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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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ihrer Verfassung sei die Trennung der beiden Staatsgebiete ebenso wichtig, als
für uns. Di> Presse hat diesen Gedanken mit unermüdlicher Ausdauer, mit
Geist und Patriotismus durchgeführt; sie war der einzige, treue und feste Ver¬
bündete, den wir in der östreichischen Presse hatten -- denn der Wanderer,
obgleich ebenfalls gut gesinnt, hat es niemals gewagt mit einer ähnlichen Ent¬
schiedenheit aufzutreten, und die Ostdeutsche Post, obgleich in deu inneren
Fragen liberal, ist doch zu sehr von dem Habsburgischen A. E. I. O. U. durch¬
drungen, um nicht gern das deutsche Gebiet ihrem Herrn und Kaiser unterworfen
zu sehen, und zu eingenommen gegen Preußen, um diesem Emporkömmling irgend
einen Erwerb zu gönnen. -- Die Presse hat mit einem unerhörten Muth und einer
nicht geung anzuerkennenden Aufopferung gegen die willkührlichen Verfolgungen
der Regierung angekämpft; sie ist endlich der brutalen Gewalt unterlegen. --
Ebenso ist es -- doch wohl um für kurze Zeit -- der Neu en H essischeu ergangen;
das Organ uuserer Partei in Sachsen, das Neue Dresdner Journal, ist
bereits dnrch die Sächsische Constitutionelle Zeitung ersetzt, die gegen
ihre Vorgängerin den großen Vortheil hat, nicht mehr von antiquirten und un¬
haltbaren Voraussetzungen ausgehen zu dürfen, und die wir der Aufmerksamkeit
aller Patrioten dringend empfehlen.

Zwei Blätter sind von uus abgefallen: die Deutsche Reform und die
Deutsche Allgemeine Zeitung. -- Die Deutsche Reform wird für den
künftigen Geschichtschreiber eine sehr wichtige Quelle sein; ans keinem Blatt, es
möge gegen Preußen noch so feindlich gesinnt sein, wird man ein so widerliches
Bild des preußischen Wankelmuths und der preußischen Unentschlossenheit ent¬
nehmen können. -- Ich will von der Zeit gar nicht reden, wo die Deutsche
Reform einer andern Partei angehörte, aber anch seitdem sie von der jetzigen
Regierung übernommen wurde, hat sie mit eiuer Unbefangenheit und Bonhommie
changirr, die etwas Erstaunliches hat. Mit der größten Naivität hat sie hente
als den größten Unsinn und die frevelhafteste Rechtsverletzung proclamirt, was
sie gestern als unumstößlichste Nothwendigkeit, als erhabenste Staatsweisheit, als
göttliches Recht verkündigte. Um die Sache denn doch ein wenig zu beschönigen,
fand man am Schlüsse des Blattes von Zeit zu Zeit einen andern Namen:
Großmann (ich glaube wenigstens, daß er so hieß), dann eine Weile gar keinen
(die Neue Pr. Z. substituirte sehr passend den Hofbuchdrucker Decker), dann
Hahn, dann S. Cassel. Während seine Literaten sich für das Vaterland auf¬
opferten, saß das hohe Ministerium selbst in unwandelbarer olympischer Ruhe, und
sah in gottähnlicher Gelassenheit dem bunten Treiben zu. Es versicherte von
Zeit zu Zeit durch deu Mund seines beredtesten, geistreichsten Mitglieds, daß es
aus ehrlichen Männern bestehe, daß es fest an seinen Ideen halte, daß es aber
über den vorliegenden Fall nichts zu sagen habe. Für welche Versicherung der
unter der D. Res. unterzeichnete Name Bürgschaft leistete. -- Seitdem sich das


ihrer Verfassung sei die Trennung der beiden Staatsgebiete ebenso wichtig, als
für uns. Di> Presse hat diesen Gedanken mit unermüdlicher Ausdauer, mit
Geist und Patriotismus durchgeführt; sie war der einzige, treue und feste Ver¬
bündete, den wir in der östreichischen Presse hatten — denn der Wanderer,
obgleich ebenfalls gut gesinnt, hat es niemals gewagt mit einer ähnlichen Ent¬
schiedenheit aufzutreten, und die Ostdeutsche Post, obgleich in deu inneren
Fragen liberal, ist doch zu sehr von dem Habsburgischen A. E. I. O. U. durch¬
drungen, um nicht gern das deutsche Gebiet ihrem Herrn und Kaiser unterworfen
zu sehen, und zu eingenommen gegen Preußen, um diesem Emporkömmling irgend
einen Erwerb zu gönnen. — Die Presse hat mit einem unerhörten Muth und einer
nicht geung anzuerkennenden Aufopferung gegen die willkührlichen Verfolgungen
der Regierung angekämpft; sie ist endlich der brutalen Gewalt unterlegen. —
Ebenso ist es — doch wohl um für kurze Zeit — der Neu en H essischeu ergangen;
das Organ uuserer Partei in Sachsen, das Neue Dresdner Journal, ist
bereits dnrch die Sächsische Constitutionelle Zeitung ersetzt, die gegen
ihre Vorgängerin den großen Vortheil hat, nicht mehr von antiquirten und un¬
haltbaren Voraussetzungen ausgehen zu dürfen, und die wir der Aufmerksamkeit
aller Patrioten dringend empfehlen.

Zwei Blätter sind von uus abgefallen: die Deutsche Reform und die
Deutsche Allgemeine Zeitung. — Die Deutsche Reform wird für den
künftigen Geschichtschreiber eine sehr wichtige Quelle sein; ans keinem Blatt, es
möge gegen Preußen noch so feindlich gesinnt sein, wird man ein so widerliches
Bild des preußischen Wankelmuths und der preußischen Unentschlossenheit ent¬
nehmen können. — Ich will von der Zeit gar nicht reden, wo die Deutsche
Reform einer andern Partei angehörte, aber anch seitdem sie von der jetzigen
Regierung übernommen wurde, hat sie mit eiuer Unbefangenheit und Bonhommie
changirr, die etwas Erstaunliches hat. Mit der größten Naivität hat sie hente
als den größten Unsinn und die frevelhafteste Rechtsverletzung proclamirt, was
sie gestern als unumstößlichste Nothwendigkeit, als erhabenste Staatsweisheit, als
göttliches Recht verkündigte. Um die Sache denn doch ein wenig zu beschönigen,
fand man am Schlüsse des Blattes von Zeit zu Zeit einen andern Namen:
Großmann (ich glaube wenigstens, daß er so hieß), dann eine Weile gar keinen
(die Neue Pr. Z. substituirte sehr passend den Hofbuchdrucker Decker), dann
Hahn, dann S. Cassel. Während seine Literaten sich für das Vaterland auf¬
opferten, saß das hohe Ministerium selbst in unwandelbarer olympischer Ruhe, und
sah in gottähnlicher Gelassenheit dem bunten Treiben zu. Es versicherte von
Zeit zu Zeit durch deu Mund seines beredtesten, geistreichsten Mitglieds, daß es
aus ehrlichen Männern bestehe, daß es fest an seinen Ideen halte, daß es aber
über den vorliegenden Fall nichts zu sagen habe. Für welche Versicherung der
unter der D. Res. unterzeichnete Name Bürgschaft leistete. — Seitdem sich das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/84>, abgerufen am 24.07.2024.