Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.den Polizeicommissär oder die Argusse des Herrn Polizeipräsidenten nicht zu bemühen, Einen großen Fortschritt hat der thierische Magnetismus gemacht, indem Herr B. Ein glücklicher Gedanke war es, den Somnambulismus zu einem Schauspiel zu Freilich werden diese Erfolge und Triumphe durch allerlei Unannehmlichkeiten ge¬ den Polizeicommissär oder die Argusse des Herrn Polizeipräsidenten nicht zu bemühen, Einen großen Fortschritt hat der thierische Magnetismus gemacht, indem Herr B. Ein glücklicher Gedanke war es, den Somnambulismus zu einem Schauspiel zu Freilich werden diese Erfolge und Triumphe durch allerlei Unannehmlichkeiten ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0409" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92147"/> <p xml:id="ID_1259" prev="#ID_1258"> den Polizeicommissär oder die Argusse des Herrn Polizeipräsidenten nicht zu bemühen,<lb/> ^- gute Leute, welche nur das sehen, was man ihnen zeigt, und nur soviel wissen, als<lb/> man ihnen sagt. Geh zur Somnambule: sie nennt Dir den Dieb, den Ort, die Um¬<lb/> stände der That und deren Folgen. Wir haben schon oft daran gedacht, daß einige<lb/> wohldressirte Somnambulen hinreichen würden, um den Sicherheitsdienst der Hauptstadt<lb/> eben so schnell als unfehlbar zu machen; ein Polizeipräsect, der zuerst diese neue Bahn<lb/> beträte, müßte für immer berühmt und gesegnet werden. „Es gibt eine Menge guter<lb/> Dinge in der Welt, aber man muß sie zu gebrauchen verstehn," sagt ein berühmter Phi¬<lb/> losoph. — Bist Dn in Sorge um einen fernen Freund oder Verwandten, der etwa in<lb/> Cayenne oder Neuseeland oder Spitzbergen reist? Die Land- und Scepost hilft Dir<lb/> hier nicht viel und der electrische Telegraph ist dorthin noch nicht aufgestellt. Geh nur<lb/> zur Somnambule; sie sagt Dir, wo die fragliche Person ist, was sie treibt und gibt Dir<lb/> die Scene im magischen Spiegel anzuschauen, wie in der alten Oper Zemirc und Azor.<lb/> Es ist Schade, daß die Somnambulen noch nicht verstehen, die zweite Aufgabe einer<lb/> guten Post zu erfüllen, nämlich unsre Nachrichten in die Ferne zu befördern. Diese<lb/> Lücke muß der Magnetismus noch ausfüllen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1260"> Einen großen Fortschritt hat der thierische Magnetismus gemacht, indem Herr B.<lb/> ein magnetisches Fluidum in der Schnecke entdeckt hat. (?1uiäe esoargotique.)<lb/> Dieses Schnecken-Fluidum hat vielleicht Verwandtschaft mit dem odylischeu Fluidum,<lb/> welches der Baron von Reichenbach in Deutschland bei seinen Somnambulen entdeckt<lb/> hat. Vielleicht bilden beide zusammen eine Einheit, wie Galvanismus, Electricität und<lb/> Magnetismus.</p><lb/> <p xml:id="ID_1261"> Ein glücklicher Gedanke war es, den Somnambulismus zu einem Schauspiel zu<lb/> machen. Es gibt jetzt keine gesellschaftlichen Vergnügungen größerer Art, wo nicht eine<lb/> Somnambule figuriren müßte. Man liest auf den Einladungskarten, anstatt „es wird<lb/> getanzt/' jetzt „es wird eine magnetische Sitzung stattfinden." Auf den öffentlichen<lb/> Plätzen, bei Jahrmärkten und Volksfesten, macht der Somnambulismus seine Kunst¬<lb/> stückchen neben dem Puppentheater und dem klugen Hunde. In Paris hat er seinen<lb/> regelmäßigen Platz aus den Bühnen, und steht auf den Komödienzetteln als Zwischenspiel.</p><lb/> <p xml:id="ID_1262" next="#ID_1263"> Freilich werden diese Erfolge und Triumphe durch allerlei Unannehmlichkeiten ge¬<lb/> trübt. Der Spott der Ungläubigen, die ernsten Angriffe der Wissenschaft würden noch<lb/> zu ertragen sein. Aber die Staatsanwälte machen eine fatale Anwendung der 405,<lb/> ^79 bis 481 des Criminalgesetzbuches, gegen Betrügerei, gewerbsmäßige Wahrsagerei und<lb/> Traumdeuterei, so wie gegen unerlaubte ärztliche Praxis, mit der unangenehmen Hindeu-<lb/> tung auf Gefängniß, Geld- und andre Strafen. Diese §§., auf einem gestempelten<lb/> Zettel durch Gerichtsdiener überreicht, verursachen den Somnambulen und Magnetiseurs<lb/> ein eisiges Grauen. In einer einzigen Gerichtssitzung sind 10 bis 12 verurtheilt<lb/> worden. — Indeß gibt es auch hier mitleidige Seelen, welche die Vertheidigung der<lb/> Künstler übernehmen und alle Gönner der Sache aufgefordert haben, dieser „Unter¬<lb/> drückung," Widerstand zu leisten. Einer derselben gibt folgende Schilderung<lb/> von den Fähigkeiten, Eigenschaften und Kräften einer Somnambule, welche er<lb/> die moderne Sibylle nennt, und welche nebenbei seine Gattin ist.<lb/> ^ Als Arzt heilt sie alle neuen und alten, hitzigen und langwierigen, gewöhnlichen<lb/> und außergewöhnlichen, körperlichen und geistigen Krankheiten, und zwar, nach eigner<lb/> Wahl des Kranken, entweder durch gewöhnliche Medicin oder durch Homöopathie oder</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0409]
