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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Deutsche Übersetzung beigefügt zu sein pflegt. Weniger als am Niederrhein
wird am Oberrhein noch Deutsch gesprochen, z. B. in Kolmar, selten mehr in
Mühlhausen, was viel mit Basel und der Deutschen Schweiz in Verbindung steht.
Ueber Mühlhausen hinunter hört das Deutsch fast ganz auf, und schon 1--2 Post-
stationen weiter findet mau große Ortschaften, in denen kein Mensch ein einziges
Wort Deutsch versteht. Uebrigens ist in den letzten 20 Jahren, wo man in
Paris das Centralisationssystem mit neuer Kraft verfolgte, die Deutsche Sprache
im Elsaß planmäßig unterdrückt worden. So ist es z. B. den Elsasser Sol¬
daten verboten, in den Casernenzimmern Deutsch zu sprechen. Kann aber der
Elsasser anch noch meist Deutsch sprechen, so wird man sonst nicht die mindeste
Anhänglichkeit für das Deutschthum bei ihm finden. ,,^<z sui" ^r-in^-us," wird
Derselbe fast stets sagen, höchstens hie und da "ich bin ein Elsasser," aber nie "ich
bin ein Deutscher". Zwar liebt das Landvolk die Franzosen, die es meist als
Gendarmen, Douaniers und Steuererheber, also nur von der unangenehmen Seite
kennen lernt, nicht im Mindesten, und schimpft oft über die "Welschen" oder
"Franschen", wie es sie nennt, und über Welsche Sachen und Sitten; diese Ab¬
neigung des Bauern für das Franzosenthum beweist aber nicht im Mindesten, daß
er deshalb eine Vorliebe für das Deutsche besitzt. Man frage nur jeden
Elsasser Bauern, ob er gern wieder zu Deutschland gehören möchte, und er
wird verwundert sagen: "Wösch ist denn das," und kommt man nun näher und
fragt: "Möchtet Ihr, daß Ihr da drüben zu Baden gehörtet?" so heißt es: "Oh
nee, Die da müsse ehe so viel secure zahle wie wir, un sein doch nur a so a
klaanes Ländle, da ischt es besser, wir bleibe wohns wir seind." -- In seinem
ganzen politischen Leben hängt der gebildete Elsasser von Paris ab, und was
dort geschieht, hat Interesse für ihn. Die politischen Nachrichten aus Paris
füllen fast allein alle Spalten der Elsasser Zeitungen an, aus Deutschland findet
man kaum einige kurze dürftige Auszüge aus Süddeutschen Blättern. Selbst
der "evurriöi- An, das Ma", das gelcseuste Blatt des Elsasses, der gemäßigt
republikanischen Partei augehörig, hält es nicht der Mühe werth, ans dem be-
nachbarten Karlsruhe oder Frankfurt eigene Korrespondenzen zu bringen. Anders
ist es mit der Deutschen Kunst und Wissenschaft. So gehört Straßburg z. B.
zum Kunstverein der Oberrheinischen Deutschen Städte, und aus der Gemälde¬
ausstellung, welche in diesem Frühjahr stattfand, waren ungleich mehr Deut¬
sche als Französische Bilder vorhanden, auch findet man in den Buchhandlungen,
neben den Französischen Werken, sehr viele Deutsche ausgestellt, besonders im
Fache der Geschichte, Naturgeschichte, Medicin und Landwirthschaft, und die Buch¬
händler versichern, daß sie in allen diesen Zweigen ebenso viel Deutsche, wie Fran¬
zösische Schriften verkaufen. In den Leihbibliotheken ist hingegen die Deutsche
Literatur ungemein spärlich vertreten, und die vorhandenen wenigen Bücher ge¬
hören größtentheils unsern Räuber- und Ritterromanen oder der Clauren'schen


Deutsche Übersetzung beigefügt zu sein pflegt. Weniger als am Niederrhein
wird am Oberrhein noch Deutsch gesprochen, z. B. in Kolmar, selten mehr in
Mühlhausen, was viel mit Basel und der Deutschen Schweiz in Verbindung steht.
Ueber Mühlhausen hinunter hört das Deutsch fast ganz auf, und schon 1—2 Post-
stationen weiter findet mau große Ortschaften, in denen kein Mensch ein einziges
Wort Deutsch versteht. Uebrigens ist in den letzten 20 Jahren, wo man in
Paris das Centralisationssystem mit neuer Kraft verfolgte, die Deutsche Sprache
im Elsaß planmäßig unterdrückt worden. So ist es z. B. den Elsasser Sol¬
daten verboten, in den Casernenzimmern Deutsch zu sprechen. Kann aber der
Elsasser anch noch meist Deutsch sprechen, so wird man sonst nicht die mindeste
Anhänglichkeit für das Deutschthum bei ihm finden. ,,^<z sui« ^r-in^-us," wird
Derselbe fast stets sagen, höchstens hie und da „ich bin ein Elsasser," aber nie „ich
bin ein Deutscher". Zwar liebt das Landvolk die Franzosen, die es meist als
Gendarmen, Douaniers und Steuererheber, also nur von der unangenehmen Seite
kennen lernt, nicht im Mindesten, und schimpft oft über die „Welschen" oder
„Franschen", wie es sie nennt, und über Welsche Sachen und Sitten; diese Ab¬
neigung des Bauern für das Franzosenthum beweist aber nicht im Mindesten, daß
er deshalb eine Vorliebe für das Deutsche besitzt. Man frage nur jeden
Elsasser Bauern, ob er gern wieder zu Deutschland gehören möchte, und er
wird verwundert sagen: „Wösch ist denn das," und kommt man nun näher und
fragt: „Möchtet Ihr, daß Ihr da drüben zu Baden gehörtet?" so heißt es: „Oh
nee, Die da müsse ehe so viel secure zahle wie wir, un sein doch nur a so a
klaanes Ländle, da ischt es besser, wir bleibe wohns wir seind." — In seinem
ganzen politischen Leben hängt der gebildete Elsasser von Paris ab, und was
dort geschieht, hat Interesse für ihn. Die politischen Nachrichten aus Paris
füllen fast allein alle Spalten der Elsasser Zeitungen an, aus Deutschland findet
man kaum einige kurze dürftige Auszüge aus Süddeutschen Blättern. Selbst
der „evurriöi- An, das Ma", das gelcseuste Blatt des Elsasses, der gemäßigt
republikanischen Partei augehörig, hält es nicht der Mühe werth, ans dem be-
nachbarten Karlsruhe oder Frankfurt eigene Korrespondenzen zu bringen. Anders
ist es mit der Deutschen Kunst und Wissenschaft. So gehört Straßburg z. B.
