Freundschaft zwischen den beiden Männern wurde, die auf die künstlerische Thätigkeit Richter's einen entscheidenden Einfluß geübt hat. Wie in früheren guten Zeiten nicht selten Buchhändler, Gelehrte und Künstler sich als verbündet und befreundet im Dienst höherer Geistesbildung ansahen, und zu gemeinsamem Wirken vereinigten, so ist auch hier eine Reihe schöner Leistungen durch das Zusammenwirken praktischer Erfahrung und künstlerischer Production, die sich in wahrhaftem Interesse für die Kunst begegneten, hervorgerufen worden. Durch Wigand's Anregung ist Richter zumeist veranlaßt worden, sich dem Holzschnitt und der Illustration zuzuwenden; Beides hat ihn eigentlich erst populair gemacht und seinem Namen den Klang gegeben, den jetzt Jeder kennt. Es kann gar keine Frage sein, daß Richter derjenige deutsche Künstler ist, welcher diesem Kunstzweige in neuerer Zeit ein eigenthümliches, und zwar das künstlerische Gepräge gegeben hat, und daß die außerordentliche Thätigkeit, welche Richter seit einer Reihe von Jahren auf diesem Gebiet entfaltete, für die geistige Auffassung, wie für die Ausbildung der Technik, von dem bedeutendsten Einfluß ist. Zu den ersten Arbeiten der Art gehörten Holzschnitte zu den bei O. Wigand erschienenen deutschen Volksbüchern, welche leider bei der damals noch weniger ausgebildeten Holzschneidekunst im Schnitt sehr entstellt sind, und bei denen Richter sich nicht genannt hatte. Später sprach Kugler (im Kunstblatt 1848, S. 96) die Vermuthung aus, daß sie von Richter herrührten, da aus ihnen ein so eigenthümlicher sinnig romantischer Zug hervorleuchte, daß derselbe auf keinen andern Urheber als auf Richter schließen lasse. Er glaube auch, daß der Geist unsrer alten Volksbücher als der eigentliche Born zu betrachten sei, aus welchem er für seine Naivetät, seinen Humor, seine Gemüthlichkeit, seine > idyllische oder romantische Anmuth, seine warme Feierlichkeit, mit einem Worte, für sein ganzes deutsches volksthümliches Wesen die entsprechendste Nahrung 27*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/221>, abgerufen am 22.07.2024.