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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Nationalitäten. Er macht ferner die Entdeckung, daß an unserm Widerstande
die Dresdner Conferenzen gescheitert wären, was weit Aber unsre Erwartung
hinausgeht, da wir uus eine" solchen Einfluß wenigstens im gegenwärtigen
Augenblicke kaum zugetraut hätten. Aus diesem bodenlosen Unsinn könne"
wir Nichts lerne". Dagegen ist es interessant, die Auffassung zu verfolgen,
welche der Großdeutsche Professor mit seiner Oestreichischen Hegemonie verbindet,
einzelne Extravaganzen, z. B. die Vorstellung von dem Baums von Kroatien in
der Uniform eines Deutschen Reichsdeputirteu, abgerechnet. Herr Butan sucht
nachzuweisen, daß weder das Ausland von Oestreichs Hegemonie Etwas zu fürch¬
ten hätte, denn der mitteleuropäische Kaiserstaat wäre eine viel z" ungelenke
Masse, um nach anßen hin gebraucht werdeu zu können, noch die Deutschen
Fürsten, in deren Besitzstand die Oestreichische Regierung keinen weitern Eingriff
thun würde, als daß sie vou ihnen Ruhe und Stabilität verlangte und allenfalls
einen Nachhalt in ihren Italienischen Streitigkeiten. Diese Ansicht ist vollkommen
richtig und bedurfte keines Beweises; gerade weil wir sie theilen, haben wir uus
nicht blos gegen die Oestreichische Hegemonie, sondern gegen ein weiteres Vor¬
dringen Oestreichs in den Deutsche" Bund überhaupt opponire. Hätte Oestreich
deu Willen und die Kraft, über jene armseligen Attribute des Präsidiums hin-
auszugehen, wäre es im Stande, aus Deutschland einen wirklichen Einheitsstaat
zu machen, so würden sich von unsrer.Partei Viele finde", die ebenso für Oest¬
reich in die Schranken träte", als jetzt für Preußen, auch wenn es nnr mit
schweren Opfern geschehen könnte, nicht ans Vorliebe für deu einen oder für den
andern Staat, sonder" ans dem Bewußtsein einer innern Nothwendigkeit.

Oestreich ist es aber nicht im Stande, und dann" kann seine Einmischmig
in die Deutschen Verhältnisse unsre Entwickelung nur hemmen und sie zu einer
gewaltsame" Krisis hindrängen. Allerdings sind wir der Ansicht, daß für de"
Augenblick der Eintritt Gesammtöstreichs in den Deutschen Bund nur eine nomi¬
nelle Veränderung wäre, aber es kommt darauf an, daß man in dem gegenwär¬
tigen Augenblick mit allen Illusionen bricht. Die Preußische Zeitung hat ganz
richtig bemerkt, daß der Hauptgewinn der Dresdner Conferenzen der wäre, daß
man eine klare Einsicht in die vollständige Erfolglosigkeit der bisherigen Anstren¬
gungen erlangt habe. Es wäre aber eine Illusion, wenn man glaubte, daß
Deuischland dnrch jenen Eintritt irgend Etwas gewinnen konnte. Oestreich kann
sich niemals dazu verstehen, seine Italienischen Verhältnisse vom Deutschen Bunde
entscheiden zu lassen; es bleibt also nach dieser Seite hin vollständig unabhängig,
und Deutschland legt sich nnr Verpflichtungen aus, ohne irgend einen Einfluß
dadurch zu erlangen. Eben so wenig kann Oestreich mit Ernst und Energie an
die Spitze der Deutschen Nationalangelegenheiten treten, wohin ich z. B. rechne
den Schutz Schleswig-Holsteins, die Aufhebung des Sundzolls und der Russischen
Grenzsperre; in alle" diesen Frage" müßte es Preußen für sich handeln lassen,


Nationalitäten. Er macht ferner die Entdeckung, daß an unserm Widerstande
die Dresdner Conferenzen gescheitert wären, was weit Aber unsre Erwartung
hinausgeht, da wir uus eine» solchen Einfluß wenigstens im gegenwärtigen
Augenblicke kaum zugetraut hätten. Aus diesem bodenlosen Unsinn könne»
wir Nichts lerne». Dagegen ist es interessant, die Auffassung zu verfolgen,
welche der Großdeutsche Professor mit seiner Oestreichischen Hegemonie verbindet,
einzelne Extravaganzen, z. B. die Vorstellung von dem Baums von Kroatien in
der Uniform eines Deutschen Reichsdeputirteu, abgerechnet. Herr Butan sucht
nachzuweisen, daß weder das Ausland von Oestreichs Hegemonie Etwas zu fürch¬
ten hätte, denn der mitteleuropäische Kaiserstaat wäre eine viel z» ungelenke
Masse, um nach anßen hin gebraucht werdeu zu können, noch die Deutschen
Fürsten, in deren Besitzstand die Oestreichische Regierung keinen weitern Eingriff
thun würde, als daß sie vou ihnen Ruhe und Stabilität verlangte und allenfalls
einen Nachhalt in ihren Italienischen Streitigkeiten. Diese Ansicht ist vollkommen
richtig und bedurfte keines Beweises; gerade weil wir sie theilen, haben wir uus
nicht blos gegen die Oestreichische Hegemonie, sondern gegen ein weiteres Vor¬
dringen Oestreichs in den Deutsche» Bund überhaupt opponire. Hätte Oestreich
deu Willen und die Kraft, über jene armseligen Attribute des Präsidiums hin-
auszugehen, wäre es im Stande, aus Deutschland einen wirklichen Einheitsstaat
zu machen, so würden sich von unsrer.Partei Viele finde», die ebenso für Oest¬
reich in die Schranken träte», als jetzt für Preußen, auch wenn es nnr mit
schweren Opfern geschehen könnte, nicht ans Vorliebe für deu einen oder für den
andern Staat, sonder» ans dem Bewußtsein einer innern Nothwendigkeit.

Oestreich ist es aber nicht im Stande, und dann» kann seine Einmischmig
in die Deutschen Verhältnisse unsre Entwickelung nur hemmen und sie zu einer
gewaltsame» Krisis hindrängen. Allerdings sind wir der Ansicht, daß für de»
Augenblick der Eintritt Gesammtöstreichs in den Deutschen Bund nur eine nomi¬
nelle Veränderung wäre, aber es kommt darauf an, daß man in dem gegenwär¬
tigen Augenblick mit allen Illusionen bricht. Die Preußische Zeitung hat ganz
richtig bemerkt, daß der Hauptgewinn der Dresdner Conferenzen der wäre, daß
man eine klare Einsicht in die vollständige Erfolglosigkeit der bisherigen Anstren¬
gungen erlangt habe. Es wäre aber eine Illusion, wenn man glaubte, daß
Deuischland dnrch jenen Eintritt irgend Etwas gewinnen konnte. Oestreich kann
sich niemals dazu verstehen, seine Italienischen Verhältnisse vom Deutschen Bunde
entscheiden zu lassen; es bleibt also nach dieser Seite hin vollständig unabhängig,
und Deutschland legt sich nnr Verpflichtungen aus, ohne irgend einen Einfluß
dadurch zu erlangen. Eben so wenig kann Oestreich mit Ernst und Energie an
die Spitze der Deutschen Nationalangelegenheiten treten, wohin ich z. B. rechne
den Schutz Schleswig-Holsteins, die Aufhebung des Sundzolls und der Russischen
Grenzsperre; in alle» diesen Frage» müßte es Preußen für sich handeln lassen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/324>, abgerufen am 01.09.2024.