Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.ergänzen; wir müssen empfinden, daß sich zwei starke, unbändige Naturen gegen¬ Aber es wird anch nothwendig sein, diese Scene nicht als etwas Fremdes, Nur auf diese Art ist im Charakter Mariens, wie er während des Stücks Von einem andern Gesichtspunkt ans muß uus freilich die Anwendung dieses Der Gegensatz zwischen Maria und Elisabeth ist kein blos individueller; es ergänzen; wir müssen empfinden, daß sich zwei starke, unbändige Naturen gegen¬ Aber es wird anch nothwendig sein, diese Scene nicht als etwas Fremdes, Nur auf diese Art ist im Charakter Mariens, wie er während des Stücks Von einem andern Gesichtspunkt ans muß uus freilich die Anwendung dieses Der Gegensatz zwischen Maria und Elisabeth ist kein blos individueller; es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91219"/> <p xml:id="ID_36" prev="#ID_35"> ergänzen; wir müssen empfinden, daß sich zwei starke, unbändige Naturen gegen¬<lb/> über stehen, nicht blos das Opfer dem Schlächter.</p><lb/> <p xml:id="ID_37"> Aber es wird anch nothwendig sein, diese Scene nicht als etwas Fremdes,<lb/> nnmotivirt in die Passivität ihres sonstigen Verhaltens eintreten zu lassen, wir<lb/> müssen anch in der Resignation, in welcher sie uns vorher erscheint, den stolzen<lb/> Geist ahnen, der sich nur unwillig dem Joche beugt. Schiller hat dies im Ein¬<lb/> zelnen angedeutet; es kommt darauf an, diese Andeutungen in Zusammenhang<lb/> zu bringen. Vor allen Dingen müssen die lyrischen Stellen im Garten nicht mit<lb/> weicher Empfindung, sondern mit dem heftigen Aufbrausen einer freiheitsdürstigen<lb/> Seele, die sich lauge mit Gewalt zurückgehalten hat, gesprochen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_38"> Nur auf diese Art ist im Charakter Mariens, wie er während des Stücks<lb/> zur Darstellung kommt, eine Bewegung und Entwickelung denkbar. Ihr Geist<lb/> ist im Anfang zwar gefangen, aber nicht gebrochen; er muß noch einmal in sei¬<lb/> ner ganzen Fülle sich zusammenraffen, um sich dann durch die Macht des Glau¬<lb/> bens unbedingt vor Gott zu demüthigen und mit vollem Bewußtsein das ihm<lb/> widerfahrene Unrecht, die Gewaltthat der Feinde und die Treulosigkeit des Ge«<lb/> liebten, als ein höheres Recht des Himmels hinzunehmen. Für diesen Umschwung<lb/> ist die kurze Scene mit Mortimer, in welcher sie sich vor ihrem treusten Freunde<lb/> entsetzen muß und wo in seiner wilden Leidenschaft ihr das Bild der eignen Ver¬<lb/> gangenheit mit allen Schrecken des Gewissens entgegentritt, eine sehr nothwendige<lb/> Vorbereitung, und daß der Umschwung selbst, die geistige Wiedergeburt ihrer<lb/> Seele, in den feierlichen Formen der Kirche, mit alleil Äußerlichkeiten der römisch-<lb/> katholischen Absolution versinnlicht wird, ist wenigstens vom Gesichtspunkte der<lb/> dramatischen Kunst dann nicht zu verwerfen, nur muß auch hier der Priester nicht<lb/> im weinerlichen Ton einer gerührten Salbung, sondern mit der stolzen selbstbe¬<lb/> wußten Gewalt einer plötzlichen Eingebung und Inspiration sprechen; denn auch<lb/> in dieser Scene sollen wir nicht gerührt, sondern erschüttert und gehoben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_39"> Von einem andern Gesichtspunkt ans muß uus freilich die Anwendung dieses<lb/> Mittels sehr bedenklich erscheinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_40" next="#ID_41"> Der Gegensatz zwischen Maria und Elisabeth ist kein blos individueller; es<lb/> prägen sich in ihnen und ihren Umgebungen zwei widerstreitende Weltanschauungen<lb/> aus, Protestantismus und Katholicismus. Dieser Contrast, wenn er mit Tiefe<lb/> und Gerechtigkeit aufgefaßt wird, ist ein nicht unwürdiger Gegenstand der Poesie,<lb/> obwohl es zu bezweifeln ist, ob er im Drama seine angemessene Stätte findet, da<lb/> er, eine gewisse Breite der Darstellung unerläßlich macht. Walter Scott hat in<lb/> seinem Abt, welchen Roman man übrigens Schauspielerinnen, die über den Cha¬<lb/> rakter der Maria Stuart nachdenken möchten, empfehlen kann, diesen Gegensatz<lb/> an demselben historischen Vorwurf mit großer Feinheit und sicherm Takt entwickelt.<lb/> In neuerer Zeit hat man es versucht, und uicht ohne Glück, ihn in der Oper<lb/> zu zeichnen. Andeutungsweise sind in Schiller's Tragödie die Einwirkungen der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
ergänzen; wir müssen empfinden, daß sich zwei starke, unbändige Naturen gegen¬
über stehen, nicht blos das Opfer dem Schlächter.
Aber es wird anch nothwendig sein, diese Scene nicht als etwas Fremdes,
nnmotivirt in die Passivität ihres sonstigen Verhaltens eintreten zu lassen, wir
müssen anch in der Resignation, in welcher sie uns vorher erscheint, den stolzen
Geist ahnen, der sich nur unwillig dem Joche beugt. Schiller hat dies im Ein¬
zelnen angedeutet; es kommt darauf an, diese Andeutungen in Zusammenhang
zu bringen. Vor allen Dingen müssen die lyrischen Stellen im Garten nicht mit
weicher Empfindung, sondern mit dem heftigen Aufbrausen einer freiheitsdürstigen
Seele, die sich lauge mit Gewalt zurückgehalten hat, gesprochen werden.
Nur auf diese Art ist im Charakter Mariens, wie er während des Stücks
zur Darstellung kommt, eine Bewegung und Entwickelung denkbar. Ihr Geist
ist im Anfang zwar gefangen, aber nicht gebrochen; er muß noch einmal in sei¬
ner ganzen Fülle sich zusammenraffen, um sich dann durch die Macht des Glau¬
bens unbedingt vor Gott zu demüthigen und mit vollem Bewußtsein das ihm
widerfahrene Unrecht, die Gewaltthat der Feinde und die Treulosigkeit des Ge«
liebten, als ein höheres Recht des Himmels hinzunehmen. Für diesen Umschwung
ist die kurze Scene mit Mortimer, in welcher sie sich vor ihrem treusten Freunde
entsetzen muß und wo in seiner wilden Leidenschaft ihr das Bild der eignen Ver¬
gangenheit mit allen Schrecken des Gewissens entgegentritt, eine sehr nothwendige
Vorbereitung, und daß der Umschwung selbst, die geistige Wiedergeburt ihrer
Seele, in den feierlichen Formen der Kirche, mit alleil Äußerlichkeiten der römisch-
katholischen Absolution versinnlicht wird, ist wenigstens vom Gesichtspunkte der
dramatischen Kunst dann nicht zu verwerfen, nur muß auch hier der Priester nicht
im weinerlichen Ton einer gerührten Salbung, sondern mit der stolzen selbstbe¬
wußten Gewalt einer plötzlichen Eingebung und Inspiration sprechen; denn auch
in dieser Scene sollen wir nicht gerührt, sondern erschüttert und gehoben werden.
Von einem andern Gesichtspunkt ans muß uus freilich die Anwendung dieses
Mittels sehr bedenklich erscheinen.
Der Gegensatz zwischen Maria und Elisabeth ist kein blos individueller; es
prägen sich in ihnen und ihren Umgebungen zwei widerstreitende Weltanschauungen
aus, Protestantismus und Katholicismus. Dieser Contrast, wenn er mit Tiefe
und Gerechtigkeit aufgefaßt wird, ist ein nicht unwürdiger Gegenstand der Poesie,
obwohl es zu bezweifeln ist, ob er im Drama seine angemessene Stätte findet, da
er, eine gewisse Breite der Darstellung unerläßlich macht. Walter Scott hat in
seinem Abt, welchen Roman man übrigens Schauspielerinnen, die über den Cha¬
rakter der Maria Stuart nachdenken möchten, empfehlen kann, diesen Gegensatz
an demselben historischen Vorwurf mit großer Feinheit und sicherm Takt entwickelt.
In neuerer Zeit hat man es versucht, und uicht ohne Glück, ihn in der Oper
zu zeichnen. Andeutungsweise sind in Schiller's Tragödie die Einwirkungen der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |