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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Die große Geschicklichkeit im Voltigiren hat dem Sergeanten mehr als ein¬
mal sehr genützt. So erzählten seine Kameraden folgende lustige Geschichte von
ihm: Er hatte sich als altes krummgebücktes Bauerweib verkleidet, das Gesicht
mit Tüchern verhüllt, um den Bart zu verbergen, und war, als wenn er Aehren
auf dem Felde sammelte, an einen Doppelposten von dänischen Dragonern ganz
nahe Heraugeschlichen, welcher gegen eine alte gebrechliche Fran keinen Argwohn
hegte. Da mit furchtbarem Sprunge schwingt sich urplötzlich das alte Weib von
hinten auf das Pferd des einen Dragoucrs, packt ihn mächtig im Nacken, schleu¬
dert ihn aus dem Sattel und drückt schnell ein Pistol auf den andern ab, so
daß dieser am Arm verwundet und zum fernern Kampf unfähig wird. Mit zwei
Pferden und zwei gefangenen Dragonern kommt S..... in seiner Weiberklei-
dnng zu den Vorposten zurück, die ihn kaum einlassen wollen, so verwundert
waren sie über deu sonderbaren Anblick. -- Ein andermal hat er sich ein Ochsen¬
fett umgehangen, sich den Kopf mit den Hörnern aufgesetzt, hat künstlich Feuer
gespieen, was er trefflich konnte, und ist so als Teufel verkleidet in der Nacht
auf einen Posten jütländischer Soldaten losgeschritten. Als diese das feurige
Ungethüm plötzlich auf sich loskommen sehen, haben sie geglaubt, der "Gott sei
bei uus" marschire in eigner Person, und sind eiligst mit lautem Geschrei davon-
gelaufen. Der Teufel setzt ihnen uach und giebt Zweien von ihnen so kräftige
Nackenschläge mit der Faust, daß sie vorläufig davou zu Boden stürzen. Er
bindet ihnen hierauf die Hände und bringt sie als Gefangene mit heim. Die
armen Menschen haben noch stundenlang nachher vor Schrecken gezittert und sind
später sehr erfreut gewesen, nicht vom Teufel, souderu uur von einem Sergeanten
geholt worden zu sein. Uebrigens spähte S..... vorher wohlweislich aus, was
für Truppen nur gegenüberstanden, bevor er sich in allzu tollen Streichen erging.
Wußte er, daß die "seeläudischeu Husaren", eine sehr ausgezeichnete und im Vor¬
postendienst geübte Neitertruppe, oder die "Castelljäger" auf Vorposten standen,
dann war er ungleich vorsichtiger, als wenn es jütländische Dragoner oder Leute
von einem Neservebataitlou waren. Mit letzteren trieb er oft ein förmliches
Possenspiel und neckte und foppte sie ans jede erdenkliche Weise. Das coupirte
Terrain mit seinen vielen Hecken und Knicken, über welche er so leicht wie ein
Reh wegzuspringen wußte, oder an deuen entlang er sich geräuschlos, wie ein
Wiesel, hinschlich, und die vielen Torfmoore und Gräben, in denen er oft, gleich
einem Frosch, im Wasser steckte, kamen ihm bei seinen Streichen gut zu Statten.
Ein Hauptvergnügen faud er darin, die feindlichen Posten vou den Fanalen
fortzulocken und diese dann in Brand zu stecken, oder auch mitten zwischen den
dänischen Vorposten Sigualracketeu steigen zu lassen. Sehr häufig hat er allein
für sich zum Vergnügen ganze dänische Compagnien und Bataillone allarmirt und
dieselben gezwungen, lauge Stunden in Sturm und Regen unter den Waffen zu
stehen. Ja in Schleswig selbst ist sogar seinetwegen einmal Allarm geschlagen


Die große Geschicklichkeit im Voltigiren hat dem Sergeanten mehr als ein¬
mal sehr genützt. So erzählten seine Kameraden folgende lustige Geschichte von
ihm: Er hatte sich als altes krummgebücktes Bauerweib verkleidet, das Gesicht
mit Tüchern verhüllt, um den Bart zu verbergen, und war, als wenn er Aehren
auf dem Felde sammelte, an einen Doppelposten von dänischen Dragonern ganz
nahe Heraugeschlichen, welcher gegen eine alte gebrechliche Fran keinen Argwohn
hegte. Da mit furchtbarem Sprunge schwingt sich urplötzlich das alte Weib von
hinten auf das Pferd des einen Dragoucrs, packt ihn mächtig im Nacken, schleu¬
dert ihn aus dem Sattel und drückt schnell ein Pistol auf den andern ab, so
daß dieser am Arm verwundet und zum fernern Kampf unfähig wird. Mit zwei
Pferden und zwei gefangenen Dragonern kommt S..... in seiner Weiberklei-
dnng zu den Vorposten zurück, die ihn kaum einlassen wollen, so verwundert
waren sie über deu sonderbaren Anblick. — Ein andermal hat er sich ein Ochsen¬
fett umgehangen, sich den Kopf mit den Hörnern aufgesetzt, hat künstlich Feuer
gespieen, was er trefflich konnte, und ist so als Teufel verkleidet in der Nacht
auf einen Posten jütländischer Soldaten losgeschritten. Als diese das feurige
Ungethüm plötzlich auf sich loskommen sehen, haben sie geglaubt, der „Gott sei
bei uus" marschire in eigner Person, und sind eiligst mit lautem Geschrei davon-
gelaufen. Der Teufel setzt ihnen uach und giebt Zweien von ihnen so kräftige
Nackenschläge mit der Faust, daß sie vorläufig davou zu Boden stürzen. Er
bindet ihnen hierauf die Hände und bringt sie als Gefangene mit heim. Die
armen Menschen haben noch stundenlang nachher vor Schrecken gezittert und sind
später sehr erfreut gewesen, nicht vom Teufel, souderu uur von einem Sergeanten
geholt worden zu sein. Uebrigens spähte S..... vorher wohlweislich aus, was
für Truppen nur gegenüberstanden, bevor er sich in allzu tollen Streichen erging.
