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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Rom neu geweckte Geist der deutschen Kunst belebend einwirkte, konnte er ein¬
sam und abgeschlossen zu seinen Studien nur die Abend- und Nachtstunden ver¬
wenden, in denen gezeichnet und copirt wurde, was ihm nur in die Hände
kam. Namentlich zogen ihn Radirungen- niederländischer Meister, und ganz
besonders Chodowiecki's, an, von denen, sein Vater eine schöne Sammlung
besaß, und die frühe Vertrautheit mit dessen gemüthlicher und scharfer Charak¬
teristik ist nicht ohne bildenden Einfluß auf ihn geblieben. Den Tag über
mußte er seinem Vater bei den oft traurigen und keineswegs künstlerisch för¬
dernden Arbeiten helfen, die für den Erwerb gemacht wurden. Zu diesen gehört
auch eine Reihe von 70 Ansichten von Dresden und der sächsischen Schweiz,
in denen man in der Behandlung des Landschaftlichen wie der Staffage den
Sohn schon vom Vater unterscheiden kann. Allein es ist allerdings die Ar¬
beit eines Knaben im Alter von 13 bis 1ö Jahren, die Richter später als
eine Jugendsünde hart verurtheilte; da sie auf gewöhnliche Weise zusammen¬
getragen sei, ohne Charakteristrung und poetische Auffassung, Ansprüche, die
wol kein Billiger an sie erheben möchte.

Im Jahre 1820 entriß ihn diesem Stillleben die Aufforderung des Fürsten
Narischkin, Oberkammerherrn des Kaisers von Rußland, ihn als Zeichner
auf einer Reise nach Frankreich zu begleiten. Freudig ergriff er die dargebotene
Gelegenheit ein Stück Welt zu sehen, und mochte sich wol Glück wünschen, daß
er, durch keinen Einfluß einer Schule beirrt, mit jugendlich unbefangenem Sinn
die Fülle neuer Erscheinungen auf sich wirken lassen, und mit eigenen Augen
sehen und auffassen konnte. Den Winter verlebte er, fleißig arbeitend, in Nizza,
später hielt er sich eine Zeit lang in Paris auf, und kehrte im Sommer 1821
mit reichen Eindrücken, angeregt und gekräftigt ins Vaterhaus zurück. Freilich
brachte er auch die unüberwindliche Sehnsucht nach Italien, in das er kaum
einen Blick gethan hatte, mit heim, ohne daß sich vor der Hand irgend eine Aus¬
sicht auf Erfüllung dieses Wunsches zeigte. Indessen waltete auch hier ein
günstiges Geschick. Der Buchhändler Eh. Arnold kam, um sich nach'einem
Künstler zu erkundigen, zu Richter'S Vater. Dort sah er den Sohn bei der
Arbeit, und faßte vom ersten Augenblick an sür ihn, der dem eigenen kürzlich
verstorbenen Sohne sehr ähnlich sah, eine herzliche Zuneigung, nahm sich
gütig seiner an, und bot ihm bald die Mittel, um mehrere Jahre in Rom un- >
gestört studiren zu können. Ueberglücklich und dankbar ergriff Richter die
rettende Hand, welche sich ihm darbot, und wanderte im Jahre 1823 nach Rom.

Dort hatten Cornelius, Overbeck, Veith, Schmorr zuerst der
Kunst wieder eine ernste Richtung und einen großartigen Charakter gegeben.
Eine kräftige, lebendige Bewegung hatte die gesammte deutsche Künstlerwelt in
Rom erfaßt; ein allgemeines tüchtiges Streben nach dem Wahren und Echten
durchdrang damals das künstlerische Leben, das in einer schönen frischen Blüthe


Rom neu geweckte Geist der deutschen Kunst belebend einwirkte, konnte er ein¬
sam und abgeschlossen zu seinen Studien nur die Abend- und Nachtstunden ver¬
wenden, in denen gezeichnet und copirt wurde, was ihm nur in die Hände
kam. Namentlich zogen ihn Radirungen- niederländischer Meister, und ganz
besonders Chodowiecki's, an, von denen, sein Vater eine schöne Sammlung
besaß, und die frühe Vertrautheit mit dessen gemüthlicher und scharfer Charak¬
teristik ist nicht ohne bildenden Einfluß auf ihn geblieben. Den Tag über
mußte er seinem Vater bei den oft traurigen und keineswegs künstlerisch för¬
dernden Arbeiten helfen, die für den Erwerb gemacht wurden. Zu diesen gehört
auch eine Reihe von 70 Ansichten von Dresden und der sächsischen Schweiz,
in denen man in der Behandlung des Landschaftlichen wie der Staffage den
Sohn schon vom Vater unterscheiden kann. Allein es ist allerdings die Ar¬
beit eines Knaben im Alter von 13 bis 1ö Jahren, die Richter später als
eine Jugendsünde hart verurtheilte; da sie auf gewöhnliche Weise zusammen¬
getragen sei, ohne Charakteristrung und poetische Auffassung, Ansprüche, die
wol kein Billiger an sie erheben möchte.

