Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

es liegt uns daran -- wir sagen es offen -- jedes Gouvernement unmöglich zu
machen, bis dieser Geschichte und diesen Verträgen Rechnung getragen wird. Das
jetzige Regierungssystem in Oestreich will uns Alles nehmen, aber wir verzweifeln
nicht. Die Einsicht, welche Joseph dein II. am Abende seines Lebens und am
Vorabende der französischen Revolution gekommen, dürfte dem jungen Franz
Joseph am Vorabend einer neuen Bewegung kommen. Mit dem Unrecht gibt es
keine Transaction, und wir sind überzeugt, daß unser Fürstenhaus in einer wahren
Gefahr sich nur ans uns stützen kann, -- ans uns, nicht allein die 6--7 Millionen
Magyaren, souderu auch auf die Deutschen und die Slaven, die mit uus brüderlich
vereint sind, und unsere Zahl um Millionen vermehren. -- Ganz anders gestaltet
sich unser Verhältniß zu Deutschland nach dem Eintritte Gesammtöstreichö in den
deutschen Bund. Frankfurt hat uns nichts genommen, Dresden kann und wird uns
nnr geben. Aus dem reducirten östreichischen Kronlande ttugaru wird ein deutsches
Bundesland. Haben wir dadurch etwas verloren?

Ju dem großen lebenskräftigen Volke der Deutschen senden wir einen mäch¬
tigen Bundesgenossen für Fortschritt und geordnete Freiheit, welche die
Schicksale Mitteleuropa's in der Zukunft entscheiden muß, und wenn wir im Jahre
1848 als unabhängiger Staat die Freundschaft Deutschlands über Alles an¬
strebten, so müssen wir jetzt in unserem Unglücke ein näheres Verhältniß mit
demselben mit Freuden begrüßen, und dieses Verhältniß dazu benutzen, um uus
die Sympathie und Achtung des deutschen Volkes für eine Zeit zu sicherm, wo
deu lebensfähigen Völkern jedem seine eigene Rolle angewiesen werden wird. --
Daß wir uns in diesem neuen Wirkungskreise einzig und allem der gemäßigt
liberalen Partei anschließen können und wollen, leidet keinen Zweifel. Die Ne-.
volutiou, zu welcher wir in der letzten Zeit gedrängt wurden, und die Kraft,
welche wir in dieser Revolution entwickelten, so wie das Zetergeschrei unserer
Feinde, stellte uns vor Enropa als wüthende Demokraten, als Socialisten und
Communisten dar. Auch John Bull schreckte zurück vor diesem Gespenste, und
sah erst spät ein, wie wellig das monarchische Altengland von unserm Nepnblika-
ilisulnS zu fürchten hatte. Die Zeit hat diesen Irrthum zum Theil aufgeklärt,
und das rühmliche Benehmen unserer Emigranten im Auslande -- Keiner der
bekannten Namen ist ans den unsinnigen Proklamationen der demokratischen Co¬
mites zu finden -- hat uns die Achtung der Freunde des geregelten Fortschritts
erworben. In Deutschland steht uns ein neues Feld offen, uuserer Intelligenz,
besonders aber uuserer politischen Bildung Anerkennung zu verschaffen; das
nähere Verhältniß wird die deutschen Geister ans ein genaueres Eingehen in
unsere innern Zustände leiten; das große Deutschland wird unser Volk, seiue
Fähigkeiten und gerechten Wunsche richtiger beurtheilen lernen, und dabei können
wir wieder uur gewinnen; und da die jetzt zu Staude kommenden Verhältnisse in
Deutschland, besonders der Eintritt Gesammtöstreichö in deu deutscheu Bund, nur


3*

es liegt uns daran — wir sagen es offen — jedes Gouvernement unmöglich zu
machen, bis dieser Geschichte und diesen Verträgen Rechnung getragen wird. Das
jetzige Regierungssystem in Oestreich will uns Alles nehmen, aber wir verzweifeln
nicht. Die Einsicht, welche Joseph dein II. am Abende seines Lebens und am
Vorabende der französischen Revolution gekommen, dürfte dem jungen Franz
Joseph am Vorabend einer neuen Bewegung kommen. Mit dem Unrecht gibt es
keine Transaction, und wir sind überzeugt, daß unser Fürstenhaus in einer wahren
Gefahr sich nur ans uns stützen kann, — ans uns, nicht allein die 6—7 Millionen
Magyaren, souderu auch auf die Deutschen und die Slaven, die mit uus brüderlich
vereint sind, und unsere Zahl um Millionen vermehren. — Ganz anders gestaltet
sich unser Verhältniß zu Deutschland nach dem Eintritte Gesammtöstreichö in den
deutschen Bund. Frankfurt hat uns nichts genommen, Dresden kann und wird uns
nnr geben. Aus dem reducirten östreichischen Kronlande ttugaru wird ein deutsches
Bundesland. Haben wir dadurch etwas verloren?

