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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Die Kälber halten sich während der Nacht auf der Prairie auf, und haben hier
hinlängliche Gelegenheit, sich an Gras zu sättigen, wenn sie dnrch die für sie
übrig gelassene Milch nicht befriedigt worden sind. Des Morgens wurden sie
in die Per eingelassen, so aber, daß sie von dem erwachsenen Rindvieh durch
die Zwischenfcmce getrennt waren; hierauf wurden die Mütterliche eine nach der
andern hereingetrieben; sogleich sprang das zugehörige Kalb herbei, und nnn
war es mein Geschäft, das Kalb so lange entfernt zu halten, bis der größere
Theil der Milch für uns Menschen ansgemolken war; den übrigen Theil erhielt
das Kalb. Einige Kühe hielten beim Melken nicht Stand; dann war es wiederum
mein Geschäft, ein ,,r"9<?" um die Hörner zu Schlinge", dasselbe einmal um
einen in der Mitte stehenden Baum zu winden, und jedesmal, sobald die Kuh
sich rührte, scharf anzuziehen; dieses Anziehen mußte oft so lange wiederholt
werden, bis der Kopf der Kuh dicht an dem Baume lag, und bis sie unfähig
wurde, von der Stelle zu gehen. Bei einer von den Kühen, MaeK üevil ge¬
nannt, mußte diese Operation regelmäßig vorgenommen werden; dafür hatte sie
aber einen solchen Haß und zugleich eine solche Furcht vor mir, daß ich es nie
wagen durfte, ohne Stock in ihre Nähe zu treten; dann aber ergriff sie gewiß,
wenn es der Raum gestattete, die Flucht. Eben so wie dieser MaeK clevil mußte
auch ein junger Ochse, der noch an seiner Mutter trank, von mir mit dem roy"
gehalten werden, während seine Mutter gemolken wurde; dafür und weil ich
außerdem beim Marken mit dem Brenneisen und einer andern ihm verhaßten
Operation hilfreiche Hand geleistet hatte, hatte er mir furchtbare Rache geschworen,
und versuchte mehr als einmal, sobald ich nicht besonders Acht ans ihn hatte,
mich niederzurennen.

Sobald die Kühe gemolken waren, und die Kälber ihre Frühstückömilch getrunken
hatten, wurden die obere" Riegel der Gale aufgehoben, während die unteren an
ihrem Platze liegen blieben; alles erwachsene Rindvieh schritt über die unteren
Riegel hinweg in's Freie, und zog langsam grasend mehr oder weniger weit von
der Farm fort, wo gute Weide und frisches Wasser zu finden waren. Die Kälber
blieben in der Per, und sehnten sich den ganzen Tag nach dem Abend, wo unter
der Anführung ihrer Mütter die ganze Herde einziehen würde. Bisweilen näherte
sich die Herde frühzeitig der Farm, und vertrieb sich dann die Zeit, indem sie ruhig die
verschiedenen Grassorten kostete, oder Knochen kaute, oder der Rapierfechterei
zweier eifersüchtiger Bullen zusah. Die Kühe waren bei solcher Gelegenheit sehr
ruhige Zuschauer, und erwarteten still und bescheiden den Ausfall des Kampfes,
deren Preis sie selbst, oder wenigstens eine von ihnen war, während die Ochsen
frohlockend umhersprangen, einander neckten, und, wie Knaben beim Soldaten¬
spielen, mit einem gewissen Selbstgefühl den unkriegerischen Damen zu zeigen
schienen, daß sie auch solche Kämpfe ausführen könnten, wenn das leidige "Wenn"
nicht wäre. Halbe Meilen weit hörte man die wüthenden Bullen brüllen, und


Die Kälber halten sich während der Nacht auf der Prairie auf, und haben hier
hinlängliche Gelegenheit, sich an Gras zu sättigen, wenn sie dnrch die für sie
übrig gelassene Milch nicht befriedigt worden sind. Des Morgens wurden sie
in die Per eingelassen, so aber, daß sie von dem erwachsenen Rindvieh durch
die Zwischenfcmce getrennt waren; hierauf wurden die Mütterliche eine nach der
andern hereingetrieben; sogleich sprang das zugehörige Kalb herbei, und nnn
war es mein Geschäft, das Kalb so lange entfernt zu halten, bis der größere
Theil der Milch für uns Menschen ansgemolken war; den übrigen Theil erhielt
das Kalb. Einige Kühe hielten beim Melken nicht Stand; dann war es wiederum
mein Geschäft, ein ,,r»9<?" um die Hörner zu Schlinge«, dasselbe einmal um
einen in der Mitte stehenden Baum zu winden, und jedesmal, sobald die Kuh
sich rührte, scharf anzuziehen; dieses Anziehen mußte oft so lange wiederholt
werden, bis der Kopf der Kuh dicht an dem Baume lag, und bis sie unfähig
wurde, von der Stelle zu gehen. Bei einer von den Kühen, MaeK üevil ge¬
nannt, mußte diese Operation regelmäßig vorgenommen werden; dafür hatte sie
aber einen solchen Haß und zugleich eine solche Furcht vor mir, daß ich es nie
wagen durfte, ohne Stock in ihre Nähe zu treten; dann aber ergriff sie gewiß,
wenn es der Raum gestattete, die Flucht. Eben so wie dieser MaeK clevil mußte
auch ein junger Ochse, der noch an seiner Mutter trank, von mir mit dem roy«
gehalten werden, während seine Mutter gemolken wurde; dafür und weil ich
außerdem beim Marken mit dem Brenneisen und einer andern ihm verhaßten
Operation hilfreiche Hand geleistet hatte, hatte er mir furchtbare Rache geschworen,
und versuchte mehr als einmal, sobald ich nicht besonders Acht ans ihn hatte,
mich niederzurennen.

Sobald die Kühe gemolken waren, und die Kälber ihre Frühstückömilch getrunken
hatten, wurden die obere« Riegel der Gale aufgehoben, während die unteren an
ihrem Platze liegen blieben; alles erwachsene Rindvieh schritt über die unteren
Riegel hinweg in's Freie, und zog langsam grasend mehr oder weniger weit von
der Farm fort, wo gute Weide und frisches Wasser zu finden waren. Die Kälber
blieben in der Per, und sehnten sich den ganzen Tag nach dem Abend, wo unter
der Anführung ihrer Mütter die ganze Herde einziehen würde. Bisweilen näherte
sich die Herde frühzeitig der Farm, und vertrieb sich dann die Zeit, indem sie ruhig die
verschiedenen Grassorten kostete, oder Knochen kaute, oder der Rapierfechterei
zweier eifersüchtiger Bullen zusah. Die Kühe waren bei solcher Gelegenheit sehr
ruhige Zuschauer, und erwarteten still und bescheiden den Ausfall des Kampfes,
deren Preis sie selbst, oder wenigstens eine von ihnen war, während die Ochsen
frohlockend umhersprangen, einander neckten, und, wie Knaben beim Soldaten¬
spielen, mit einem gewissen Selbstgefühl den unkriegerischen Damen zu zeigen
schienen, daß sie auch solche Kämpfe ausführen könnten, wenn das leidige „Wenn"
nicht wäre. Halbe Meilen weit hörte man die wüthenden Bullen brüllen, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/113>, abgerufen am 22.07.2024.