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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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in der Wellingtonstraße selbst, und da Franklin von jeher eine große Vorliebe
sür diese Route hatte, so hat er sie höchst wahrscheinlich eingeschlagen, und ist dann
wahrscheinlich in den Victoriacanal gesegelt, welcher allem Anschein nach in ein
großes Polarbassin , ausmündet, deun das Eis trieb ans dem Wellingtoncanal
herauswärts, und Capitain Penny fand die Temperatur milder, wie er
weiter nördlich kam. In jenen Regionen mag Franklin seinen Entdeckungen
nachgegangen sein, bis seine Schiffe vom Eise eingeschlossen wurden.- Es bleibt
nur noch die Frage übrig, ob er und seiue Mannschaft überhaupt noch am Leben
sein kann, da sie nur auf vier Jahre mit Lebensmitteln versehen waren. Kundige
zweifeln nicht an der Möglichkeit. l)r. Rae, ein Beamter der Hndsonsbaicompagnie,
derselbe, der sich schon bei den frühern Nachforschungen nach Franklin thätig betheiligt
hat, ist ganz dieser Meinung. Er selbst überwinterte 1846 -- 1847 in der Nepulse-
bucht mit 12 Mann, von denen nur zwei Jagdknndige, und zwei Fischer waren.
Feuerung fehlte so gut wie ganz; die Erde, mit welcher das Vorrathshaus be-
worfen war, wurde niemals trocken, sondern gefror nur, und inwendig war es so
kalt, daß Einer Nachts das Knie erfror, obgleich er einen Bettkameraden hatte.
Dennoch litt die Partei nicht Mangel an Lebensmitteln, nnr daß sie während der
kürzesten Tage aus Vorsicht uur einmal des Tages aß, da sie wohl wußten,
wie spät im Frühjahre die Rennthiere vorwärts ziehen würden. Weder die
Kälte, noch die schmale Kost that ihren Kräften Abbruch, denn im Frühjahr legte
Dr. Rae mit einem Begleiter auf einer Exploratioustour mehr als 1000 englische
Meilen zu Fuße zurück, und war bei der Heimkehr zwar etwas abgefallen, aber ge¬
sund und frisch. Als er im Juni 1846 die Uorkfactorei mit seiner Partei ver¬
ließ, war .er mit Mundvorrath ans vier Monate versehen; als er nach einer
Abwesenheit von 14 Monaten und 23 Tagen wieder zurückkehrte, war noch ein
Drittel des mitgenommenen Proviants vorräthig, so daß die Partei in einem ihr
früher unbekannten Lande sich für eigene Anstrengungen für 12 Monate Lebens¬
mittel verschafft hatte. Nach Capitain Penny giebt es im Wellingtoncanal anßer
Bären, Robben und Wallrossen unzählige Seevögel, und ist ein Polarbassin mit
wärmerer Temperatur vorhanden, so sind seine User jedenfalls mit Bisamochsen
und anderem Wild bevölkert.

Auch ist man in England keineswegs gewillt, die Nachforschungen aufzugeben:
bereits ist die Admiralität mit Ausrüstung eiuer audern Expedition beschäftigt,
die so bald als möglich nach dem Nordpolarmeer unter Segel gehen soll. So ist
man bereit. Alles aufzubieten, um wenigstens Kunde von den Verlorenen zu er¬
langen; denn wenn es auch nicht mehr gelingen sollte, Sir I. Franklin lebendig
anzutreffen, so will lvenigstens das dankbare England die Gebeine der wüthigen
Seefahrer in die Heimath zurückbringen.




in der Wellingtonstraße selbst, und da Franklin von jeher eine große Vorliebe
sür diese Route hatte, so hat er sie höchst wahrscheinlich eingeschlagen, und ist dann
wahrscheinlich in den Victoriacanal gesegelt, welcher allem Anschein nach in ein
großes Polarbassin , ausmündet, deun das Eis trieb ans dem Wellingtoncanal
herauswärts, und Capitain Penny fand die Temperatur milder, wie er
weiter nördlich kam. In jenen Regionen mag Franklin seinen Entdeckungen
nachgegangen sein, bis seine Schiffe vom Eise eingeschlossen wurden.- Es bleibt
nur noch die Frage übrig, ob er und seiue Mannschaft überhaupt noch am Leben
sein kann, da sie nur auf vier Jahre mit Lebensmitteln versehen waren. Kundige
zweifeln nicht an der Möglichkeit. l)r. Rae, ein Beamter der Hndsonsbaicompagnie,
derselbe, der sich schon bei den frühern Nachforschungen nach Franklin thätig betheiligt
hat, ist ganz dieser Meinung. Er selbst überwinterte 1846 — 1847 in der Nepulse-
bucht mit 12 Mann, von denen nur zwei Jagdknndige, und zwei Fischer waren.
Feuerung fehlte so gut wie ganz; die Erde, mit welcher das Vorrathshaus be-
worfen war, wurde niemals trocken, sondern gefror nur, und inwendig war es so
kalt, daß Einer Nachts das Knie erfror, obgleich er einen Bettkameraden hatte.
Dennoch litt die Partei nicht Mangel an Lebensmitteln, nnr daß sie während der
kürzesten Tage aus Vorsicht uur einmal des Tages aß, da sie wohl wußten,
wie spät im Frühjahre die Rennthiere vorwärts ziehen würden. Weder die
Kälte, noch die schmale Kost that ihren Kräften Abbruch, denn im Frühjahr legte
Dr. Rae mit einem Begleiter auf einer Exploratioustour mehr als 1000 englische
Meilen zu Fuße zurück, und war bei der Heimkehr zwar etwas abgefallen, aber ge¬
sund und frisch. Als er im Juni 1846 die Uorkfactorei mit seiner Partei ver¬
ließ, war .er mit Mundvorrath ans vier Monate versehen; als er nach einer
Abwesenheit von 14 Monaten und 23 Tagen wieder zurückkehrte, war noch ein
Drittel des mitgenommenen Proviants vorräthig, so daß die Partei in einem ihr
früher unbekannten Lande sich für eigene Anstrengungen für 12 Monate Lebens¬
mittel verschafft hatte. Nach Capitain Penny giebt es im Wellingtoncanal anßer
Bären, Robben und Wallrossen unzählige Seevögel, und ist ein Polarbassin mit
wärmerer Temperatur vorhanden, so sind seine User jedenfalls mit Bisamochsen
und anderem Wild bevölkert.

Auch ist man in England keineswegs gewillt, die Nachforschungen aufzugeben:
bereits ist die Admiralität mit Ausrüstung eiuer audern Expedition beschäftigt,
die so bald als möglich nach dem Nordpolarmeer unter Segel gehen soll. So ist
man bereit. Alles aufzubieten, um wenigstens Kunde von den Verlorenen zu er¬
langen; denn wenn es auch nicht mehr gelingen sollte, Sir I. Franklin lebendig
anzutreffen, so will lvenigstens das dankbare England die Gebeine der wüthigen
Seefahrer in die Heimath zurückbringen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/150>, abgerufen am 25.08.2024.