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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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fachen Verzierungen der Hänser, die Giebel und Schornsteine nud der geflügelte
Löwe in steinernen Reliefen erzählen von derselben Herrschaft. Zwei griechische
Kirchen nud der Maugel an culturfähigen Boden in der Nähe der Stadt sind
die Merkwürdigkeiten

Die Stadt ist ein Nest, von Wasservögeln an die Felsenwand gebant, aber,
der Grund um sie herum ist blutig, vielleicht kein Schritt, wo uicht einmal Men-
schenblut vergossen wurde, denn seit ältester Zeit ist das Ufer der Bai der Bo¬
den gewesen für die wildesten Kämpfe. Die Römer verfolgten Hieher auf ihren
langen Kriegsschiffen die illyrischen Seeräuber und gründeten ans dem blutigen
Grnnde eine Römerstadt Ascrivium; damals fuhr der römische Bürger durch die
Le Catene uach deu Jnseln und Italien und stieg herauf in das schwarze Ge¬
birge, gefolgt von seinen Sclaven, welche feine Linnen und Purpurgewänder
über die Berge trugen; und dort, wo über der Stadt das Schloß steht, welches
durch einen im Zickzack laufenden und befestigten Gaug mit der Stadt verbunden
ist, stand wohl ein römischer Wartthurm, und der Adler eiuer Legion sah maje¬
stätisch auf die Wasserfläche, welche ihm gehorchte. -- Auf den Römer folgte der
Grieche von Byzanz, ein griechisches Kreuz glänzte von der Standarte, welche
die Byzantiner bewachten. Die Stadt darunter führte damals den Namen
Decatera. Noch fuhr der Unterthan von Constantinopel als Händler an die
italische Küste, aber er sah scheu aus zu deu Felsen über seinem Haupte, denn
oben im Hochland wälzten sich fremde kriegerische Völker im blutigen Getümmel
durcheinander. Und vom hohen Loveen her stürzte an einem Tage eine wilde
furchtbare Schaar herunter in das Thal, mit barbarischen Waffen und unver-
ständlicher Sprache, die Avaren; sie erschlugen die Griechen nud sprangen er¬
staunt an die glänzenden Fluthen der See, die ihrem grausamen Wanderzug ein
Ende machte. Diese Völkerwelle zerrann; slavische Stämme stiegen uach ihnen
herab und versuchten die zertrümmerte Stadt dürstig wieder aufzubauen. Sie
.kam in der dunkeln gewaltsamen Zeit zu keinem Gedeihen. Von Sicilien her
aber schwamm im neunten Jahrhundert ans schnellen Schiffen ein braunes,
bärtiges Volk mit Turbanen ans dem geschorenen Haupt und Raublust im Herzen;
sie fuhren durch die Bocche und überfielen die kraftlose Stadt, die Einwohner
wurden erschlagen und zerstreut, und der Halbmond spiegelte sich vou der kahlen
Höhe über der Stadt im Wasser. Bald darauf kehrten, wie die Sage erzählt,
die Einwohner ans dem Bohnischen zurück und bauten sich vorsichtig einen um¬
mauerten Sitz oben auf der Höhe des Felsens. Wieder wehte die Kreuzfahue
über der Bai, und eine neue Stadt erstand an dem Ufer, welche sich der heiligen
Trifone weihte und seitdem Cattaro heißt. Die Stadt erhielt sich, eine kleine
slavische Republik; der König von Serbien beschütte sie. Im Jahre 1172 wurde
sie durch die Schlauheit der, Griechen wiedergewonnen, aber das schwache Reich
vermochte sich nicht zu behaupten, der Serbenkönig kam wieder über sie. Hundert


fachen Verzierungen der Hänser, die Giebel und Schornsteine nud der geflügelte
Löwe in steinernen Reliefen erzählen von derselben Herrschaft. Zwei griechische
Kirchen nud der Maugel an culturfähigen Boden in der Nähe der Stadt sind
die Merkwürdigkeiten

