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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Weile sperren, zaudern, verhandeln wird, bis Oestreich, fortan der Leiter und
Herr des neuen Bundes, durch seiue Energie und die Unterstützung seiner Bundes¬
genossen die Zolleinigung durchsetzen wird, welche der Hintergrund seiner deut¬
schen Pläne, und für seine Staatsmänner das Radicalmittel gegen Bankerott und
Verfall ist, und zwar durchsetzen wird durch Stimmenmehrheit trotz Preußen,
ja möglicherweise mit Hilfe derselben Regierung, welche jetzt eine solche Zukunft
für unmöglich erklärt. Und selbst wenn Preußen dann, wieder zu spät, gegen
dieselbe Politik Front machte, welcher es sich jetzt so unmännlich unterworfen hat,
was wird ihm dann der Widerstand nützen? Viel schlechter wird seine Position
sein, wenn es als anfsätziges Bnndesglied gegen die gesetzliche Majorität
opponire, als sie jetzt war; noch viel sichrer wird das Auftreten Oestreichs sein,
welches jetzt durch alle die renommirenden Rüstungen Preußens durchgesehen hat,
daß die gegenwärtige Regierung dieses Staates Alles den Schrecken eines
Krieges vorzieht. Dann werden alle Theile des Volkes jene Friedenspolitik
verwünschen, welche jetzt den Ruhigen so lockend erscheint. Der Gutsbesitzer
wird sich entsetzen bei der Allssicht, den Durchschnittspreis des preußischen Scheffels
Roggen etwa um Vg Thlr., den Werth seines Mastviehs Md seiner Wolle in
entsprechendem Verhältniß, verringert und sich in seiner Bodenrenke und dem Werth
seines Grundbesitzes um fünfzig Jahre zurückversetzt zu sehen. Der Leinwand- und
WollenfabrikantMrd sich entsetzen, einer Concurrenz mit östreichischen, mährischen und
böhmischen Bnckskins und Linnen ausgesetzt zu sein, deren Fabrikanten bei den Cnl-
tnrverhältnissen des Kaiserstaatö ihre Rohstoffe und Arbeitskraft billiger erwerben, als
der norddeutsche es kaun. Alle Classen der Bürger werden betroffen werden, wenn
die gewöhnlichen Waaren des Auslands durch höhern Eingangszoll verthenert und
die Finanzeinncchmcn Preußens aus einer Ceutralbuudeöcasse, bei welcher die
Einnahme nach dem Princip der Kopfzahl anch ans Oestreich repartirt wird,
verringert erscheinen. -- Schon jetzt schreit die Kreuzzeitung, das kaiserliche Blatt
in Preußen, ängstlich gegen diese Zolleinigung, lind aus ihr dieselbe Partei, die
in verkehrter Politik Alles gethan hat, eine solche Zolleinignng wahrscheinlich zu
machen.

Wir wissen nichts Sicheres, aber wir fürchten Alles. -- Das war die
Stimmung der letzten Woche. Wie die Entscheidung auch falle, sie wird das
unsichere Mißvergnügen aufheben, welches jetzt wie ein Alp anf der Nation liegt.




Weile sperren, zaudern, verhandeln wird, bis Oestreich, fortan der Leiter und
Herr des neuen Bundes, durch seiue Energie und die Unterstützung seiner Bundes¬
genossen die Zolleinigung durchsetzen wird, welche der Hintergrund seiner deut¬
schen Pläne, und für seine Staatsmänner das Radicalmittel gegen Bankerott und
Verfall ist, und zwar durchsetzen wird durch Stimmenmehrheit trotz Preußen,
ja möglicherweise mit Hilfe derselben Regierung, welche jetzt eine solche Zukunft
für unmöglich erklärt. Und selbst wenn Preußen dann, wieder zu spät, gegen
dieselbe Politik Front machte, welcher es sich jetzt so unmännlich unterworfen hat,
was wird ihm dann der Widerstand nützen? Viel schlechter wird seine Position
sein, wenn es als anfsätziges Bnndesglied gegen die gesetzliche Majorität
opponire, als sie jetzt war; noch viel sichrer wird das Auftreten Oestreichs sein,
welches jetzt durch alle die renommirenden Rüstungen Preußens durchgesehen hat,
daß die gegenwärtige Regierung dieses Staates Alles den Schrecken eines
Krieges vorzieht. Dann werden alle Theile des Volkes jene Friedenspolitik
verwünschen, welche jetzt den Ruhigen so lockend erscheint. Der Gutsbesitzer
wird sich entsetzen bei der Allssicht, den Durchschnittspreis des preußischen Scheffels
Roggen etwa um Vg Thlr., den Werth seines Mastviehs Md seiner Wolle in
entsprechendem Verhältniß, verringert und sich in seiner Bodenrenke und dem Werth
seines Grundbesitzes um fünfzig Jahre zurückversetzt zu sehen. Der Leinwand- und
WollenfabrikantMrd sich entsetzen, einer Concurrenz mit östreichischen, mährischen und
böhmischen Bnckskins und Linnen ausgesetzt zu sein, deren Fabrikanten bei den Cnl-
tnrverhältnissen des Kaiserstaatö ihre Rohstoffe und Arbeitskraft billiger erwerben, als
der norddeutsche es kaun. Alle Classen der Bürger werden betroffen werden, wenn
die gewöhnlichen Waaren des Auslands durch höhern Eingangszoll verthenert und
die Finanzeinncchmcn Preußens aus einer Ceutralbuudeöcasse, bei welcher die
Einnahme nach dem Princip der Kopfzahl anch ans Oestreich repartirt wird,
verringert erscheinen. — Schon jetzt schreit die Kreuzzeitung, das kaiserliche Blatt
in Preußen, ängstlich gegen diese Zolleinigung, lind aus ihr dieselbe Partei, die
in verkehrter Politik Alles gethan hat, eine solche Zolleinignng wahrscheinlich zu
machen.

Wir wissen nichts Sicheres, aber wir fürchten Alles. — Das war die
Stimmung der letzten Woche. Wie die Entscheidung auch falle, sie wird das
unsichere Mißvergnügen aufheben, welches jetzt wie ein Alp anf der Nation liegt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/57>, abgerufen am 04.07.2024.