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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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t'einen mit einigen Jahren Festung bestrafen würde, so dürfen doch bei den national-
französischen Regimentern nie Stockschläge und ähnliche körperliche Züchtigungen vor¬
kommen Arrest verschiedenen Grades, Strafarbeiten, Versetzungen in dieDiscipli-
narcompaguieu, oder, bei schwereren Vergeben, Bagno oder Tod durch die Kugel
sind die militairischen Strafen. Der französische Officier wird den Soldaten nie
körperlich mißhandeln, oder ihn nnr mit erniedrigenden Schimpfreden benennen.
Im gemeinen Soldaten achtet der Officier einen möglichen Kameraden, und
sucht denselben ans alle Weise zu sich heraufzuziehen. Die Soldaten halten selbst
darauf, daß rohe oder ganz ehrenrührige Schimpfnamen unter ihnen 10 selten als
möglich vorkommen. Auch Prügeleien mit Stöcken oder Fäusten sind selten, und
werdeu streug bestraft. Dagegen ist man bei der Bestrafung der Duelle unter
den Soldaten' ungemein nachsichtig, und drückt gewöhnlich ein Ange zu, wenn der¬
gleichen vorgefallen find. Die Soldaten machen nicht selten, Ke Unteroffwere
aber gewöhnlich, wie bei uns die Officiere, ihre Streitigkeiten mit dem Säbel aus.

Diese Ausbildung des Ehrgefühls unter den Soldaten macht auch, daß
die französische Armee ein so reges Interesse für das preußische Heer bezeugt,
das aus ähnlichen Principien begründet ist. Man bemerkt in Frankreich unter
sämmtlichen Gliedern des Heeres eine lebhafte Neugierde für alle militairischen
Einrichtungen in Preußen, und selbst gewöhnliche Soldaten haben sich artig
und angelegentlich ''bei mir ans daS Umständlichste nach denselben erkundigt.
Besonders das in Preußen herrschende Princip der Mgemeincn Wehrpflicht ge¬
fällt den Franzosen, als mit ihren Begriffen von Gleichheit übereinstimmend, unge-
'nein. "So sollte es anch bei uns sein; diese schlechte Einrichtung, daß die Rei¬
chen sich noch für ihr Geld einen Stellvertreter kaufen können, müßte aufhören;
es ist eine Schande, daß so etwas noch in Frankreich geduldet wird," kann man
häufig vou Soldaten hören. Diese Erlaubniß, den Dienst durch Stellvertretung
besorgen zu lassen, ist in der That eine Schattenseite der französischen Armee,
und es ist mir unbegreiflich, daß die Nationalversammlung solche Unsitte noch
nicht ausgehoben hat/ Es ist durch statistische Zahlenangaben genan ermittelt,
daß verhältnißmäßig gerade von diesen Stellvertretern die meisten militairischen
Vergehen begangen werden. Selten bringen es dieselben zu militairischen Gra¬
den, und selbst unter den Unterofficieren trifft man nicht allzuviele von ihnen an.
Eine zweite Einrichtung. die den Franzosen bei der preußischen Armee ge¬
fällt, ist die kurze Dienstzeit der Soldaten. Der französische Soldat hat eine
gesetzliche Dienstzeit von 6 Jahren, von denen er mindestens lV- Jahre ununter-
b'rochen bei der Fahne zubringt. Mit dem 21. Jahre geschieht gewöhnlich die
Conscription. Der Conscribirte. den das Loos getroffen, wird aber nicht sogleich
einberufen, man läßt ihn noch V2--Jahr zu Hause, und die Regimenter er¬
halten selten Recruten vor dem 22. Jahre. So tritt er erst im 27. Jahre in
das bürgerliche Leben zurück, um sein früheres Geschäft wieder aufzunehmen.


