Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.durchsichtiges, wechselndes Kolorit, das den Hauch der Jugend über sie zauberte; Als sie ihren ersten Roman schrieb, hatte sie schon eine Reihe von Schicksalen Diese abenteuerliche Lebensweise ihres Vaters war das erste Moment, wei- 37*
durchsichtiges, wechselndes Kolorit, das den Hauch der Jugend über sie zauberte; Als sie ihren ersten Roman schrieb, hatte sie schon eine Reihe von Schicksalen Diese abenteuerliche Lebensweise ihres Vaters war das erste Moment, wei- 37*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91496"/> <p xml:id="ID_842" prev="#ID_841"> durchsichtiges, wechselndes Kolorit, das den Hauch der Jugend über sie zauberte;<lb/> Augen wechselnd im Ausdruck, wie die eiues Kindes, und verschieden im Glanz<lb/> schillernd, wie das Meer, wenn Wolken am Mittag darüber hin laufen; aber<lb/> zwischen den Augen und dem Aufschlag der lang bewimperten Augenlider ein Zug<lb/> von unaussprechlicher Schwermut!)." — Die Augen der Gräfin spielen bekannt¬<lb/> lich eine große Rolle in ihrem Leben, und der theilweise Verlust derselben hat<lb/> zu einer polemischen Episode mit dem großen Operateur Dieffenbach Veranlassung<lb/> gegeben. Ein Wenig poetische Licenz liegt auch darin, wenn sie in der Person<lb/> eines jungen Mannes über ihre Heldin, die im Mondscheine aus einem Balcon<lb/> mit untergeschlagenen Armen über ihm steht, in folgende Ekstase ausbucht: „Er<lb/> würde sich nicht gewundert haben, wenn sie auf ihrem rothen Shawl wie auf<lb/> eiuer Flamme geu Himmel gefahren wäre". Ueberhaupt ist die beständige co-<lb/> quette Selbstbetrachtung nicht geeignet, dem Menschen ein klares Bild von sich<lb/> selbst zu geben; ganz wie Herr von Lamartine ist Jlda Schönholm nicht im<lb/> Staude, ein Buch zu schreiben, ohne sich im Spiegel zu betrachten, wie schön<lb/> sie ist, wie holdselig sie die Feder zu halten weiß, und was sie sür Augen dazu<lb/> macht. Selbst wenn sie von Verzweiflung ergriffen sich auf die Ottomane wirft,<lb/> geschieht es mit sorgfältiger Rücksicht auf ihre Haltung. Je mehr man aber auf<lb/> diese Weise sich selber anschaut, desto weniger sieht man die Wirklichkeit. Und<lb/> so ist es auch in geistiger Beziehung. Die Gräfin hat bei ihrem Uebertritt mit<lb/> großer Befriedigung deu Proceß ihres Jnnern belauscht, aber sie hat sich doch<lb/> täuschen lassen, sie hat sür einen autonomen und großen Entschluß gehalten, was<lb/> Nichts war als eine Reihe schlechter Reminiscenzen, die man Punkt für Punkt<lb/> nachweisen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_843"> Als sie ihren ersten Roman schrieb, hatte sie schon eine Reihe von Schicksalen<lb/> erlebt. Ihr Vater, der Graf Karl Hahn, war ein seltsamer Herr. Ein reicher<lb/> Gutsbesitzer in Mecklenburg, hatte er schon in seinem 17. Jahre durch seinen<lb/> Aufenthalt in Hamburg 1797 eine so große Begeisterung sür die Bühne gefaßt,<lb/> daß er zuerst auf seinem Gute ein Privattheater im großartigsten Styl errichtete,<lb/> silberne Rüstungen machen ließ, die Schauspieler aufs Fürstlichste belohnte und<lb/> dann an die Spitze einer reisenden Truppe trat. In dem Jahre, wo unsere<lb/> Heldin geboren wurde, 180S, übernahm er das Hoftheater in Schwerin, und gab<lb/> dabei, wie bei andern Bühnen, so viel aus, daß 1808 seine Güter sequestrirt<lb/> werden mußten. Nachdem er die Freiheitskriege im Mecklenburgischen Dienste mit¬<lb/> gemacht hatte, nahm er 1817 seine alte Beschäftigung wieder auf, und hat sie bis<lb/> auf seinen, vor Kurzem erfolgten Tod fortgeführt. Er hat in Pommern, in Sach¬<lb/> sen, in Lübeck u. f. w. wandernde Truppen geleitet, ist aber selbst persönlich<lb/> nie aufgetreten, sondern hat sich höchstens mit der bescheidenen Rolle eines Sta¬<lb/> tisten begnügt.</p><lb/> <p xml:id="ID_844" next="#ID_845"> Diese abenteuerliche Lebensweise ihres Vaters war das erste Moment, wei-<lb/> '</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 37* </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303]