Ju dem großen lebenskräftigen Volke der Deutschen senden wir einen mäch¬
tigen Bundesgenossen für Fortschritt und geordnete Freiheit, welche die
Schicksale Mitteleuropa's in der Zukunft entscheiden muß, und wenn wir im Jahre
1848 als unabhängiger Staat die Freundschaft Deutschlands über Alles an¬
strebten, so müssen wir jetzt in unserem Unglücke ein näheres Verhältniß mit
demselben mit Freuden begrüßen, und dieses Verhältniß dazu benutzen, um uus
die Sympathie und Achtung des deutschen Volkes für eine Zeit zu sicherm, wo
deu lebensfähigen Völkern jedem seine eigene Rolle angewiesen werden wird. —
Daß wir uns in diesem neuen Wirkungskreise einzig und allem der gemäßigt
liberalen Partei anschließen können und wollen, leidet keinen Zweifel. Die Ne-.
volutiou, zu welcher wir in der letzten Zeit gedrängt wurden, und die Kraft,
welche wir in dieser Revolution entwickelten, so wie das Zetergeschrei unserer
Feinde, stellte uns vor Enropa als wüthende Demokraten, als Socialisten und
Communisten dar. Auch John Bull schreckte zurück vor diesem Gespenste, und
sah erst spät ein, wie wellig das monarchische Altengland von unserm Nepnblika-
ilisulnS zu fürchten hatte. Die Zeit hat diesen Irrthum zum Theil aufgeklärt,
und das rühmliche Benehmen unserer Emigranten im Auslande — Keiner der
bekannten Namen ist ans den unsinnigen Proklamationen der demokratischen Co¬
mites zu finden — hat uns die Achtung der Freunde des geregelten Fortschritts
erworben. In Deutschland steht uns ein neues Feld offen, uuserer Intelligenz,
besonders aber uuserer politischen Bildung Anerkennung zu verschaffen; das
nähere Verhältniß wird die deutschen Geister ans ein genaueres Eingehen in
unsere innern Zustände leiten; das große Deutschland wird unser Volk, seiue
Fähigkeiten und gerechten Wunsche richtiger beurtheilen lernen, und dabei können
wir wieder uur gewinnen; und da die jetzt zu Staude kommenden Verhältnisse in
Deutschland, besonders der Eintritt Gesammtöstreichö in deu deutscheu Bund, nur