den Polizeicommissär oder die Argusse des Herrn Polizeipräsidenten nicht zu bemühen,
^- gute Leute, welche nur das sehen, was man ihnen zeigt, und nur soviel wissen, als
man ihnen sagt. Geh zur Somnambule: sie nennt Dir den Dieb, den Ort, die Um¬
stände der That und deren Folgen. Wir haben schon oft daran gedacht, daß einige
wohldressirte Somnambulen hinreichen würden, um den Sicherheitsdienst der Hauptstadt
eben so schnell als unfehlbar zu machen; ein Polizeipräsect, der zuerst diese neue Bahn
beträte, müßte für immer berühmt und gesegnet werden. „Es gibt eine Menge guter
Dinge in der Welt, aber man muß sie zu gebrauchen verstehn," sagt ein berühmter Phi¬
losoph. — Bist Dn in Sorge um einen fernen Freund oder Verwandten, der etwa in
Cayenne oder Neuseeland oder Spitzbergen reist? Die Land- und Scepost hilft Dir
hier nicht viel und der electrische Telegraph ist dorthin noch nicht aufgestellt. Geh nur
zur Somnambule; sie sagt Dir, wo die fragliche Person ist, was sie treibt und gibt Dir
die Scene im magischen Spiegel anzuschauen, wie in der alten Oper Zemirc und Azor.
Es ist Schade, daß die Somnambulen noch nicht verstehen, die zweite Aufgabe einer
guten Post zu erfüllen, nämlich unsre Nachrichten in die Ferne zu befördern. Diese
Lücke muß der Magnetismus noch ausfüllen.
Einen großen Fortschritt hat der thierische Magnetismus gemacht, indem Herr B.
ein magnetisches Fluidum in der Schnecke entdeckt hat. (?1uiäe esoargotique.)
Dieses Schnecken-Fluidum hat vielleicht Verwandtschaft mit dem odylischeu Fluidum,
welches der Baron von Reichenbach in Deutschland bei seinen Somnambulen entdeckt
hat. Vielleicht bilden beide zusammen eine Einheit, wie Galvanismus, Electricität und
Magnetismus.
Ein glücklicher Gedanke war es, den Somnambulismus zu einem Schauspiel zu
machen. Es gibt jetzt keine gesellschaftlichen Vergnügungen größerer Art, wo nicht eine
Somnambule figuriren müßte. Man liest auf den Einladungskarten, anstatt „es wird
getanzt/' jetzt „es wird eine magnetische Sitzung stattfinden." Auf den öffentlichen
Plätzen, bei Jahrmärkten und Volksfesten, macht der Somnambulismus seine Kunst¬
stückchen neben dem Puppentheater und dem klugen Hunde. In Paris hat er seinen
regelmäßigen Platz aus den Bühnen, und steht auf den Komödienzetteln als Zwischenspiel.
Freilich werden diese Erfolge und Triumphe durch allerlei Unannehmlichkeiten ge¬
trübt. Der Spott der Ungläubigen, die ernsten Angriffe der Wissenschaft würden noch
zu ertragen sein. Aber die Staatsanwälte machen eine fatale Anwendung der 405,
^79 bis 481 des Criminalgesetzbuches, gegen Betrügerei, gewerbsmäßige Wahrsagerei und
Traumdeuterei, so wie gegen unerlaubte ärztliche Praxis, mit der unangenehmen Hindeu-
tung auf Gefängniß, Geld- und andre Strafen. Diese §§., auf einem gestempelten
Zettel durch Gerichtsdiener überreicht, verursachen den Somnambulen und Magnetiseurs
ein eisiges Grauen. In einer einzigen Gerichtssitzung sind 10 bis 12 verurtheilt
worden. — Indeß gibt es auch hier mitleidige Seelen, welche die Vertheidigung der
Künstler übernehmen und alle Gönner der Sache aufgefordert haben, dieser „Unter¬
drückung," Widerstand zu leisten. Einer derselben gibt folgende Schilderung
von den Fähigkeiten, Eigenschaften und Kräften einer Somnambule, welche er
die moderne Sibylle nennt, und welche nebenbei seine Gattin ist.
^ Als Arzt heilt sie alle neuen und alten, hitzigen und langwierigen, gewöhnlichen
und außergewöhnlichen, körperlichen und geistigen Krankheiten, und zwar, nach eigner
Wahl des Kranken, entweder durch gewöhnliche Medicin oder durch Homöopathie oder
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