durchsichtiges, wechselndes Kolorit, das den Hauch der Jugend über sie zauberte;
Augen wechselnd im Ausdruck, wie die eiues Kindes, und verschieden im Glanz
schillernd, wie das Meer, wenn Wolken am Mittag darüber hin laufen; aber
zwischen den Augen und dem Aufschlag der lang bewimperten Augenlider ein Zug
von unaussprechlicher Schwermut!)." — Die Augen der Gräfin spielen bekannt¬
lich eine große Rolle in ihrem Leben, und der theilweise Verlust derselben hat
zu einer polemischen Episode mit dem großen Operateur Dieffenbach Veranlassung
gegeben. Ein Wenig poetische Licenz liegt auch darin, wenn sie in der Person
eines jungen Mannes über ihre Heldin, die im Mondscheine aus einem Balcon
mit untergeschlagenen Armen über ihm steht, in folgende Ekstase ausbucht: „Er
würde sich nicht gewundert haben, wenn sie auf ihrem rothen Shawl wie auf
eiuer Flamme geu Himmel gefahren wäre". Ueberhaupt ist die beständige co-
quette Selbstbetrachtung nicht geeignet, dem Menschen ein klares Bild von sich
selbst zu geben; ganz wie Herr von Lamartine ist Jlda Schönholm nicht im
Staude, ein Buch zu schreiben, ohne sich im Spiegel zu betrachten, wie schön
sie ist, wie holdselig sie die Feder zu halten weiß, und was sie sür Augen dazu
macht. Selbst wenn sie von Verzweiflung ergriffen sich auf die Ottomane wirft,
geschieht es mit sorgfältiger Rücksicht auf ihre Haltung. Je mehr man aber auf
diese Weise sich selber anschaut, desto weniger sieht man die Wirklichkeit. Und
so ist es auch in geistiger Beziehung. Die Gräfin hat bei ihrem Uebertritt mit
großer Befriedigung deu Proceß ihres Jnnern belauscht, aber sie hat sich doch
täuschen lassen, sie hat sür einen autonomen und großen Entschluß gehalten, was
Nichts war als eine Reihe schlechter Reminiscenzen, die man Punkt für Punkt
nachweisen kann.
Als sie ihren ersten Roman schrieb, hatte sie schon eine Reihe von Schicksalen
erlebt. Ihr Vater, der Graf Karl Hahn, war ein seltsamer Herr. Ein reicher
Gutsbesitzer in Mecklenburg, hatte er schon in seinem 17. Jahre durch seinen
Aufenthalt in Hamburg 1797 eine so große Begeisterung sür die Bühne gefaßt,
daß er zuerst auf seinem Gute ein Privattheater im großartigsten Styl errichtete,
silberne Rüstungen machen ließ, die Schauspieler aufs Fürstlichste belohnte und
dann an die Spitze einer reisenden Truppe trat. In dem Jahre, wo unsere
Heldin geboren wurde, 180S, übernahm er das Hoftheater in Schwerin, und gab
dabei, wie bei andern Bühnen, so viel aus, daß 1808 seine Güter sequestrirt
werden mußten. Nachdem er die Freiheitskriege im Mecklenburgischen Dienste mit¬
gemacht hatte, nahm er 1817 seine alte Beschäftigung wieder auf, und hat sie bis
auf seinen, vor Kurzem erfolgten Tod fortgeführt. Er hat in Pommern, in Sach¬
sen, in Lübeck u. f. w. wandernde Truppen geleitet, ist aber selbst persönlich
nie aufgetreten, sondern hat sich höchstens mit der bescheidenen Rolle eines Sta¬
tisten begnügt.
Diese abenteuerliche Lebensweise ihres Vaters war das erste Moment, wei-
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