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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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gesammtministeriellen Princips hielt Hr. v. Zwehl sich immer gleichermaßen fern,
wie Herr. v. Forster.

Viel aasiger zeigte sich dagegen von allem Anfang an Hr. Ringelmann anch
in dieser Sphäre. Er ist überhaupt eine Persönlichkeit, deren erster Anblick
bei einiger physiognomischer Beobachtungsgabe uns den Eindruck geschäftiger Be¬
weglichkeit macht. Dem Typus seiner ganzen Erscheinung begegnen wir auf
Handelsplätzen häufig; er repräsentirt jene Geschäftsleute zweiter oder dritter
Klasse, welche meistens nur ein ganz dunkles, kleines Comptoir und einen ein¬
igen wunderlich verzwergten, dort beständig zu findenden Gehilfen besitzen, wel¬
cher aber niemals genau weiß, wo gerade der Herr sich befindet. Denn Dieser
nonne eben nur für Momente nach Haus, steht bald da, bald dort in einer La¬
denthür, verschwindet in diesem Comptoir, und taucht in jenem wieder ans, wird
überall mit einer gewissen Vertraulichkeit behandelt, und gehört doch nicht zum
Kreise, weiß jedoch aus demselben noch viel mehr Intimitäten als die dazu Gehöri¬
gen, verliert sich Abends in einem wenig eleganten Quartier, ist am folgenden
T"ge wieder regelmäßig ans dem Platze, und läßt's erst beim Sterben erfahren,
daß er ein außerordentlich reicher Maun geworden. Solche Leute sind meistens
untersetzter Statur, haben rundliche LcibeSwölbungen, doch keinen Bauch, gewvhu-
^es etwas weinröthlich-souueubraunes Antlitz, muntere, etwas verschmitzte Angen,
^Jede, etwas ungeschickte Bewegungen, eine ditto Sprache und einen gewissen
gemüthlichen Anflug in allem Thun und Wesen. Gerade so erscheint auch Hr. Ringel-
">ann, dessen schwarzgrauer Lockenkopf am Ministcrtisch viel eher an einen brauch¬
baren Handelsdirigenten, als an einen Minister des Cultus und Unterrichts den-
läßt. Gemüthlichkeit ist "um bekanntlich diejenige Eigenschaft, deren Besitz
^"Westdeutschland vor Allem für sich in Anspruch nimmt; mit einer gewissen
Gemüthlichkeit läßt sich in Bayern anch sehr viel machen. Und so war's vollkom¬
men klug, daß Hr. Ringelmann bis zur Kammeranflösnngöepvche diesen Ton ans-
Mteßlich anschlug. Ja, er baute so stark ans dessen Wirkung, daß er damals
"""t sogar das Mißtrauensvotum gegen das Ministerium, abzuwenden suchte.
Wirkliche schlagende Gründe hatte er zwar weder für dessen System, uoch für
>cui Verhalten in der Deutschen Frage, aber er meinte, wenn Jemand Minister
geworden sei, dürfe man doch nicht plötzlich sein ganzes sicheres Leben vergessen,
er sich ^ oravcr und freisinniger Mann bewiesen habe, n. tgi. in.

der Ferne, und wenn man nicht eben die ganze Persönlichkeit des Syra-
,!,ers, so wie die Bildungs- und Anschauungsweise der Angesprochenen daneben
^ut, "rag dieg komisch und naiv ans dem Munde eines Ministers klingen. An
^ bezeichneten Stelle und zu jener Zeit war es jedoch vortrefflich berechnet,
"^erkennt Hr. Ringelmann sehr wohl, wo diese Gemüthlichkeit angebracht ist, wo
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vor der radicalen Kammer in den großen, 1849 vor der willfährigen Kammer


gesammtministeriellen Princips hielt Hr. v. Zwehl sich immer gleichermaßen fern,
wie Herr. v. Forster.

Viel aasiger zeigte sich dagegen von allem Anfang an Hr. Ringelmann anch
in dieser Sphäre. Er ist überhaupt eine Persönlichkeit, deren erster Anblick
bei einiger physiognomischer Beobachtungsgabe uns den Eindruck geschäftiger Be¬
weglichkeit macht. Dem Typus seiner ganzen Erscheinung begegnen wir auf
Handelsplätzen häufig; er repräsentirt jene Geschäftsleute zweiter oder dritter
Klasse, welche meistens nur ein ganz dunkles, kleines Comptoir und einen ein¬
igen wunderlich verzwergten, dort beständig zu findenden Gehilfen besitzen, wel¬
cher aber niemals genau weiß, wo gerade der Herr sich befindet. Denn Dieser
nonne eben nur für Momente nach Haus, steht bald da, bald dort in einer La¬
denthür, verschwindet in diesem Comptoir, und taucht in jenem wieder ans, wird
überall mit einer gewissen Vertraulichkeit behandelt, und gehört doch nicht zum
Kreise, weiß jedoch aus demselben noch viel mehr Intimitäten als die dazu Gehöri¬
gen, verliert sich Abends in einem wenig eleganten Quartier, ist am folgenden
T"ge wieder regelmäßig ans dem Platze, und läßt's erst beim Sterben erfahren,
daß er ein außerordentlich reicher Maun geworden. Solche Leute sind meistens
untersetzter Statur, haben rundliche LcibeSwölbungen, doch keinen Bauch, gewvhu-
^es etwas weinröthlich-souueubraunes Antlitz, muntere, etwas verschmitzte Angen,
^Jede, etwas ungeschickte Bewegungen, eine ditto Sprache und einen gewissen
gemüthlichen Anflug in allem Thun und Wesen. Gerade so erscheint auch Hr. Ringel-
">ann, dessen schwarzgrauer Lockenkopf am Ministcrtisch viel eher an einen brauch¬
baren Handelsdirigenten, als an einen Minister des Cultus und Unterrichts den-
läßt. Gemüthlichkeit ist »um bekanntlich diejenige Eigenschaft, deren Besitz
^»Westdeutschland vor Allem für sich in Anspruch nimmt; mit einer gewissen
Gemüthlichkeit läßt sich in Bayern anch sehr viel machen. Und so war's vollkom¬
men klug, daß Hr. Ringelmann bis zur Kammeranflösnngöepvche diesen Ton ans-
Mteßlich anschlug. Ja, er baute so stark ans dessen Wirkung, daß er damals
"""t sogar das Mißtrauensvotum gegen das Ministerium, abzuwenden suchte.
Wirkliche schlagende Gründe hatte er zwar weder für dessen System, uoch für
>cui Verhalten in der Deutschen Frage, aber er meinte, wenn Jemand Minister
geworden sei, dürfe man doch nicht plötzlich sein ganzes sicheres Leben vergessen,
er sich ^ oravcr und freisinniger Mann bewiesen habe, n. tgi. in.

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^ut, „rag dieg komisch und naiv ans dem Munde eines Ministers klingen. An
^ bezeichneten Stelle und zu jener Zeit war es jedoch vortrefflich berechnet,
"^erkennt Hr. Ringelmann sehr wohl, wo diese Gemüthlichkeit angebracht ist, wo
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vor der radicalen Kammer in den großen, 1849 vor der willfährigen Kammer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/65>, abgerufen am 23.07.2024.