zum Kunstverein der Oberrheinischen Deutschen Städte, und aus der Gemälde¬
ausstellung, welche in diesem Frühjahr stattfand, waren ungleich mehr Deut¬
sche als Französische Bilder vorhanden, auch findet man in den Buchhandlungen,
neben den Französischen Werken, sehr viele Deutsche ausgestellt, besonders im
Fache der Geschichte, Naturgeschichte, Medicin und Landwirthschaft, und die Buch¬
händler versichern, daß sie in allen diesen Zweigen ebenso viel Deutsche, wie Fran¬
zösische Schriften verkaufen. In den Leihbibliotheken ist hingegen die Deutsche
Literatur ungemein spärlich vertreten, und die vorhandenen wenigen Bücher ge¬
hören größtentheils unsern Räuber- und Ritterromanen oder der Clauren'schen


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[0352] Deutsche Übersetzung beigefügt zu sein pflegt. Weniger als am Niederrhein wird am Oberrhein noch Deutsch gesprochen, z. B. in Kolmar, selten mehr in Mühlhausen, was viel mit Basel und der Deutschen Schweiz in Verbindung steht. Ueber Mühlhausen hinunter hört das Deutsch fast ganz auf, und schon 1—2 Post- stationen weiter findet mau große Ortschaften, in denen kein Mensch ein einziges Wort Deutsch versteht. Uebrigens ist in den letzten 20 Jahren, wo man in Paris das Centralisationssystem mit neuer Kraft verfolgte, die Deutsche Sprache im Elsaß planmäßig unterdrückt worden. So ist es z. B. den Elsasser Sol¬ daten verboten, in den Casernenzimmern Deutsch zu sprechen. Kann aber der Elsasser anch noch meist Deutsch sprechen, so wird man sonst nicht die mindeste Anhänglichkeit für das Deutschthum bei ihm finden. ,,^<z sui« ^r-in^-us," wird Derselbe fast stets sagen, höchstens hie und da „ich bin ein Elsasser," aber nie „ich bin ein Deutscher". Zwar liebt das Landvolk die Franzosen, die es meist als Gendarmen, Douaniers und Steuererheber, also nur von der unangenehmen Seite kennen lernt, nicht im Mindesten, und schimpft oft über die „Welschen" oder „Franschen", wie es sie nennt, und über Welsche Sachen und Sitten; diese Ab¬ neigung des Bauern für das Franzosenthum beweist aber nicht im Mindesten, daß er deshalb eine Vorliebe für das Deutsche besitzt. Man frage nur jeden Elsasser Bauern, ob er gern wieder zu Deutschland gehören möchte, und er wird verwundert sagen: „Wösch ist denn das," und kommt man nun näher und fragt: „Möchtet Ihr, daß Ihr da drüben zu Baden gehörtet?" so heißt es: „Oh nee, Die da müsse ehe so viel secure zahle wie wir, un sein doch nur a so a klaanes Ländle, da ischt es besser, wir bleibe wohns wir seind." — In seinem ganzen politischen Leben hängt der gebildete Elsasser von Paris ab, und was dort geschieht, hat Interesse für ihn. Die politischen Nachrichten aus Paris füllen fast allein alle Spalten der Elsasser Zeitungen an, aus Deutschland findet man kaum einige kurze dürftige Auszüge aus Süddeutschen Blättern. Selbst der „evurriöi- An, das Ma", das gelcseuste Blatt des Elsasses, der gemäßigt republikanischen Partei augehörig, hält es nicht der Mühe werth, ans dem be- nachbarten Karlsruhe oder Frankfurt eigene Korrespondenzen zu bringen. Anders ist es mit der Deutschen Kunst und Wissenschaft. So gehört Straßburg z. B. zum Kunstverein der Oberrheinischen Deutschen Städte, und aus der Gemälde¬ ausstellung, welche in diesem Frühjahr stattfand, waren ungleich mehr Deut¬ sche als Französische Bilder vorhanden, auch findet man in den Buchhandlungen, neben den Französischen Werken, sehr viele Deutsche ausgestellt, besonders im Fache der Geschichte, Naturgeschichte, Medicin und Landwirthschaft, und die Buch¬ händler versichern, daß sie in allen diesen Zweigen ebenso viel Deutsche, wie Fran¬ zösische Schriften verkaufen. In den Leihbibliotheken ist hingegen die Deutsche Literatur ungemein spärlich vertreten, und die vorhandenen wenigen Bücher ge¬ hören größtentheils unsern Räuber- und Ritterromanen oder der Clauren'schen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/352>, abgerufen am 01.09.2024.