Im Jahre 1820 entriß ihn diesem Stillleben die Aufforderung des Fürsten
Narischkin, Oberkammerherrn des Kaisers von Rußland, ihn als Zeichner
auf einer Reise nach Frankreich zu begleiten. Freudig ergriff er die dargebotene
Gelegenheit ein Stück Welt zu sehen, und mochte sich wol Glück wünschen, daß
er, durch keinen Einfluß einer Schule beirrt, mit jugendlich unbefangenem Sinn
die Fülle neuer Erscheinungen auf sich wirken lassen, und mit eigenen Augen
sehen und auffassen konnte. Den Winter verlebte er, fleißig arbeitend, in Nizza,
später hielt er sich eine Zeit lang in Paris auf, und kehrte im Sommer 1821
mit reichen Eindrücken, angeregt und gekräftigt ins Vaterhaus zurück. Freilich
brachte er auch die unüberwindliche Sehnsucht nach Italien, in das er kaum
einen Blick gethan hatte, mit heim, ohne daß sich vor der Hand irgend eine Aus¬
sicht auf Erfüllung dieses Wunsches zeigte. Indessen waltete auch hier ein
günstiges Geschick. Der Buchhändler Eh. Arnold kam, um sich nach'einem
Künstler zu erkundigen, zu Richter'S Vater. Dort sah er den Sohn bei der
Arbeit, und faßte vom ersten Augenblick an sür ihn, der dem eigenen kürzlich
verstorbenen Sohne sehr ähnlich sah, eine herzliche Zuneigung, nahm sich
gütig seiner an, und bot ihm bald die Mittel, um mehrere Jahre in Rom un- >
gestört studiren zu können. Ueberglücklich und dankbar ergriff Richter die
rettende Hand, welche sich ihm darbot, und wanderte im Jahre 1823 nach Rom.

Dort hatten Cornelius, Overbeck, Veith, Schmorr zuerst der
Kunst wieder eine ernste Richtung und einen großartigen Charakter gegeben.
Eine kräftige, lebendige Bewegung hatte die gesammte deutsche Künstlerwelt in
Rom erfaßt; ein allgemeines tüchtiges Streben nach dem Wahren und Echten
durchdrang damals das künstlerische Leben, das in einer schönen frischen Blüthe


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[0212] Rom neu geweckte Geist der deutschen Kunst belebend einwirkte, konnte er ein¬ sam und abgeschlossen zu seinen Studien nur die Abend- und Nachtstunden ver¬ wenden, in denen gezeichnet und copirt wurde, was ihm nur in die Hände kam. Namentlich zogen ihn Radirungen- niederländischer Meister, und ganz besonders Chodowiecki's, an, von denen, sein Vater eine schöne Sammlung besaß, und die frühe Vertrautheit mit dessen gemüthlicher und scharfer Charak¬ teristik ist nicht ohne bildenden Einfluß auf ihn geblieben. Den Tag über mußte er seinem Vater bei den oft traurigen und keineswegs künstlerisch för¬ dernden Arbeiten helfen, die für den Erwerb gemacht wurden. Zu diesen gehört auch eine Reihe von 70 Ansichten von Dresden und der sächsischen Schweiz, in denen man in der Behandlung des Landschaftlichen wie der Staffage den Sohn schon vom Vater unterscheiden kann. Allein es ist allerdings die Ar¬ beit eines Knaben im Alter von 13 bis 1ö Jahren, die Richter später als eine Jugendsünde hart verurtheilte; da sie auf gewöhnliche Weise zusammen¬ getragen sei, ohne Charakteristrung und poetische Auffassung, Ansprüche, die wol kein Billiger an sie erheben möchte. Im Jahre 1820 entriß ihn diesem Stillleben die Aufforderung des Fürsten Narischkin, Oberkammerherrn des Kaisers von Rußland, ihn als Zeichner auf einer Reise nach Frankreich zu begleiten. Freudig ergriff er die dargebotene Gelegenheit ein Stück Welt zu sehen, und mochte sich wol Glück wünschen, daß er, durch keinen Einfluß einer Schule beirrt, mit jugendlich unbefangenem Sinn die Fülle neuer Erscheinungen auf sich wirken lassen, und mit eigenen Augen sehen und auffassen konnte. Den Winter verlebte er, fleißig arbeitend, in Nizza, später hielt er sich eine Zeit lang in Paris auf, und kehrte im Sommer 1821 mit reichen Eindrücken, angeregt und gekräftigt ins Vaterhaus zurück. Freilich brachte er auch die unüberwindliche Sehnsucht nach Italien, in das er kaum einen Blick gethan hatte, mit heim, ohne daß sich vor der Hand irgend eine Aus¬ sicht auf Erfüllung dieses Wunsches zeigte. Indessen waltete auch hier ein günstiges Geschick. Der Buchhändler Eh. Arnold kam, um sich nach'einem Künstler zu erkundigen, zu Richter'S Vater. Dort sah er den Sohn bei der Arbeit, und faßte vom ersten Augenblick an sür ihn, der dem eigenen kürzlich verstorbenen Sohne sehr ähnlich sah, eine herzliche Zuneigung, nahm sich gütig seiner an, und bot ihm bald die Mittel, um mehrere Jahre in Rom un- > gestört studiren zu können. Ueberglücklich und dankbar ergriff Richter die rettende Hand, welche sich ihm darbot, und wanderte im Jahre 1823 nach Rom. Dort hatten Cornelius, Overbeck, Veith, Schmorr zuerst der Kunst wieder eine ernste Richtung und einen großartigen Charakter gegeben. Eine kräftige, lebendige Bewegung hatte die gesammte deutsche Künstlerwelt in Rom erfaßt; ein allgemeines tüchtiges Streben nach dem Wahren und Echten durchdrang damals das künstlerische Leben, das in einer schönen frischen Blüthe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/212>, abgerufen am 22.07.2024.