t'einen mit einigen Jahren Festung bestrafen würde, so dürfen doch bei den national-
französischen Regimentern nie Stockschläge und ähnliche körperliche Züchtigungen vor¬
kommen Arrest verschiedenen Grades, Strafarbeiten, Versetzungen in dieDiscipli-
narcompaguieu, oder, bei schwereren Vergeben, Bagno oder Tod durch die Kugel
sind die militairischen Strafen. Der französische Officier wird den Soldaten nie
körperlich mißhandeln, oder ihn nnr mit erniedrigenden Schimpfreden benennen.
Im gemeinen Soldaten achtet der Officier einen möglichen Kameraden, und
sucht denselben ans alle Weise zu sich heraufzuziehen. Die Soldaten halten selbst
darauf, daß rohe oder ganz ehrenrührige Schimpfnamen unter ihnen 10 selten als
möglich vorkommen. Auch Prügeleien mit Stöcken oder Fäusten sind selten, und
werdeu streug bestraft. Dagegen ist man bei der Bestrafung der Duelle unter
den Soldaten' ungemein nachsichtig, und drückt gewöhnlich ein Ange zu, wenn der¬
gleichen vorgefallen find. Die Soldaten machen nicht selten, Ke Unteroffwere
aber gewöhnlich, wie bei uns die Officiere, ihre Streitigkeiten mit dem Säbel aus.

Diese Ausbildung des Ehrgefühls unter den Soldaten macht auch, daß
die französische Armee ein so reges Interesse für das preußische Heer bezeugt,
das aus ähnlichen Principien begründet ist. Man bemerkt in Frankreich unter
sämmtlichen Gliedern des Heeres eine lebhafte Neugierde für alle militairischen
Einrichtungen in Preußen, und selbst gewöhnliche Soldaten haben sich artig
und angelegentlich ''bei mir ans daS Umständlichste nach denselben erkundigt.
Besonders das in Preußen herrschende Princip der Mgemeincn Wehrpflicht ge¬
fällt den Franzosen, als mit ihren Begriffen von Gleichheit übereinstimmend, unge-
'nein. „So sollte es anch bei uns sein; diese schlechte Einrichtung, daß die Rei¬
chen sich noch für ihr Geld einen Stellvertreter kaufen können, müßte aufhören;
es ist eine Schande, daß so etwas noch in Frankreich geduldet wird," kann man
häufig vou Soldaten hören. Diese Erlaubniß, den Dienst durch Stellvertretung
besorgen zu lassen, ist in der That eine Schattenseite der französischen Armee,
und es ist mir unbegreiflich, daß die Nationalversammlung solche Unsitte noch
nicht ausgehoben hat/ Es ist durch statistische Zahlenangaben genan ermittelt,
daß verhältnißmäßig gerade von diesen Stellvertretern die meisten militairischen
Vergehen begangen werden. Selten bringen es dieselben zu militairischen Gra¬
den, und selbst unter den Unterofficieren trifft man nicht allzuviele von ihnen an.
Eine zweite Einrichtung. die den Franzosen bei der preußischen Armee ge¬
fällt, ist die kurze Dienstzeit der Soldaten. Der französische Soldat hat eine
gesetzliche Dienstzeit von 6 Jahren, von denen er mindestens lV- Jahre ununter-
b'rochen bei der Fahne zubringt. Mit dem 21. Jahre geschieht gewöhnlich die
Conscription. Der Conscribirte. den das Loos getroffen, wird aber nicht sogleich
einberufen, man läßt ihn noch V2—Jahr zu Hause, und die Regimenter er¬
halten selten Recruten vor dem 22. Jahre. So tritt er erst im 27. Jahre in
das bürgerliche Leben zurück, um sein früheres Geschäft wieder aufzunehmen.


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[0417] t'einen mit einigen Jahren Festung bestrafen würde, so dürfen doch bei den national- französischen Regimentern nie Stockschläge und ähnliche körperliche Züchtigungen vor¬ kommen Arrest verschiedenen Grades, Strafarbeiten, Versetzungen in dieDiscipli- narcompaguieu, oder, bei schwereren Vergeben, Bagno oder Tod durch die Kugel sind die militairischen Strafen. