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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Saale zu weisen, so hatte die Negierung die eingeschüchterte Kammer in der
Hand. Der Antrag ans die Suspension ihres Maubads, so lange und weil die
Pfalz im Aufruhr, war allerdings noch ein Wagstück; allein im Reichsrath hatte
das Ministerium ein Vertrauensvotum (gegen die einzige Stimme des Fürsten
Wallerstein) erhalten, in der Abgeordnetenkammer hatte es die 62 für sich, und
gegen die rebellische Pfalz war bereits durch die Centralgewalt Preußische Hilfe
verheißen. So ward es gewagt. -- Gelang auch der Sieg nicht in dieser
Weise, so gab doch das rohe Mittel des Gesammtaustrittes der Linken, als Schutz
gegen die eben so rohe Dienstcifrigkcit des Präsidiums, die lang gewünschte Lage
der Dinge. Eine Kammer, welche sich selbst beschlußunfähig machte, war ein
todtes Glied des Staates; das Ministeri-um hatte das moralische Recht für sich,
als es zur Auflösung schritt.

Das Ministerium Bray hatte die Taktlosigkeit begangen, von dem Moment
an, wo das Mißtrauensvotum gegen dasselbe beschlossen war, den Ministcrialrä-
tbcn fast ausschließlich die parlamentarische Vertretung der Regierung zu überlassen.
Darin erschien das Ministerin"! Pfordten vom ersten Moment an -- muthvoller.
Denn von allen seinen Mitgliedern hat eigentlich keines gesprochen, außer bereits
vom Mißtrauensvotum betroffen. Man müßte den Hrn. v. Kleinschrod auf-
nehmen, welcher in der Sitzung vom 17. Mai das Programm vorlas und mit
ein Paar unbedeutenden Worten begleitete. So wie dies aver geschehen, war
anch das Mißtrauensvotum fertig, wenn gleich noch nicht formulirt. Eigentlich
war's ganz geschickt, daß gerade Hr. v. Kleinschrod der Herold dieses MaifesteS
sein mußte. Denn wenn man von Sympathien reden mochte, so war er wol
diejenige Persönlichkeit, welche deren noch am Meisten genoß. Die Kleinschrod
gehören dem bekanntesten Staatsdieneradcl an, und Hr. v Kleinschrod war als
Richter persönlich allerwärts ein hochgeachteter Name. Er hat etwas Aristokra¬
tisches in der Erscheinung, allein wer seine Behabung genauer beobachtet, mag
auch bald erkennen, wie dieselbe mehr vom Bewußtsein seiner Würde dictirt, als
durch frühzeitige Angewöhnung eingewachsen ist. Hr. v. Kleinschrod ist in seinem
öffentlichen Auftreten ein bis zum Finstern ernster Mann, und wenn er spricht,
möchte man beinahe glauben, er sei innerlich fortwährend darüber geärgert, dem
"beschränkten Unterthanenverstande" Rede stehen zu müssen. Widerlegt er, se'
poltert er leicht bis zur vollen UnVerständlichkeit, besonders wenn etwa der daz"
nöthigende Oppositionsgeist sich mit weniger Wissen als Bosheit äußerte; erläutert
er, so thut er es gewöhnlich auf so ausgesucht trockene Weise, als ob derartige
Bemühung der Würde eines Ministers nahetrete. Am Wundersamsten nehmen
sich aber seine Beschwichtigungen aus, welche die höflichsten Dinge mit bald grol¬
lendem, bald wegwerfenden, bald geringschätzigen Tone vorbringen, so daß sie gewöhn¬
lich das directe Gegentheil ihrer Absicht bewirken, ohne daß man eS den gewählten
Worten selbst zur Last zu legen vermöchte. Diese Gewohnheiten oder Eigenschaft


Saale zu weisen, so hatte die Negierung die eingeschüchterte Kammer in der
Hand. Der Antrag ans die Suspension ihres Maubads, so lange und weil die
Pfalz im Aufruhr, war allerdings noch ein Wagstück; allein im Reichsrath hatte
das Ministerium ein Vertrauensvotum (gegen die einzige Stimme des Fürsten
Wallerstein) erhalten, in der Abgeordnetenkammer hatte es die 62 für sich, und
gegen die rebellische Pfalz war bereits durch die Centralgewalt Preußische Hilfe
verheißen. So ward es gewagt. — Gelang auch der Sieg nicht in dieser
Weise, so gab doch das rohe Mittel des Gesammtaustrittes der Linken, als Schutz
gegen die eben so rohe Dienstcifrigkcit des Präsidiums, die lang gewünschte Lage
der Dinge. Eine Kammer, welche sich selbst beschlußunfähig machte, war ein
todtes Glied des Staates; das Ministeri-um hatte das moralische Recht für sich,
als es zur Auflösung schritt.

Das Ministerium Bray hatte die Taktlosigkeit begangen, von dem Moment
an, wo das Mißtrauensvotum gegen dasselbe beschlossen war, den Ministcrialrä-
tbcn fast ausschließlich die parlamentarische Vertretung der Regierung zu überlassen.
Darin erschien das Ministerin»! Pfordten vom ersten Moment an — muthvoller.
Denn von allen seinen Mitgliedern hat eigentlich keines gesprochen, außer bereits
vom Mißtrauensvotum betroffen. Man müßte den Hrn. v. Kleinschrod auf-
nehmen, welcher in der Sitzung vom 17. Mai das Programm vorlas und mit
ein Paar unbedeutenden Worten begleitete. So wie dies aver geschehen, war
anch das Mißtrauensvotum fertig, wenn gleich noch nicht formulirt. Eigentlich
war's ganz geschickt, daß gerade Hr. v. Kleinschrod der Herold dieses MaifesteS
sein mußte. Denn wenn man von Sympathien reden mochte, so war er wol
diejenige Persönlichkeit, welche deren noch am Meisten genoß. Die Kleinschrod
gehören dem bekanntesten Staatsdieneradcl an, und Hr. v Kleinschrod war als
Richter persönlich allerwärts ein hochgeachteter Name. Er hat etwas Aristokra¬
tisches in der Erscheinung, allein wer seine Behabung genauer beobachtet, mag
auch bald erkennen, wie dieselbe mehr vom Bewußtsein seiner Würde dictirt, als
durch frühzeitige Angewöhnung eingewachsen ist. Hr. v. Kleinschrod ist in seinem
öffentlichen Auftreten ein bis zum Finstern ernster Mann, und wenn er spricht,
möchte man beinahe glauben, er sei innerlich fortwährend darüber geärgert, dem
„beschränkten Unterthanenverstande" Rede stehen zu müssen. Widerlegt er, se'
poltert er leicht bis zur vollen UnVerständlichkeit, besonders wenn etwa der daz»
nöthigende Oppositionsgeist sich mit weniger Wissen als Bosheit äußerte; erläutert
er, so thut er es gewöhnlich auf so ausgesucht trockene Weise, als ob derartige
Bemühung der Würde eines Ministers nahetrete. Am Wundersamsten nehmen
sich aber seine Beschwichtigungen aus, welche die höflichsten Dinge mit bald grol¬
lendem, bald wegwerfenden, bald geringschätzigen Tone vorbringen, so daß sie gewöhn¬
lich das directe Gegentheil ihrer Absicht bewirken, ohne daß man eS den gewählten
Worten selbst zur Last zu legen vermöchte. Diese Gewohnheiten oder Eigenschaft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/62>, abgerufen am 24.07.2024.