Wußte er, daß die „seeläudischeu Husaren", eine sehr ausgezeichnete und im Vor¬
postendienst geübte Neitertruppe, oder die „Castelljäger" auf Vorposten standen,
dann war er ungleich vorsichtiger, als wenn es jütländische Dragoner oder Leute
von einem Neservebataitlou waren. Mit letzteren trieb er oft ein förmliches
Possenspiel und neckte und foppte sie ans jede erdenkliche Weise. Das coupirte
Terrain mit seinen vielen Hecken und Knicken, über welche er so leicht wie ein
Reh wegzuspringen wußte, oder an deuen entlang er sich geräuschlos, wie ein
Wiesel, hinschlich, und die vielen Torfmoore und Gräben, in denen er oft, gleich
einem Frosch, im Wasser steckte, kamen ihm bei seinen Streichen gut zu Statten.
Ein Hauptvergnügen faud er darin, die feindlichen Posten vou den Fanalen
fortzulocken und diese dann in Brand zu stecken, oder auch mitten zwischen den
dänischen Vorposten Sigualracketeu steigen zu lassen. Sehr häufig hat er allein
für sich zum Vergnügen ganze dänische Compagnien und Bataillone allarmirt und
dieselben gezwungen, lauge Stunden in Sturm und Regen unter den Waffen zu
stehen. Ja in Schleswig selbst ist sogar seinetwegen einmal Allarm geschlagen


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[0438] Die große Geschicklichkeit im Voltigiren hat dem Sergeanten mehr als ein¬ mal sehr genützt. So erzählten seine Kameraden folgende lustige Geschichte von ihm: Er hatte sich als altes krummgebücktes Bauerweib verkleidet, das Gesicht mit Tüchern verhüllt, um den Bart zu verbergen, und war, als wenn er Aehren auf dem Felde sammelte, an einen Doppelposten von dänischen Dragonern ganz nahe Heraugeschlichen, welcher gegen eine alte gebrechliche Fran keinen Argwohn hegte. Da mit furchtbarem Sprunge schwingt sich urplötzlich das alte Weib von hinten auf das Pferd des einen Dragoucrs, packt ihn mächtig im Nacken, schleu¬ dert ihn aus dem Sattel und drückt schnell ein Pistol auf den andern ab, so daß dieser am Arm verwundet und zum fernern Kampf unfähig wird. Mit zwei Pferden und zwei gefangenen Dragonern kommt S..... in seiner Weiberklei- dnng zu den Vorposten zurück, die ihn kaum einlassen wollen, so verwundert waren sie über deu sonderbaren Anblick. — Ein andermal hat er sich ein Ochsen¬ fett umgehangen, sich den Kopf mit den Hörnern aufgesetzt, hat künstlich Feuer gespieen, was er trefflich konnte, und ist so als Teufel verkleidet in der Nacht auf einen Posten jütländischer Soldaten losgeschritten. Als diese das feurige Ungethüm plötzlich auf sich loskommen sehen, haben sie geglaubt, der „Gott sei bei uus" marschire in eigner Person, und sind eiligst mit lautem Geschrei davon- gelaufen. Der Teufel setzt ihnen uach und giebt Zweien von ihnen so kräftige Nackenschläge mit der Faust, daß sie vorläufig davou zu Boden stürzen. Er bindet ihnen hierauf die Hände und bringt sie als Gefangene mit heim. Die armen Menschen haben noch stundenlang nachher vor Schrecken gezittert und sind später sehr erfreut gewesen, nicht vom Teufel, souderu uur von einem Sergeanten geholt worden zu sein. Uebrigens spähte S..... vorher wohlweislich aus, was für Truppen nur gegenüberstanden, bevor er sich in allzu tollen Streichen erging. Wußte er, daß die „seeläudischeu Husaren", eine sehr ausgezeichnete und im Vor¬ postendienst geübte Neitertruppe, oder die „Castelljäger" auf Vorposten standen, dann war er ungleich vorsichtiger, als wenn es jütländische Dragoner oder Leute von einem Neservebataitlou waren. Mit letzteren trieb er oft ein förmliches Possenspiel und neckte und foppte sie ans jede erdenkliche Weise. Das coupirte Terrain mit seinen vielen Hecken und Knicken, über welche er so leicht wie ein Reh wegzuspringen wußte, oder an deuen entlang er sich geräuschlos, wie ein Wiesel, hinschlich, und die vielen Torfmoore und Gräben, in denen er oft, gleich einem Frosch, im Wasser steckte, kamen ihm bei seinen Streichen gut zu Statten. Ein Hauptvergnügen faud er darin, die feindlichen Posten vou den Fanalen fortzulocken und diese dann in Brand zu stecken, oder auch mitten zwischen den dänischen Vorposten Sigualracketeu steigen zu lassen. Sehr häufig hat er allein für sich zum Vergnügen ganze dänische Compagnien und Bataillone allarmirt und dieselben gezwungen, lauge Stunden in Sturm und Regen unter den Waffen zu stehen. Ja in Schleswig selbst ist sogar seinetwegen einmal Allarm geschlagen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/438>, abgerufen am 28.06.2024.