3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91760"/>
          <p xml:id="ID_36" prev="#ID_35"> es liegt uns daran &#x2014; wir sagen es offen &#x2014; jedes Gouvernement unmöglich zu<lb/>
machen, bis dieser Geschichte und diesen Verträgen Rechnung getragen wird. Das<lb/>
jetzige Regierungssystem in Oestreich will uns Alles nehmen, aber wir verzweifeln<lb/>
nicht. Die Einsicht, welche Joseph dein II. am Abende seines Lebens und am<lb/>
Vorabende der französischen Revolution gekommen, dürfte dem jungen Franz<lb/>
Joseph am Vorabend einer neuen Bewegung kommen. Mit dem Unrecht gibt es<lb/>
keine Transaction, und wir sind überzeugt, daß unser Fürstenhaus in einer wahren<lb/>
Gefahr sich nur ans uns stützen kann, &#x2014; ans uns, nicht allein die 6&#x2014;7 Millionen<lb/>
Magyaren, souderu auch auf die Deutschen und die Slaven, die mit uus brüderlich<lb/>
vereint sind, und unsere Zahl um Millionen vermehren. &#x2014; Ganz anders gestaltet<lb/>
sich unser Verhältniß zu Deutschland nach dem Eintritte Gesammtöstreichö in den<lb/>
deutschen Bund. Frankfurt hat uns nichts genommen, Dresden kann und wird uns<lb/>
nnr geben. Aus dem reducirten östreichischen Kronlande ttugaru wird ein deutsches<lb/>
Bundesland.  Haben wir dadurch etwas verloren?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_37" next="#ID_38"> Ju dem großen lebenskräftigen Volke der Deutschen senden wir einen mäch¬<lb/>
tigen Bundesgenossen für Fortschritt und geordnete Freiheit, welche die<lb/>
Schicksale Mitteleuropa's in der Zukunft entscheiden muß, und wenn wir im Jahre<lb/>
1848 als unabhängiger Staat die Freundschaft Deutschlands über Alles an¬<lb/>
strebten, so müssen wir jetzt in unserem Unglücke ein näheres Verhältniß mit<lb/>
demselben mit Freuden begrüßen, und dieses Verhältniß dazu benutzen, um uus<lb/>
die Sympathie und Achtung des deutschen Volkes für eine Zeit zu sicherm, wo<lb/>
deu lebensfähigen Völkern jedem seine eigene Rolle angewiesen werden wird. &#x2014;<lb/>
Daß wir uns in diesem neuen Wirkungskreise einzig und allem der gemäßigt<lb/>
liberalen Partei anschließen können und wollen, leidet keinen Zweifel. Die Ne-.<lb/>
volutiou, zu welcher wir in der letzten Zeit gedrängt wurden, und die Kraft,<lb/>
welche wir in dieser Revolution entwickelten, so wie das Zetergeschrei unserer<lb/>
Feinde, stellte uns vor Enropa als wüthende Demokraten, als Socialisten und<lb/>
Communisten dar. Auch John Bull schreckte zurück vor diesem Gespenste, und<lb/>
sah erst spät ein, wie wellig das monarchische Altengland von unserm Nepnblika-<lb/>
ilisulnS zu fürchten hatte. Die Zeit hat diesen Irrthum zum Theil aufgeklärt,<lb/>
und das rühmliche Benehmen unserer Emigranten im Auslande &#x2014; Keiner der<lb/>
bekannten Namen ist ans den unsinnigen Proklamationen der demokratischen Co¬<lb/>
mites zu finden &#x2014; hat uns die Achtung der Freunde des geregelten Fortschritts<lb/>
erworben. In Deutschland steht uns ein neues Feld offen, uuserer Intelligenz,<lb/>
besonders aber uuserer politischen Bildung Anerkennung zu verschaffen; das<lb/>
nähere Verhältniß wird die deutschen Geister ans ein genaueres Eingehen in<lb/>
unsere innern Zustände leiten; das große Deutschland wird unser Volk, seiue<lb/>
Fähigkeiten und gerechten Wunsche richtiger beurtheilen lernen, und dabei können<lb/>
wir wieder uur gewinnen; und da die jetzt zu Staude kommenden Verhältnisse in<lb/>
Deutschland, besonders der Eintritt Gesammtöstreichö in deu deutscheu Bund, nur</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 3*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] es liegt uns daran — wir sagen es offen — jedes Gouvernement unmöglich zu machen, bis dieser Geschichte und diesen Verträgen Rechnung getragen wird. Das jetzige Regierungssystem in Oestreich will uns Alles nehmen, aber wir verzweifeln nicht. Die Einsicht, welche Joseph dein II. am Abende seines Lebens und am Vorabende der französischen Revolution gekommen, dürfte dem jungen Franz Joseph am Vorabend einer neuen Bewegung kommen. Mit dem Unrecht gibt es keine Transaction, und wir sind überzeugt, daß unser Fürstenhaus in einer wahren Gefahr sich nur ans uns stützen kann, — ans uns, nicht allein die 6—7 Millionen Magyaren, souderu auch auf die Deutschen und die Slaven, die mit uus brüderlich vereint sind, und unsere Zahl um Millionen vermehren. — Ganz anders gestaltet sich unser Verhältniß zu Deutschland nach dem Eintritte Gesammtöstreichö in den deutschen Bund. Frankfurt hat uns nichts genommen, Dresden kann und wird uns nnr geben. Aus dem reducirten östreichischen Kronlande ttugaru wird ein deutsches Bundesland. Haben wir dadurch etwas verloren? Ju dem großen lebenskräftigen Volke der Deutschen senden wir einen mäch¬ tigen Bundesgenossen für Fortschritt und geordnete Freiheit, welche die Schicksale Mitteleuropa's in der Zukunft entscheiden muß, und wenn wir im Jahre 1848 als unabhängiger Staat die Freundschaft Deutschlands über Alles an¬ strebten, so müssen wir jetzt in unserem Unglücke ein näheres Verhältniß mit demselben mit Freuden begrüßen, und dieses Verhältniß dazu benutzen, um uus die Sympathie und Achtung des deutschen Volkes für eine Zeit zu sicherm, wo deu lebensfähigen Völkern jedem seine eigene Rolle angewiesen werden wird. — Daß wir uns in diesem neuen Wirkungskreise einzig und allem der gemäßigt liberalen Partei anschließen können und wollen, leidet keinen Zweifel. Die Ne-. volutiou, zu welcher wir in der letzten Zeit gedrängt wurden, und die Kraft, welche wir in dieser Revolution entwickelten, so wie das Zetergeschrei unserer Feinde, stellte uns vor Enropa als wüthende Demokraten, als Socialisten und Communisten dar. Auch John Bull schreckte zurück vor diesem Gespenste, und sah erst spät ein, wie wellig das monarchische Altengland von unserm Nepnblika- ilisulnS zu fürchten hatte. Die Zeit hat diesen Irrthum zum Theil aufgeklärt, und das rühmliche Benehmen unserer Emigranten im Auslande — Keiner der bekannten Namen ist ans den unsinnigen Proklamationen der demokratischen Co¬ mites zu finden — hat uns die Achtung der Freunde des geregelten Fortschritts erworben. In Deutschland steht uns ein neues Feld offen, uuserer Intelligenz, besonders aber uuserer politischen Bildung Anerkennung zu verschaffen; das nähere Verhältniß wird die deutschen Geister ans ein genaueres Eingehen in unsere innern Zustände leiten; das große Deutschland wird unser Volk, seiue Fähigkeiten und gerechten Wunsche richtiger beurtheilen lernen, und dabei können wir wieder uur gewinnen; und da die jetzt zu Staude kommenden Verhältnisse in Deutschland, besonders der Eintritt Gesammtöstreichö in deu deutscheu Bund, nur 3*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/23>, abgerufen am 20.06.2024.