Die Stadt ist ein Nest, von Wasservögeln an die Felsenwand gebant, aber,
der Grund um sie herum ist blutig, vielleicht kein Schritt, wo uicht einmal Men-
schenblut vergossen wurde, denn seit ältester Zeit ist das Ufer der Bai der Bo¬
den gewesen für die wildesten Kämpfe. Die Römer verfolgten Hieher auf ihren
langen Kriegsschiffen die illyrischen Seeräuber und gründeten ans dem blutigen
Grnnde eine Römerstadt Ascrivium; damals fuhr der römische Bürger durch die
Le Catene uach deu Jnseln und Italien und stieg herauf in das schwarze Ge¬
birge, gefolgt von seinen Sclaven, welche feine Linnen und Purpurgewänder
über die Berge trugen; und dort, wo über der Stadt das Schloß steht, welches
durch einen im Zickzack laufenden und befestigten Gaug mit der Stadt verbunden
ist, stand wohl ein römischer Wartthurm, und der Adler eiuer Legion sah maje¬
stätisch auf die Wasserfläche, welche ihm gehorchte. — Auf den Römer folgte der
Grieche von Byzanz, ein griechisches Kreuz glänzte von der Standarte, welche
die Byzantiner bewachten. Die Stadt darunter führte damals den Namen
Decatera. Noch fuhr der Unterthan von Constantinopel als Händler an die
italische Küste, aber er sah scheu aus zu deu Felsen über seinem Haupte, denn
oben im Hochland wälzten sich fremde kriegerische Völker im blutigen Getümmel
durcheinander. Und vom hohen Loveen her stürzte an einem Tage eine wilde
furchtbare Schaar herunter in das Thal, mit barbarischen Waffen und unver-
ständlicher Sprache, die Avaren; sie erschlugen die Griechen nud sprangen er¬
staunt an die glänzenden Fluthen der See, die ihrem grausamen Wanderzug ein
Ende machte. Diese Völkerwelle zerrann; slavische Stämme stiegen uach ihnen
herab und versuchten die zertrümmerte Stadt dürstig wieder aufzubauen. Sie
.kam in der dunkeln gewaltsamen Zeit zu keinem Gedeihen. Von Sicilien her
aber schwamm im neunten Jahrhundert ans schnellen Schiffen ein braunes,
bärtiges Volk mit Turbanen ans dem geschorenen Haupt und Raublust im Herzen;
sie fuhren durch die Bocche und überfielen die kraftlose Stadt, die Einwohner
wurden erschlagen und zerstreut, und der Halbmond spiegelte sich vou der kahlen
Höhe über der Stadt im Wasser. Bald darauf kehrten, wie die Sage erzählt,
die Einwohner ans dem Bohnischen zurück und bauten sich vorsichtig einen um¬
mauerten Sitz oben auf der Höhe des Felsens. Wieder wehte die Kreuzfahue
über der Bai, und eine neue Stadt erstand an dem Ufer, welche sich der heiligen
Trifone weihte und seitdem Cattaro heißt. Die Stadt erhielt sich, eine kleine
slavische Republik; der König von Serbien beschütte sie. Im Jahre 1172 wurde
sie durch die Schlauheit der, Griechen wiedergewonnen, aber das schwache Reich
vermochte sich nicht zu behaupten, der Serbenkönig kam wieder über sie. Hundert


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[0149] fachen Verzierungen der Hänser, die Giebel und Schornsteine nud der geflügelte Löwe in steinernen Reliefen erzählen von derselben Herrschaft. Zwei griechische Kirchen nud der Maugel an culturfähigen Boden in der Nähe der Stadt sind die Merkwürdigkeiten Die Stadt ist ein Nest, von Wasservögeln an die Felsenwand gebant, aber, der Grund um sie herum ist blutig, vielleicht kein Schritt, wo uicht einmal Men- schenblut vergossen wurde, denn seit ältester Zeit ist das Ufer der Bai der Bo¬ den gewesen für die wildesten Kämpfe. Die Römer verfolgten Hieher auf ihren langen Kriegsschiffen die illyrischen Seeräuber und gründeten ans dem blutigen Grnnde eine Römerstadt Ascrivium; damals fuhr der römische Bürger durch die Le Catene uach deu Jnseln und Italien und stieg herauf in das schwarze Ge¬ birge, gefolgt von seinen Sclaven, welche feine Linnen und Purpurgewänder über die Berge trugen; und dort, wo über der Stadt das Schloß steht, welches durch einen im Zickzack laufenden und befestigten Gaug mit der Stadt verbunden ist, stand wohl ein römischer Wartthurm, und der Adler eiuer Legion sah maje¬ stätisch auf die Wasserfläche, welche ihm gehorchte. — Auf den Römer folgte der Grieche von Byzanz, ein griechisches Kreuz glänzte von der Standarte, welche die Byzantiner bewachten. Die Stadt darunter führte damals den Namen Decatera. Noch fuhr der Unterthan von Constantinopel als Händler an die italische Küste, aber er sah scheu aus zu deu Felsen über seinem Haupte, denn oben im Hochland wälzten sich fremde kriegerische Völker im blutigen Getümmel durcheinander. Und vom hohen Loveen her stürzte an einem Tage eine wilde furchtbare Schaar herunter in das Thal, mit barbarischen Waffen und unver- ständlicher Sprache, die Avaren; sie erschlugen die Griechen nud sprangen er¬ staunt an die glänzenden Fluthen der See, die ihrem grausamen Wanderzug ein Ende machte. Diese Völkerwelle zerrann; slavische Stämme stiegen uach ihnen herab und versuchten die zertrümmerte Stadt dürstig wieder aufzubauen. Sie .kam in der dunkeln gewaltsamen Zeit zu keinem Gedeihen. Von Sicilien her aber schwamm im neunten Jahrhundert ans schnellen Schiffen ein braunes, bärtiges Volk mit Turbanen ans dem geschorenen Haupt und Raublust im Herzen; sie fuhren durch die Bocche und überfielen die kraftlose Stadt, die Einwohner wurden erschlagen und zerstreut, und der Halbmond spiegelte sich vou der kahlen Höhe über der Stadt im Wasser. Bald darauf kehrten, wie die Sage erzählt, die Einwohner ans dem Bohnischen zurück und bauten sich vorsichtig einen um¬ mauerten Sitz oben auf der Höhe des Felsens. Wieder wehte die Kreuzfahue über der Bai, und eine neue Stadt erstand an dem Ufer, welche sich der heiligen Trifone weihte und seitdem Cattaro heißt. Die Stadt erhielt sich, eine kleine slavische Republik; der König von Serbien beschütte sie. Im Jahre 1172 wurde sie durch die Schlauheit der, Griechen wiedergewonnen, aber das schwache Reich vermochte sich nicht zu behaupten, der Serbenkönig kam wieder über sie. Hundert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/149>, abgerufen am 22.06.2024.