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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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eines freien tapfern HerrengeschlechtS, welche der Ahn sich selbst ans das trotzige
Haupt gedrückt und sein Enkel so hoch getragen hatte, daß ihr Glanz die Kai-
serangen in der Hofburg zu Wien zucken machte. -- Nun, desto größer ist jetzt die
Ehre. -- Und noch ein Unterschied ist zwischen einst und jetzt. Jenem König
Ottokar schoß das Blut in das Antlitz, als er seine Demüthigung offenkundig
sah, er ermannte sich, griff nach seinem Schwert, und schlug sich um die
gekränkte Ehre, bis er Thron und Leben verlor. Der Tropf! Gegenwärtig ist
man ruhiger, man schämt sich nicht mehr, wenigstens nicht sehr, man fängt wegen
so etwas anch keinen Krieg mehr an ; und wenn damals der böhmische Grundherr,
der uuter dem Zeichen des Kreuzes seinen Ritterschlag erhalten hatte, nach Schwert
und Streitart rief, um die Ehre des Vaterlandes und seines Lehnsherrn zu
wahren, so ist heut bei der preußischen Adelspartei, welche wieder unter dem
Zeichen des Kreuzes ihre Ritterwürde sehr lebhast fühlt, äußerst friedliche und den
Habsburgern ergebene Gesinnung zu finden. -- Die Zeiten sind viel cultivirter.
Und doch wäre es ungerecht, die preußische Hofpartei für unempfindlich zu halten
gegen die Kränkungen, welche Preußen durch das Cabinet Schwarzenberg erfahren
hat. Sie hat im Gegentheil ein besonderes Gefühl für Preußens Ehre und Würde;
deun daß Fürst Schwarzenberg bei seinem Aufenthalt in Berlin im königlichen
Schlosse gewohnt hat, ja noch mehr, daß er in der königlichen Theaterloge eine
schwarze Cravatte um den Hals geschlungen hatte, statt der gesetzlichen weißen,
das erschien der respectabeln Partei der ministeriellen Aristokraten doch bedenklich
und.hätte sie fast zu dem Glauben gebracht, daß gegenwärtig Etwas an Preußen
verdorben werde. Die Olmützer Pnncnition hatten diese Herren gepriesen, das
berüchtigte Rundschreiben Schwarzenberg'S geistvoll mit den Worten entschuldigt:
,,Wir haben auch Rundschreiben erlassen, wenn wir die publiciren wollten!"; aber
das frivole schwarze Halstuch des östreichischen Ministers wurmte sie; denn was
für deu Cavalier in Toilette und Wohnung geziemend sei, verstehen sie. Und sie
hatten Grund zum Aerger. Wie übermüthig trug der fremde Münster sein schwarzes
Tuch vor den Angen seines königlichen Hauswirths, der ihn in seiner Väter
Schloß aufgenommen hatte, um die Habsburger zu Mitregenten seines Erbes zu
machen. Mein Fürst aus Wien, Sie galten zu Ihrer Zeit für eiuen der elegan¬
testen Cavaliere in Enropa, Sie haben einst so gut verstanden das weiße Tuch
der Ehrfurcht zu tragen und doch als liebenswürdig begehrt zu werdeu; warum
mußten Sie Ihre Freunde und Verehrer in Berlin durch eine Nachlässigkeit der
Toilette verletzen, welche den ohnedies Furchtsamen und Gedruckten so schmerzhaft
und eindringlich predigte, daß man ihnen gegenüber besondere Regards nicht mehr
nöthig habe?

Die öffentliche Meinung in Preußen ist gegenwärtig in einem beunruhigenden
Schwanken" Als das Ministerium die Mobilisiruug der Armee anordnete, er¬
wachte ein kriegerischer Enthusiasmus. Ein einziger männlicher Schritt der Krone


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eines freien tapfern HerrengeschlechtS, welche der Ahn sich selbst ans das trotzige
Haupt gedrückt und sein Enkel so hoch getragen hatte, daß ihr Glanz die Kai-
serangen in der Hofburg zu Wien zucken machte. — Nun, desto größer ist jetzt die
Ehre. — Und noch ein Unterschied ist zwischen einst und jetzt. Jenem König
Ottokar schoß das Blut in das Antlitz, als er seine Demüthigung offenkundig
sah, er ermannte sich, griff nach seinem Schwert, und schlug sich um die
gekränkte Ehre, bis er Thron und Leben verlor. Der Tropf! Gegenwärtig ist
man ruhiger, man schämt sich nicht mehr, wenigstens nicht sehr, man fängt wegen
so etwas anch keinen Krieg mehr an ; und wenn damals der böhmische Grundherr,
der uuter dem Zeichen des Kreuzes seinen Ritterschlag erhalten hatte, nach Schwert
und Streitart rief, um die Ehre des Vaterlandes und seines Lehnsherrn zu
wahren, so ist heut bei der preußischen Adelspartei, welche wieder unter dem
Zeichen des Kreuzes ihre Ritterwürde sehr lebhast fühlt, äußerst friedliche und den
Habsburgern ergebene Gesinnung zu finden. — Die Zeiten sind viel cultivirter.
Und doch wäre es ungerecht, die preußische Hofpartei für unempfindlich zu halten
gegen die Kränkungen, welche Preußen durch das Cabinet Schwarzenberg erfahren
hat. Sie hat im Gegentheil ein besonderes Gefühl für Preußens Ehre und Würde;
deun daß Fürst Schwarzenberg bei seinem Aufenthalt in Berlin im königlichen
Schlosse gewohnt hat, ja noch mehr, daß er in der königlichen Theaterloge eine
schwarze Cravatte um den Hals geschlungen hatte, statt der gesetzlichen weißen,
das erschien der respectabeln Partei der ministeriellen Aristokraten doch bedenklich
und.hätte sie fast zu dem Glauben gebracht, daß gegenwärtig Etwas an Preußen
verdorben werde. Die Olmützer Pnncnition hatten diese Herren gepriesen, das
berüchtigte Rundschreiben Schwarzenberg'S geistvoll mit den Worten entschuldigt:
,,Wir haben auch Rundschreiben erlassen, wenn wir die publiciren wollten!"; aber
das frivole schwarze Halstuch des östreichischen Ministers wurmte sie; denn was
für deu Cavalier in Toilette und Wohnung geziemend sei, verstehen sie. Und sie
hatten Grund zum Aerger. Wie übermüthig trug der fremde Münster sein schwarzes
Tuch vor den Angen seines königlichen Hauswirths, der ihn in seiner Väter
Schloß aufgenommen hatte, um die Habsburger zu Mitregenten seines Erbes zu
machen. Mein Fürst aus Wien, Sie galten zu Ihrer Zeit für eiuen der elegan¬
testen Cavaliere in Enropa, Sie haben einst so gut verstanden das weiße Tuch
der Ehrfurcht zu tragen und doch als liebenswürdig begehrt zu werdeu; warum
mußten Sie Ihre Freunde und Verehrer in Berlin durch eine Nachlässigkeit der
Toilette verletzen, welche den ohnedies Furchtsamen und Gedruckten so schmerzhaft
und eindringlich predigte, daß man ihnen gegenüber besondere Regards nicht mehr
nöthig habe?

Die öffentliche Meinung in Preußen ist gegenwärtig in einem beunruhigenden
Schwanken» Als das Ministerium die Mobilisiruug der Armee anordnete, er¬
wachte ein kriegerischer Enthusiasmus. Ein einziger männlicher Schritt der Krone


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/55>, abgerufen am 24.07.2024.