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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Die politische Stimmung.

Wenn bei der allgemeinen Verstimmung, welche durch das Ungewöhnliche
unserer politischen Lage hervorgebracht wird, die Zeitungen noch ein Lächeln her¬
vorzaubern, so thun sie es dnrch die weisen Leitartikel und die unverschämten
Lügen, welche die Geheimnisse des Dresdner Kongresses zu erklären und zu pro-
faniren suchen. Wir wissen nicht, was in der höflichsten Noccocostadt Deutschlands
vorbereitet wird, wir wissen durchaus nicht, wie einig oder uneinig die treuherzigen
Biedermänner sind, welche dort für das Wohl der deutscheu Völker arbeiten, und
ahnen durchaus uicht, ob das neue Regiment Centralenropa'ö Monas oder
Trias sein wird, und siud deshalb auch uicht in der Lage, unsern Lesern irgend
etwas Neues, Interessantes, Kritisches mitzutheilen. -- Wir sehen nnr, was mit
Händen zu greisen ist, in Kurhessen eine Soldatenexecntion ohne Urtheil und
Recht, in Holstein eine drohende Soldateuexecution ohne Unheil und Recht;
überall, überall in Deutschland einen Zustand der Politik, für welchen das starke
Wort "erbärmlich" uicht mehr bezeichnend ist. Jener elenden Strolchen des
Jahres 1848, welche die Begeisterung der Nation dnrch demokratische Gemein¬
heiten verdarben, kann ein Mann von Selbstgefühl jetzt nicht mehr zürnen, denn
aller Haß gegen diese Feinde deutscher Größe und Ehre ist dem unsäglichsten
Erstannen und der reinsten Bewunderung jener diplomatischen Tugenden gewichen,
welche den preußischen Minister v. Manteuffel als Bittsteller nach Olmütz trieben.

Es ist kaum möglich, dem östreichischen Cabinet größere Verehrung zu zollen, als
ihm dies Blatt seit dem März 1840 zu erweisen beflissen war. Aber doch haben
wir ihm ein bitteres Unrecht gethan und gestehen dies reuig ein. Nicht etwa in
Beurtheilung seiner politischen Tendenzen, -- hier legte zarte Rücksicht auf die
leicht verletzte Bescheidenheit Sr. Durchlaucht uus die Verpflichtung ans, eine ge¬
wisse unnatürliche Mäßigung zu beobachten--; auch nicht in Beurtheilung seiner
diplomatischen Talente, welche seit jeuer alten Zeit, wo die russische Konspiration


Grenzboten. I. 1851. 6
Die politische Stimmung.

Wenn bei der allgemeinen Verstimmung, welche durch das Ungewöhnliche
unserer politischen Lage hervorgebracht wird, die Zeitungen noch ein Lächeln her¬
vorzaubern, so thun sie es dnrch die weisen Leitartikel und die unverschämten
Lügen, welche die Geheimnisse des Dresdner Kongresses zu erklären und zu pro-
faniren suchen. Wir wissen nicht, was in der höflichsten Noccocostadt Deutschlands
vorbereitet wird, wir wissen durchaus nicht, wie einig oder uneinig die treuherzigen
Biedermänner sind, welche dort für das Wohl der deutscheu Völker arbeiten, und
ahnen durchaus uicht, ob das neue Regiment Centralenropa'ö Monas oder
Trias sein wird, und siud deshalb auch uicht in der Lage, unsern Lesern irgend
etwas Neues, Interessantes, Kritisches mitzutheilen. — Wir sehen nnr, was mit
Händen zu greisen ist, in Kurhessen eine Soldatenexecntion ohne Urtheil und
Recht, in Holstein eine drohende Soldateuexecution ohne Unheil und Recht;
überall, überall in Deutschland einen Zustand der Politik, für welchen das starke
Wort „erbärmlich" uicht mehr bezeichnend ist. Jener elenden Strolchen des
Jahres 1848, welche die Begeisterung der Nation dnrch demokratische Gemein¬
heiten verdarben, kann ein Mann von Selbstgefühl jetzt nicht mehr zürnen, denn
aller Haß gegen diese Feinde deutscher Größe und Ehre ist dem unsäglichsten
Erstannen und der reinsten Bewunderung jener diplomatischen Tugenden gewichen,
welche den preußischen Minister v. Manteuffel als Bittsteller nach Olmütz trieben.

Es ist kaum möglich, dem östreichischen Cabinet größere Verehrung zu zollen, als
ihm dies Blatt seit dem März 1840 zu erweisen beflissen war. Aber doch haben
wir ihm ein bitteres Unrecht gethan und gestehen dies reuig ein. Nicht etwa in
Beurtheilung seiner politischen Tendenzen, — hier legte zarte Rücksicht auf die
leicht verletzte Bescheidenheit Sr. Durchlaucht uus die Verpflichtung ans, eine ge¬
wisse unnatürliche Mäßigung zu beobachten—; auch nicht in Beurtheilung seiner
diplomatischen Talente, welche seit jeuer alten Zeit, wo die russische Konspiration


Grenzboten. I. 1851. 6
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[0053] Die politische Stimmung. Wenn bei der allgemeinen Verstimmung, welche durch das Ungewöhnliche unserer politischen Lage hervorgebracht wird, die Zeitungen noch ein Lächeln her¬ vorzaubern, so thun sie es dnrch die weisen Leitartikel und die unverschämten Lügen, welche die Geheimnisse des Dresdner Kongresses zu erklären und zu pro- faniren suchen. Wir wissen nicht, was in der höflichsten Noccocostadt Deutschlands vorbereitet wird, wir wissen durchaus nicht, wie einig oder uneinig die treuherzigen Biedermänner sind, welche dort für das Wohl der deutscheu Völker arbeiten, und ahnen durchaus uicht, ob das neue Regiment Centralenropa'ö Monas oder Trias sein wird, und siud deshalb auch uicht in der Lage, unsern Lesern irgend etwas Neues, Interessantes, Kritisches mitzutheilen. — Wir sehen nnr, was mit Händen zu greisen ist, in Kurhessen eine Soldatenexecntion ohne Urtheil und Recht, in Holstein eine drohende Soldateuexecution ohne Unheil und Recht; überall, überall in Deutschland einen Zustand der Politik, für welchen das starke Wort „erbärmlich" uicht mehr bezeichnend ist. Jener elenden Strolchen des Jahres 1848, welche die Begeisterung der Nation dnrch demokratische Gemein¬ heiten verdarben, kann ein Mann von Selbstgefühl jetzt nicht mehr zürnen, denn aller Haß gegen diese Feinde deutscher Größe und Ehre ist dem unsäglichsten Erstannen und der reinsten Bewunderung jener diplomatischen Tugenden gewichen, welche den preußischen Minister v. Manteuffel als Bittsteller nach Olmütz trieben. Es ist kaum möglich, dem östreichischen Cabinet größere Verehrung zu zollen, als ihm dies Blatt seit dem März 1840 zu erweisen beflissen war. Aber doch haben wir ihm ein bitteres Unrecht gethan und gestehen dies reuig ein. Nicht etwa in Beurtheilung seiner politischen Tendenzen, — hier legte zarte Rücksicht auf die leicht verletzte Bescheidenheit Sr. Durchlaucht uus die Verpflichtung ans, eine ge¬ wisse unnatürliche Mäßigung zu beobachten—; auch nicht in Beurtheilung seiner diplomatischen Talente, welche seit jeuer alten Zeit, wo die russische Konspiration Grenzboten. I. 1851. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/53>, abgerufen am 27.06.2024.