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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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jenigen, die um der Industrie willen Hinreisen, auch eine große Menge Neugieriger die
Gelegenheit benutzen werden, um London in seinem vollen Glänze zu sehen. Es ist
freilich unbestreitbar, daß der ungeheure Zusammenfluß von Nationen aus allen Weltge¬
genden der Riesenstadt einen Anblick geben wird, der für den Fremden wie für den
Einheimischen etwas Jmponirendes haben muß; aber man darf auch nicht die Kehrseite
des Gemäldes aus den Augen lassen. Wir machen unsere Leser auf einen Aufsatz im
Februarhefte von Fraser's Magazine aufmerksam, in welchem die Annehmlichkeiten des
dortigen Aufenthalts in einer nicht sehr reizenden Weise dargestellt werden. Man rech¬
net auf die sechs Mouate, welche die Ausstellung währen soll, auf das Eintreffen von
circa- zwei Millionen Menschen. Schon jetzt haben die Preise der Wohnungen, auch
der kleinsten, eine Höhe erreicht, die selbst dem Engländer, der doch in solchen Dingen
an andere Verhältnisse gewöhnt ist als wir, exorbitant erscheint. Wer nicht im Stande
sein wird, diesen Preis zu erschwingen, muß in elenden Baracken sein Unterkommen
suchen. Eine gleichmäßige Steigerung des Preises wird in allen übrigen zum Leben
nöthigen Dingen eintreten, ja man ist schon zweifelhaft darüber, wie man überhaupt
eine solche Menge ernähren soll, zumal da vorauszusehen ist, daß ein großer Theil der
Besucher sich zur Zeit der Eröffnung nach London drängen wird. Außerdem wird das
Gedränge in den Räumen der Ausstellung, die doch nur 50,000 Menschen (also bei¬
nahe die Zahl der Einwohner von Leipzig) umfassen können, so groß sein, daß man
zuweilen Tage lang vergebens aus den Eintritt warten wird. Von der tropischen Hitze,
die in diesen der Sonne ausgesetzten Hallen, namentlich im Juni und Juli eintreten
muß, werden uns nicht sehr lockende Vorstellungen gemacht. Wir machen auf diesen
Umstand aufmerksam, nicht etwa um die Reiselustigen abzuschrecken, aber um sie doch
aufzufordern, sich wohl vorzusehen, und ihre Erwartung nicht zu hoch zu spannen.


Royer Collaed und seine Studenten.

-- Als der berühmte No y erCo klärt
Professor an der Pariser Universität wurde, kam ihm von Seiten der Studirenden ent¬
schiedene Ungunst entgegen, aus irgend einer jener kleinen Ursachen, die bei jungen Leuten
Gewicht haben. (Angeblich weil er stets gelbe Handschuh trug.) Als er seine Vor-
lesungen über Gesundheitspflege eröffnete, ward er mit Mißfallsbezeugungen und Tumult
begrüßt. Nach dem Schluß der ersten Vorlesung sammelten sich etwa hundert Studenten
und zogen unter Geschrei, Singen und andern mißliebigen Demonstrationen hinter ihm
her bis zu der Seinebrücke ?<me ass arts. Dort mußte Brückengeld bezahlt werden.
Di.e Bande hielt einen Augenblick still. Sobald der Professor dies sah, zog er ein
Fünsfrankenstück aus der Tasche, warf es dem Vrückeneinnehmer hin und sagte: "für
mich und mein Gefolge!" Dies änderte die ganze Scene. Die Studenten brachten
ihm ein Hoch! aus und begleiteten ihn im Triumph nach Hause.




Verlag von F. L. Hevbig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.


jenigen, die um der Industrie willen Hinreisen, auch eine große Menge Neugieriger die
Gelegenheit benutzen werden, um London in seinem vollen Glänze zu sehen. Es ist
freilich unbestreitbar, daß der ungeheure Zusammenfluß von Nationen aus allen Weltge¬
genden der Riesenstadt einen Anblick geben wird, der für den Fremden wie für den
Einheimischen etwas Jmponirendes haben muß; aber man darf auch nicht die Kehrseite
des Gemäldes aus den Augen lassen. Wir machen unsere Leser auf einen Aufsatz im
Februarhefte von Fraser's Magazine aufmerksam, in welchem die Annehmlichkeiten des
dortigen Aufenthalts in einer nicht sehr reizenden Weise dargestellt werden. Man rech¬
net auf die sechs Mouate, welche die Ausstellung währen soll, auf das Eintreffen von
circa- zwei Millionen Menschen. Schon jetzt haben die Preise der Wohnungen, auch
der kleinsten, eine Höhe erreicht, die selbst dem Engländer, der doch in solchen Dingen
an andere Verhältnisse gewöhnt ist als wir, exorbitant erscheint. Wer nicht im Stande
sein wird, diesen Preis zu erschwingen, muß in elenden Baracken sein Unterkommen
suchen. Eine gleichmäßige Steigerung des Preises wird in allen übrigen zum Leben
nöthigen Dingen eintreten, ja man ist schon zweifelhaft darüber, wie man überhaupt
eine solche Menge ernähren soll, zumal da vorauszusehen ist, daß ein großer Theil der
Besucher sich zur Zeit der Eröffnung nach London drängen wird. Außerdem wird das
Gedränge in den Räumen der Ausstellung, die doch nur 50,000 Menschen (also bei¬
nahe die Zahl der Einwohner von Leipzig) umfassen können, so groß sein, daß man
zuweilen Tage lang vergebens aus den Eintritt warten wird. Von der tropischen Hitze,
die in diesen der Sonne ausgesetzten Hallen, namentlich im Juni und Juli eintreten
muß, werden uns nicht sehr lockende Vorstellungen gemacht. Wir machen auf diesen
Umstand aufmerksam, nicht etwa um die Reiselustigen abzuschrecken, aber um sie doch
aufzufordern, sich wohl vorzusehen, und ihre Erwartung nicht zu hoch zu spannen.


Royer Collaed und seine Studenten.

— Als der berühmte No y erCo klärt
Professor an der Pariser Universität wurde, kam ihm von Seiten der Studirenden ent¬
schiedene Ungunst entgegen, aus irgend einer jener kleinen Ursachen, die bei jungen Leuten
Gewicht haben. (Angeblich weil er stets gelbe Handschuh trug.) Als er seine Vor-
lesungen über Gesundheitspflege eröffnete, ward er mit Mißfallsbezeugungen und Tumult
begrüßt. Nach dem Schluß der ersten Vorlesung sammelten sich etwa hundert Studenten
und zogen unter Geschrei, Singen und andern mißliebigen Demonstrationen hinter ihm
her bis zu der Seinebrücke ?<me ass arts. Dort mußte Brückengeld bezahlt werden.
Di.e Bande hielt einen Augenblick still. Sobald der Professor dies sah, zog er ein
Fünsfrankenstück aus der Tasche, warf es dem Vrückeneinnehmer hin und sagte: „für
mich und mein Gefolge!" Dies änderte die ganze Scene. Die Studenten brachten
ihm ein Hoch! aus und begleiteten ihn im Triumph nach Hause.




Verlag von F. L. Hevbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/532>, abgerufen am 27.06.2024.