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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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überging. In allen südlichen Gegenden benutzt man die kühle Frische des Mor>
gens zur Arbeit, um während der heißen Mittagszeit die nothwendige Siesta zu
halten. Auch im Hafen ward schnell Alles lebendig, die Fahrzeuge machten ihre
Morgentoilette, und fast auf allen Verdecken waren Matrosen thätig, Eimer an
Stricken herunterzulassen und Wasser zur Reinigung heraufzuziehen. Mehrere
größere Schiffe, die in das atlantische Meer wollten, lichteten unter dem eintönigen
.1--n, 5--o, i--o, --i--0 der Matrosen, dem Arbeitsgesange aller nord¬
europäischen'Seefahrer, die Anker, und spannten die Segel aus, da der Wind
ihnen günstig geworden war. Eins dieser Schiffe zeigte die Flagge meines
engeren Vaterlandes, und ich konnte mich nicht enthalten, dem Capital", der trotz
aller mittelländischen Sonne mit seiner gewohnten Pelzmütze auf dem Kopfe in
dem Mastkorbe- stand, durch unser Sprachrohr eine heimathliche plattdeutsche
Redensart zuzurufen. "Tom Dunnerwäder, dat möst ja ein Mecklenborger wäsen",
schrie mir der sehr Erstaunte durch sein Sprachrohr wieder zurück, und gab mir
Grüße an die Heimath mit, da er von hier ein Wenig nach Schottland segeln
wollte. -- Fünfzehn bis achtzehn, meist große Schiffe, die ausgespannten Segel
von günstigem Winde, gebläht, schwammen bei uns vorüber. Kleine spanische
Schmugglerbarken, die im Schutze der Nacht ihr Wesen getrieben hatten, kamen
statt der auslaufenden Schiffe wieder herein, sich auf's Neue mit Waarenvorrath
zu versorgen. Es waren leichte, sehr schön gebaute Schnellsegler von 16 bis
20 Tonnen Tragfähigkeit, vortrefflich geeignet, in die zahllosen kleinen Buchten
und Felsencanäle der spanischen Küste einzudringen. An dem niedrigen Mast
führten alle ein großes dreieckiges lateinisches Segel von dunkelbrauner Farbe,
das aus der Ferne bei Nacht von den spanischen Zollcarabineros nicht leicht
entdeckt werden kann. Die Bemannung war für die Große der Fahrzeuge sehr
stark, und bestand meist aus 6 -- 8 Männern; die Haare in dem andalusischen
grünen oder rothen Netzbeutel ciufgebuudeu, eine, braune Manchefterjacke fast wie
einen Dolman mit einer Schnur über das roth- und weißgestreifte Hemd gehängt,
standen diese Gesellen auf ihren Fahrzeugen, die so rasch wie Taucherenten
dahin schössen, in müßigen Gruppen umher, wohlgefällig den Dampf ihrer
Papiereigaritos in die blaue Morgenluft blasend. Es waren, so viel man durch
das Glas erkennen konnte, stattliche Männer mit verwegenen Gesichtern, die gewiß
die Pistolen und das lange Messer nicht zum Spaß trugen, dessen silberbeschlagener
Griff aus dem rothen Wollenshawl, den sie als Gürtel um den Leib gewunden,
hervorblitzte. Diese Schmuggler liefern oft deu ,, Carabineros" ernsthafte, sehr
blutige Gefechte, und lassen sich nicht leichten Kaufes ihre Waaren fortnehmen.
Uebrigens soll das ganze Schmugglerwesen, obgleich noch immer beträchtlich genug,
in den letzten Jahren sehr abgenommen haben. Eine strengere Organisation der
Mauthbeamten, die viel besser als früher bezahlt, dafür aber auch viel mehr im
Dienst angestrengt werden, hat das schmuggeln jetzt zu einem sehr gefährlichen


überging. In allen südlichen Gegenden benutzt man die kühle Frische des Mor>
gens zur Arbeit, um während der heißen Mittagszeit die nothwendige Siesta zu
halten. Auch im Hafen ward schnell Alles lebendig, die Fahrzeuge machten ihre
Morgentoilette, und fast auf allen Verdecken waren Matrosen thätig, Eimer an
Stricken herunterzulassen und Wasser zur Reinigung heraufzuziehen. Mehrere
größere Schiffe, die in das atlantische Meer wollten, lichteten unter dem eintönigen
.1—n, 5—o, i—o, —i—0 der Matrosen, dem Arbeitsgesange aller nord¬
europäischen'Seefahrer, die Anker, und spannten die Segel aus, da der Wind
ihnen günstig geworden war. Eins dieser Schiffe zeigte die Flagge meines
engeren Vaterlandes, und ich konnte mich nicht enthalten, dem Capital», der trotz
aller mittelländischen Sonne mit seiner gewohnten Pelzmütze auf dem Kopfe in
dem Mastkorbe- stand, durch unser Sprachrohr eine heimathliche plattdeutsche
Redensart zuzurufen. „Tom Dunnerwäder, dat möst ja ein Mecklenborger wäsen",
schrie mir der sehr Erstaunte durch sein Sprachrohr wieder zurück, und gab mir
Grüße an die Heimath mit, da er von hier ein Wenig nach Schottland segeln
wollte. — Fünfzehn bis achtzehn, meist große Schiffe, die ausgespannten Segel
von günstigem Winde, gebläht, schwammen bei uns vorüber. Kleine spanische
Schmugglerbarken, die im Schutze der Nacht ihr Wesen getrieben hatten, kamen
statt der auslaufenden Schiffe wieder herein, sich auf's Neue mit Waarenvorrath
zu versorgen. Es waren leichte, sehr schön gebaute Schnellsegler von 16 bis
20 Tonnen Tragfähigkeit, vortrefflich geeignet, in die zahllosen kleinen Buchten
und Felsencanäle der spanischen Küste einzudringen. An dem niedrigen Mast
führten alle ein großes dreieckiges lateinisches Segel von dunkelbrauner Farbe,
das aus der Ferne bei Nacht von den spanischen Zollcarabineros nicht leicht
entdeckt werden kann. Die Bemannung war für die Große der Fahrzeuge sehr
stark, und bestand meist aus 6 — 8 Männern; die Haare in dem andalusischen
grünen oder rothen Netzbeutel ciufgebuudeu, eine, braune Manchefterjacke fast wie
einen Dolman mit einer Schnur über das roth- und weißgestreifte Hemd gehängt,
standen diese Gesellen auf ihren Fahrzeugen, die so rasch wie Taucherenten
dahin schössen, in müßigen Gruppen umher, wohlgefällig den Dampf ihrer
Papiereigaritos in die blaue Morgenluft blasend. Es waren, so viel man durch
das Glas erkennen konnte, stattliche Männer mit verwegenen Gesichtern, die gewiß
die Pistolen und das lange Messer nicht zum Spaß trugen, dessen silberbeschlagener
Griff aus dem rothen Wollenshawl, den sie als Gürtel um den Leib gewunden,
hervorblitzte. Diese Schmuggler liefern oft deu ,, Carabineros" ernsthafte, sehr
blutige Gefechte, und lassen sich nicht leichten Kaufes ihre Waaren fortnehmen.
Uebrigens soll das ganze Schmugglerwesen, obgleich noch immer beträchtlich genug,
in den letzten Jahren sehr abgenommen haben. Eine strengere Organisation der
Mauthbeamten, die viel besser als früher bezahlt, dafür aber auch viel mehr im
Dienst angestrengt werden, hat das schmuggeln jetzt zu einem sehr gefährlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/190>, abgerufen am 22.07.2024.