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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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leisten können, das vermögen nur die zu schätzen, welche ihm näher gestanden
und Gelegenheit gehabt haben, sein ernstes Streben nach allen Seiten hin,
die vielversprechenden Anfänge seines sast immer in bescheidne Zurückhaltung sich
hüllenden tüchtigen Wirkens zu beobachten und so nach den Leistungen seiner Ju¬
gend die Hoffnungen auf sein reiferes Mannesalter zu messen. Er vereinigte mit
der Frische, Weichheit und Liebenswürdigkeit des jugendlichen Alters den Ernst,
die Reife, die Festigkeit der vollendeten Mannheit. Glühend für die Größe des
Vaterlandes mit dem ganzen Feuer eines kräftigen unverdorbenen, von der elen¬
den Blasnthcit unserer Zeit unberührten Jünglings war er doch kein Phantast,
war es wenigstens nicht mehr, als jene Männer und Greise, die ein Leben voll
der reichsten praktischen Erfahrungen oder der tiefsten Studien zu demselben Glau¬
ben an die Möglichkeit und Nothwendigkeit eines einige" Deutschland geleitet
hatte und denen er, der jüngere Genosse, mit inniger, aber bewußter Hingebung
sich anschloß, jene Arndt, Gagern, Dahlmann. Ein so aufrichtiger Freund des
Volks, und zwar aller Klassen derselben, wie vielleicht nur wenige, sür Recht
und Freiheit eingenommen, nicht blos durch deu kalt abwägende" Verstand, son¬
dern durch das noch jugendlich rascher schlagende Herz und die fast burschenhafte
Ritterlichkeit seines ganzen Wesens, hatte er doch mit frühreifer Besonnenheit die
falsche von der wahren Freiheit scheiden gelernt, und niemals entzog sich sein,
wenn auch noch so sehr durch Unrecht und Gewaltthat von der Gegenseite erreg¬
tes Gefühl dieser zügelnden Disciplin seines Verstandes. Immer bereit, sür ein
wahres Volks- und Natioualiuteresse mit seiner ganzen Person einzustehen, war
er ebenso unerschütterlich im Widerstand gegen Verlockungen, welche ein solches
Interesse nur als Maske benutzten.

Erst 25 Jahre alt, ward er von der Gemeinde der ehemaligen Reichsstadt
Dinkelsbühl einstimmig zum rechtskundigen Magistratsrath erwählt -- ein Beweis
des Vertrauens, welches schon in so früher Jugend sein Charakter einflößte. Er
war es, der zuerst in Baiern den Adressensturm gegen den offenen Brief des
Königs von Dänemark anregte und den Anstoß zum Beselerfouds gab.

Abermals einstimmig vom Bezirke Dinkelsbühl zum deutschen Parlamente
abgeordnet, nahm er dort seinen Platz, zum Staunen und Aerger der Linken,
welche in dem jungen kecken Gesellen Einen der Ihrigen zu begrüßen gehofft
hatte, im Centrum, zuerst im linken (Würtenberger Hof), bei der neuen Partei-
gruppirung nach deu Septembertagen im rechten (Augsburger Hof), und schloß
sich endlich der Kaiserpartei an. Mit dem größern Theile derselben verließ er
das Parlament bald nach Gagern, Dahlmann, Simson u. A. Aber er konnte
es nicht über sich gewinnen, in müssiger Ruhe oder bei fernabliegender Geschästs-
thätigkeit der weitern Entwickelung der Dinge zuzusehen -- es drängte ihn, für's
Vaterland sein Leben einzusetzen; nur suchte er einen Kampfplatz, wo er dies mit
voller Ueberzeugung, ohne Gefahr sür seine Ehre und sein Gewissen zu thun


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leisten können, das vermögen nur die zu schätzen, welche ihm näher gestanden
und Gelegenheit gehabt haben, sein ernstes Streben nach allen Seiten hin,
die vielversprechenden Anfänge seines sast immer in bescheidne Zurückhaltung sich
hüllenden tüchtigen Wirkens zu beobachten und so nach den Leistungen seiner Ju¬
gend die Hoffnungen auf sein reiferes Mannesalter zu messen. Er vereinigte mit
der Frische, Weichheit und Liebenswürdigkeit des jugendlichen Alters den Ernst,
die Reife, die Festigkeit der vollendeten Mannheit. Glühend für die Größe des
Vaterlandes mit dem ganzen Feuer eines kräftigen unverdorbenen, von der elen¬
den Blasnthcit unserer Zeit unberührten Jünglings war er doch kein Phantast,
war es wenigstens nicht mehr, als jene Männer und Greise, die ein Leben voll
der reichsten praktischen Erfahrungen oder der tiefsten Studien zu demselben Glau¬
ben an die Möglichkeit und Nothwendigkeit eines einige» Deutschland geleitet
hatte und denen er, der jüngere Genosse, mit inniger, aber bewußter Hingebung
sich anschloß, jene Arndt, Gagern, Dahlmann. Ein so aufrichtiger Freund des
Volks, und zwar aller Klassen derselben, wie vielleicht nur wenige, sür Recht
und Freiheit eingenommen, nicht blos durch deu kalt abwägende» Verstand, son¬
dern durch das noch jugendlich rascher schlagende Herz und die fast burschenhafte
Ritterlichkeit seines ganzen Wesens, hatte er doch mit frühreifer Besonnenheit die
falsche von der wahren Freiheit scheiden gelernt, und niemals entzog sich sein,
wenn auch noch so sehr durch Unrecht und Gewaltthat von der Gegenseite erreg¬
tes Gefühl dieser zügelnden Disciplin seines Verstandes. Immer bereit, sür ein
wahres Volks- und Natioualiuteresse mit seiner ganzen Person einzustehen, war
er ebenso unerschütterlich im Widerstand gegen Verlockungen, welche ein solches
Interesse nur als Maske benutzten.

Erst 25 Jahre alt, ward er von der Gemeinde der ehemaligen Reichsstadt
Dinkelsbühl einstimmig zum rechtskundigen Magistratsrath erwählt — ein Beweis
des Vertrauens, welches schon in so früher Jugend sein Charakter einflößte. Er
war es, der zuerst in Baiern den Adressensturm gegen den offenen Brief des
Königs von Dänemark anregte und den Anstoß zum Beselerfouds gab.

Abermals einstimmig vom Bezirke Dinkelsbühl zum deutschen Parlamente
abgeordnet, nahm er dort seinen Platz, zum Staunen und Aerger der Linken,
welche in dem jungen kecken Gesellen Einen der Ihrigen zu begrüßen gehofft
hatte, im Centrum, zuerst im linken (Würtenberger Hof), bei der neuen Partei-
gruppirung nach deu Septembertagen im rechten (Augsburger Hof), und schloß
sich endlich der Kaiserpartei an. Mit dem größern Theile derselben verließ er
das Parlament bald nach Gagern, Dahlmann, Simson u. A. Aber er konnte
es nicht über sich gewinnen, in müssiger Ruhe oder bei fernabliegender Geschästs-
thätigkeit der weitern Entwickelung der Dinge zuzusehen — es drängte ihn, für's
Vaterland sein Leben einzusetzen; nur suchte er einen Kampfplatz, wo er dies mit
voller Ueberzeugung, ohne Gefahr sür seine Ehre und sein Gewissen zu thun


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/79>, abgerufen am 27.07.2024.