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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Gemahl waren beide interessant und wohl der Bekanntschaft werth. Die Fürstin
galt für die herrschende Schönheit, Paökiewicz huldigte ihr mit all der energischen
Zärtlichkeit, deren er fähig war, und sie wurde, je mehr sie ihn beherrschte, um
so demüthiger und freundlicher gegen Solche, die zu ihr herauf sahen. Nicht
das Zeichen einer gemeinen Natur. -- Und er, der Fürst, scheinbar so abgelebt und
gleichgiltig gegen seine Frau und die Welt, der in Gesellschaft saß wie ein Stein¬
bild und nur ein mattes Lächeln hatte für die unaufhörlichen Huldigungen, welche
seiner Gemahlin nach dem Beispiel des Regenten von allen Russen dargebracht
wurden, verbarg hinter einem unscheinbaren Aeußern und einer gut behaupteten
Kälte eine leidenschaftliche Empfindung für seine Gemahlin; und wenn er ihr im
Kerzenlichte des Schlosses den Rücken kehrte und gleichgültige Gespräche mit
Fremden anknüpfte, während das Auge seiner Frau, wie Hilfe rufend, ihn ver¬
langte, so sah er wieder mit Entzücken auf die reizende Gestalt und die anmuthigen
Bewegungen der Fürstin, wenn er mit ihr allein durch das Gedränge der Straßen
spazierte, und ein unterdrücktes Geflüster die Schönheit seiner Frau manchmal auf
seine Kosten pries. Es war ein interessantes Paar alle Beide, und ihr Leben
wäre ein Romanstoff, der an rührenden und tragischen Momenten die Erfindungen
unserer Poeten wohl übertreffen würde. Die Fürstin ist todt, und der Licht¬
glanz verblichen, welcher durch einige Jahre das alte Königsschloß von Polen ver¬
schönt hatte.

Lange Jahre lebte der Fürst Paökiewicz wie ein lediger Mann, getrennt
von den Seinigen, seine Gemahlin größtenteils in Italien, seine Kinder, ein
Sohn und zwei Töchter, in russischen Erziehungsanstalten oder bei der Mutter;
seit etlichen Jahren dagegen hat er seine Kinder um sich, und auch die Gemahlin
des Fürsten verweilte öfter im Schlosse. Der Fürst ist Vater und Hausherr ge¬
worden. Alt seiner Tafel sieht man nur noch einzelne respectable Damen, und
an seinem Spieltisch in der Regel gar keine mehr.

Dagegen ist der Fürst jetzt umgänglicher. Früher trat er den Herren,
welche seine Gemächer betraten, ziemlich schroff gegenüber, jetzt hört und spricht er
leichter und gefälliger. Auch ein eifrigerer Beamter ist er geworden. Die Kräfte,
welche sonst nach anderen Seiten hin verwendet wurden, widmet er jetzt zum großen
Theil seiner Kanzlei, dem Telegraphenbureau, welches sich im Schlosse befindet, und
anderen geschäftlichen Gebieten. Den Polen aber zeigt er sich noch immer sehr fremd,
ja fremder als sonst. Polnische Bittschriften weist er oft zurück, weil sie polnisch
M. Gewöhnlich läßt er dann den Bescheid ertheilen, man möge sich in russi¬
scher, französischer oder deutscher Sprache an ihn wenden. Nur einige Auser¬
wählte von polnischer Geburt, Fürst Jablonowski, der Graf Franciszek Potocki
u. n. A. veranlassen ihn, dieser Regel Ausnahmen zuzugestehen, und gegen sie
ist er in hohem Grade traut und freundschaftlich, er betrachtet sie mehr als
Russen denn als Polen. Und in der That haben sich die Familien dieser Herren


Grcnzvoten. I. 1851. ^3

Gemahl waren beide interessant und wohl der Bekanntschaft werth. Die Fürstin
galt für die herrschende Schönheit, Paökiewicz huldigte ihr mit all der energischen
Zärtlichkeit, deren er fähig war, und sie wurde, je mehr sie ihn beherrschte, um
so demüthiger und freundlicher gegen Solche, die zu ihr herauf sahen. Nicht
das Zeichen einer gemeinen Natur. — Und er, der Fürst, scheinbar so abgelebt und
gleichgiltig gegen seine Frau und die Welt, der in Gesellschaft saß wie ein Stein¬
bild und nur ein mattes Lächeln hatte für die unaufhörlichen Huldigungen, welche
seiner Gemahlin nach dem Beispiel des Regenten von allen Russen dargebracht
wurden, verbarg hinter einem unscheinbaren Aeußern und einer gut behaupteten
Kälte eine leidenschaftliche Empfindung für seine Gemahlin; und wenn er ihr im
Kerzenlichte des Schlosses den Rücken kehrte und gleichgültige Gespräche mit
Fremden anknüpfte, während das Auge seiner Frau, wie Hilfe rufend, ihn ver¬
langte, so sah er wieder mit Entzücken auf die reizende Gestalt und die anmuthigen
Bewegungen der Fürstin, wenn er mit ihr allein durch das Gedränge der Straßen
spazierte, und ein unterdrücktes Geflüster die Schönheit seiner Frau manchmal auf
seine Kosten pries. Es war ein interessantes Paar alle Beide, und ihr Leben
wäre ein Romanstoff, der an rührenden und tragischen Momenten die Erfindungen
unserer Poeten wohl übertreffen würde. Die Fürstin ist todt, und der Licht¬
glanz verblichen, welcher durch einige Jahre das alte Königsschloß von Polen ver¬
schönt hatte.

Lange Jahre lebte der Fürst Paökiewicz wie ein lediger Mann, getrennt
von den Seinigen, seine Gemahlin größtenteils in Italien, seine Kinder, ein
Sohn und zwei Töchter, in russischen Erziehungsanstalten oder bei der Mutter;
seit etlichen Jahren dagegen hat er seine Kinder um sich, und auch die Gemahlin
des Fürsten verweilte öfter im Schlosse. Der Fürst ist Vater und Hausherr ge¬
worden. Alt seiner Tafel sieht man nur noch einzelne respectable Damen, und
an seinem Spieltisch in der Regel gar keine mehr.

Dagegen ist der Fürst jetzt umgänglicher. Früher trat er den Herren,
welche seine Gemächer betraten, ziemlich schroff gegenüber, jetzt hört und spricht er
leichter und gefälliger. Auch ein eifrigerer Beamter ist er geworden. Die Kräfte,
welche sonst nach anderen Seiten hin verwendet wurden, widmet er jetzt zum großen
Theil seiner Kanzlei, dem Telegraphenbureau, welches sich im Schlosse befindet, und
anderen geschäftlichen Gebieten. Den Polen aber zeigt er sich noch immer sehr fremd,
ja fremder als sonst. Polnische Bittschriften weist er oft zurück, weil sie polnisch
M. Gewöhnlich läßt er dann den Bescheid ertheilen, man möge sich in russi¬
scher, französischer oder deutscher Sprache an ihn wenden. Nur einige Auser¬
wählte von polnischer Geburt, Fürst Jablonowski, der Graf Franciszek Potocki
u. n. A. veranlassen ihn, dieser Regel Ausnahmen zuzugestehen, und gegen sie
ist er in hohem Grade traut und freundschaftlich, er betrachtet sie mehr als
Russen denn als Polen. Und in der That haben sich die Familien dieser Herren


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[0189] Gemahl waren beide interessant und wohl der Bekanntschaft werth. Die Fürstin galt für die herrschende Schönheit, Paökiewicz huldigte ihr mit all der energischen Zärtlichkeit, deren er fähig war, und sie wurde, je mehr sie ihn beherrschte, um so demüthiger und freundlicher gegen Solche, die zu ihr herauf sahen. Nicht das Zeichen einer gemeinen Natur. — Und er, der Fürst, scheinbar so abgelebt und gleichgiltig gegen seine Frau und die Welt, der in Gesellschaft saß wie ein Stein¬ bild und nur ein mattes Lächeln hatte für die unaufhörlichen Huldigungen, welche seiner Gemahlin nach dem Beispiel des Regenten von allen Russen dargebracht wurden, verbarg hinter einem unscheinbaren Aeußern und einer gut behaupteten Kälte eine leidenschaftliche Empfindung für seine Gemahlin; und wenn er ihr im Kerzenlichte des Schlosses den Rücken kehrte und gleichgültige Gespräche mit Fremden anknüpfte, während das Auge seiner Frau, wie Hilfe rufend, ihn ver¬ langte, so sah er wieder mit Entzücken auf die reizende Gestalt und die anmuthigen Bewegungen der Fürstin, wenn er mit ihr allein durch das Gedränge der Straßen spazierte, und ein unterdrücktes Geflüster die Schönheit seiner Frau manchmal auf seine Kosten pries. Es war ein interessantes Paar alle Beide, und ihr Leben wäre ein Romanstoff, der an rührenden und tragischen Momenten die Erfindungen unserer Poeten wohl übertreffen würde. Die Fürstin ist todt, und der Licht¬ glanz verblichen, welcher durch einige Jahre das alte Königsschloß von Polen ver¬ schönt hatte. Lange Jahre lebte der Fürst Paökiewicz wie ein lediger Mann, getrennt von den Seinigen, seine Gemahlin größtenteils in Italien, seine Kinder, ein Sohn und zwei Töchter, in russischen Erziehungsanstalten oder bei der Mutter; seit etlichen Jahren dagegen hat er seine Kinder um sich, und auch die Gemahlin des Fürsten verweilte öfter im Schlosse. Der Fürst ist Vater und Hausherr ge¬ worden. Alt seiner Tafel sieht man nur noch einzelne respectable Damen, und an seinem Spieltisch in der Regel gar keine mehr. Dagegen ist der Fürst jetzt umgänglicher. Früher trat er den Herren, welche seine Gemächer betraten, ziemlich schroff gegenüber, jetzt hört und spricht er leichter und gefälliger. Auch ein eifrigerer Beamter ist er geworden. Die Kräfte, welche sonst nach anderen Seiten hin verwendet wurden, widmet er jetzt zum großen Theil seiner Kanzlei, dem Telegraphenbureau, welches sich im Schlosse befindet, und anderen geschäftlichen Gebieten. Den Polen aber zeigt er sich noch immer sehr fremd, ja fremder als sonst. Polnische Bittschriften weist er oft zurück, weil sie polnisch M. Gewöhnlich läßt er dann den Bescheid ertheilen, man möge sich in russi¬ scher, französischer oder deutscher Sprache an ihn wenden. Nur einige Auser¬ wählte von polnischer Geburt, Fürst Jablonowski, der Graf Franciszek Potocki u. n. A. veranlassen ihn, dieser Regel Ausnahmen zuzugestehen, und gegen sie ist er in hohem Grade traut und freundschaftlich, er betrachtet sie mehr als Russen denn als Polen. Und in der That haben sich die Familien dieser Herren Grcnzvoten. I. 1851. ^3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/189>, abgerufen am 27.06.2024.