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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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rauscht. Der Verbrauch des Hafers durch die Pferde ist dagegen uicht bedeutend,
denn die Weide gewährt diesen Thieren fast acht Monate lang ihren Unterhalt.
Der Preis der Gerste verhält sich zu dem des Hafers in Polen ungefähr wie
6 zu 5, während in Deutschland das Verhältniß wie 6 zu 4 ist.

Beide Getreidearten werden ans die Winterstoppel gesäet und untergepflügt;
selbst das Stürzen der Roggen- und Weizenstoppel im Herbste erspart man sich
in den meisten Wirthschaften. Die Gerste aber wird, wenn es sich bequem thun
läßt, gedüngt. Einem Deutschen ist das sehr auffallend. Woher die seltsame
in Polen allgemein verbreitete Meinung stammt, daß die Gerste vor allen andern
Getreidearten frischen Dünger liebe und desselben bedürftig sei, begreife ich nicht.
Dies Düngen ist um so sonderbarer, da die Gerste keinen 'hohen Preis hat und
die Brauereien sogar gegen die Duuggcrste eingenommen sind.

Von der Gedankenlosigkeit der Felduutzung zeugt ferner, daß man nach
der gedüngten Gerste ebenso das Feld brach liegen laßt, wie nach der nnge-
düngten. Andere Feldfrüchte, Sommerkorn, Buchweizen, Linsen, Kartoffeln,
Rüben, Kraut, baut man, wie Gerste, uach dem Wintergetreide im zweiten Jahr,
die letztern mit Dünger. Oder man bestimmt einen dem Gehöft zunächst gele¬
genen Theil des Feldes für immer ausschließlich gewissen Sommerfrüchten. Erbsen,
Kartoffeln, Lein und Gurken stehen auf sehr vielen Gütern Jahr für Jahr auf
demselben Flecke. Die Stoffe, welche diese Früchte aus dem Boden saugen, ersetzt
man durch die ungeheuren Mistmassen, die wegen der Nähe ausschließlich auf
dieses Feldstück geworfen werden. Auf dasselbe abgesonderte Feldstück werden
diejenigen Gemüsesorten, welche sich säen lassen, gemischt gesäet. Der Samen
von weißen und rothen Rüben, Pastinake", Rettigen und Mohren wird fast
überall gemengt gesäet. Mohren und Pastinaken findet man trotzdem von
ungewöhnlicher Größe und sehr gutem Geschmack, trotz des frischen Düngers.
Die rothen Rüben werden nie groß, und der Pole gibt gerade den dünnen rothen
Rüben den Vorzug, weil sie zarter im Fleisch und von dunklerer Nöthe sind.
Die, welche einen Zoll im Durchmesser haben, hält man für die schönsten. Es
werden nirgend in der Welt so viel rothe Rüben genossen, als in Polen. Sie
spielen als unentbehrlicher Bestandtheil fast jeder Suppe, als Salat, als Gemüse
und als Backwerk ihre Rolle. Dem Bauer dienen sie so wie das wilde Obst
zur Erzeugung des sauren Wassers, seines Quas, welches er täglich dreimal als
Suppe genießt. Die Rüben werden geviertheilt und roh in das große Quas-
saß geworfen und unter Wasser gesetzt. Das Wasser bekommt anfangs einen sehr
süßen, widerlichen, nach sechs bis acht Tagen aber einen weinsäuerlichen Geschmack,
der mit der Zeit die Schärfe des Essigs gewinnt, was dem polnischen Gaumen
sehr schätzenswerth erscheint. Die Gurken wachsen trotz der nachlässige" Behand¬
lung wunderbar. ^

Zwei Früchte gibt es, welchen der polnische Landwirth vorzugsweise Fleiß und


rauscht. Der Verbrauch des Hafers durch die Pferde ist dagegen uicht bedeutend,
denn die Weide gewährt diesen Thieren fast acht Monate lang ihren Unterhalt.
Der Preis der Gerste verhält sich zu dem des Hafers in Polen ungefähr wie
6 zu 5, während in Deutschland das Verhältniß wie 6 zu 4 ist.

Beide Getreidearten werden ans die Winterstoppel gesäet und untergepflügt;
selbst das Stürzen der Roggen- und Weizenstoppel im Herbste erspart man sich
in den meisten Wirthschaften. Die Gerste aber wird, wenn es sich bequem thun
läßt, gedüngt. Einem Deutschen ist das sehr auffallend. Woher die seltsame
in Polen allgemein verbreitete Meinung stammt, daß die Gerste vor allen andern
Getreidearten frischen Dünger liebe und desselben bedürftig sei, begreife ich nicht.
Dies Düngen ist um so sonderbarer, da die Gerste keinen 'hohen Preis hat und
die Brauereien sogar gegen die Duuggcrste eingenommen sind.

Von der Gedankenlosigkeit der Felduutzung zeugt ferner, daß man nach
der gedüngten Gerste ebenso das Feld brach liegen laßt, wie nach der nnge-
düngten. Andere Feldfrüchte, Sommerkorn, Buchweizen, Linsen, Kartoffeln,
Rüben, Kraut, baut man, wie Gerste, uach dem Wintergetreide im zweiten Jahr,
die letztern mit Dünger. Oder man bestimmt einen dem Gehöft zunächst gele¬
genen Theil des Feldes für immer ausschließlich gewissen Sommerfrüchten. Erbsen,
Kartoffeln, Lein und Gurken stehen auf sehr vielen Gütern Jahr für Jahr auf
demselben Flecke. Die Stoffe, welche diese Früchte aus dem Boden saugen, ersetzt
man durch die ungeheuren Mistmassen, die wegen der Nähe ausschließlich auf
dieses Feldstück geworfen werden. Auf dasselbe abgesonderte Feldstück werden
diejenigen Gemüsesorten, welche sich säen lassen, gemischt gesäet. Der Samen
von weißen und rothen Rüben, Pastinake», Rettigen und Mohren wird fast
überall gemengt gesäet. Mohren und Pastinaken findet man trotzdem von
ungewöhnlicher Größe und sehr gutem Geschmack, trotz des frischen Düngers.
Die rothen Rüben werden nie groß, und der Pole gibt gerade den dünnen rothen
Rüben den Vorzug, weil sie zarter im Fleisch und von dunklerer Nöthe sind.
Die, welche einen Zoll im Durchmesser haben, hält man für die schönsten. Es
werden nirgend in der Welt so viel rothe Rüben genossen, als in Polen. Sie
spielen als unentbehrlicher Bestandtheil fast jeder Suppe, als Salat, als Gemüse
und als Backwerk ihre Rolle. Dem Bauer dienen sie so wie das wilde Obst
zur Erzeugung des sauren Wassers, seines Quas, welches er täglich dreimal als
Suppe genießt. Die Rüben werden geviertheilt und roh in das große Quas-
saß geworfen und unter Wasser gesetzt. Das Wasser bekommt anfangs einen sehr
süßen, widerlichen, nach sechs bis acht Tagen aber einen weinsäuerlichen Geschmack,
der mit der Zeit die Schärfe des Essigs gewinnt, was dem polnischen Gaumen
sehr schätzenswerth erscheint. Die Gurken wachsen trotz der nachlässige» Behand¬
lung wunderbar. ^

Zwei Früchte gibt es, welchen der polnische Landwirth vorzugsweise Fleiß und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/155>, abgerufen am 01.09.2024.