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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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rechte, oder mit völliger Beseitigung aller Fürsten. Unsere Gegner müssen
entweder die Fahne des Absolutismus oder die Fahne der Republik aufpflanzen.
Im ersten Fall -- wenn man die Verfassungen abschasst -- kann der deutsche
Bund unter dem Protectorat der heiligen Allianz, d. h. unter dem Schutze
Rußlands, uoch eine Weile sortbestehn; der letztere Fall ist zu einfach, um ihn
zu besprechen.

Um ein Mißverständniß zu vermeiden, müssen wir noch Eines hinzufügen.
Man kaun von keiner Regierung verlangen, was man selbst nicht durchführen
könnte, wenn mau sich an ihre Stelle versetzt. Daß für den Augenblick die
Durchführung der Union auch dem liberalsten Ministerium unmöglich wäre, sieht
Jedermann ein. Wir haben aber jedes politische Ereigniß von dem Gesichts¬
punkte zu betrachten, ob es die Annäherung dieses letzten Ziels fördert oder
hemmt. Vor dem 2. December thaten wir dies in der Form, als setzten wir
bei der preußischen Regierung im Wesentlichen die gleiche Absicht voraus, und
tadelten nur ihren Mangel an Energie, Consequenz und G e Schicklichkeit; seitdem,
sich aber das Organ dieser Regierung feierlich von der Politik des 26. Mai
losgesagt hat, haben wir die Rückschritte als Folgen einer im Princip falschen
Politik anzugreifen.

In unserer Uebersicht der gegenwärtigen Parteistandpunkte, wie sie sich in
der Presse aussprechen, werden wir also unsere Gegner rechts als Absolutisten,
unsere Gegner links als Demokraten bezeichnen. Wenn die einen versichern, sie
wollten ungeachtet des in allgemeinen Angelegenheiten ohne ständische Mitwirkung
entscheidenden Bundestags dennoch in den einzelnen Staaten constitutionelle
Formen fortbestehen lassen, so wird uus das eben so wenig irren, als wenn die
andern erklären, das Fortbestehen der Fürsten werde durch die Souveränität eines
deutschen Parlaments nicht angetastet. Namentlich die entschiedenen Verfechter
der ersten Richtung, z. B. die Neue Pr. Z., haben sich über die Befugnisse der
Kammern mit so hinreichender Offenheit ausgesprochen, daß von dieser Seite
kein Zweifel fortbestehen kann. Und was sich die Demokraten unter Fürsten
denken mögen, die einerseits von den Landesständen beschränkt werden, anderer¬
seits der souveränen Nationalversammlung gehorchen müssen, ist vollends nicht zu
sagen.

Unser nächster Kampf gilt aber denjenigen, die in diese einfachen und hand¬
greiflichen Verhältnisse den Schein und die Lüge einführen möchten: der Partei
des Bundestages mit Nationalrepräsentation, die sich bisher die großdeutsche
nannte, die sich aber nun, um sich von der östreichisch-preußischen zu unterscheiden,
nach einem audern Namen wird umsehen müssen. Wir schlagen den Namen mit¬
teldeutsche vor, da sie sich auf die Mittelstaaten stützt, die gern Großstaaten
sein möchten, vor Allem auf Baiern.

Wir beginnen in unserer Uebersicht mit unserer eignen Partei. -- Da sie


rechte, oder mit völliger Beseitigung aller Fürsten. Unsere Gegner müssen
entweder die Fahne des Absolutismus oder die Fahne der Republik aufpflanzen.
Im ersten Fall — wenn man die Verfassungen abschasst — kann der deutsche
Bund unter dem Protectorat der heiligen Allianz, d. h. unter dem Schutze
Rußlands, uoch eine Weile sortbestehn; der letztere Fall ist zu einfach, um ihn
zu besprechen.

Um ein Mißverständniß zu vermeiden, müssen wir noch Eines hinzufügen.
Man kaun von keiner Regierung verlangen, was man selbst nicht durchführen
könnte, wenn mau sich an ihre Stelle versetzt. Daß für den Augenblick die
Durchführung der Union auch dem liberalsten Ministerium unmöglich wäre, sieht
Jedermann ein. Wir haben aber jedes politische Ereigniß von dem Gesichts¬
punkte zu betrachten, ob es die Annäherung dieses letzten Ziels fördert oder
hemmt. Vor dem 2. December thaten wir dies in der Form, als setzten wir
bei der preußischen Regierung im Wesentlichen die gleiche Absicht voraus, und
tadelten nur ihren Mangel an Energie, Consequenz und G e Schicklichkeit; seitdem,
sich aber das Organ dieser Regierung feierlich von der Politik des 26. Mai
losgesagt hat, haben wir die Rückschritte als Folgen einer im Princip falschen
Politik anzugreifen.

In unserer Uebersicht der gegenwärtigen Parteistandpunkte, wie sie sich in
der Presse aussprechen, werden wir also unsere Gegner rechts als Absolutisten,
unsere Gegner links als Demokraten bezeichnen. Wenn die einen versichern, sie
wollten ungeachtet des in allgemeinen Angelegenheiten ohne ständische Mitwirkung
entscheidenden Bundestags dennoch in den einzelnen Staaten constitutionelle
Formen fortbestehen lassen, so wird uus das eben so wenig irren, als wenn die
andern erklären, das Fortbestehen der Fürsten werde durch die Souveränität eines
deutschen Parlaments nicht angetastet. Namentlich die entschiedenen Verfechter
der ersten Richtung, z. B. die Neue Pr. Z., haben sich über die Befugnisse der
Kammern mit so hinreichender Offenheit ausgesprochen, daß von dieser Seite
kein Zweifel fortbestehen kann. Und was sich die Demokraten unter Fürsten
denken mögen, die einerseits von den Landesständen beschränkt werden, anderer¬
seits der souveränen Nationalversammlung gehorchen müssen, ist vollends nicht zu
sagen.

Unser nächster Kampf gilt aber denjenigen, die in diese einfachen und hand¬
greiflichen Verhältnisse den Schein und die Lüge einführen möchten: der Partei
des Bundestages mit Nationalrepräsentation, die sich bisher die großdeutsche
nannte, die sich aber nun, um sich von der östreichisch-preußischen zu unterscheiden,
nach einem audern Namen wird umsehen müssen. Wir schlagen den Namen mit¬
teldeutsche vor, da sie sich auf die Mittelstaaten stützt, die gern Großstaaten
sein möchten, vor Allem auf Baiern.

Wir beginnen in unserer Uebersicht mit unserer eignen Partei. — Da sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/82>, abgerufen am 24.07.2024.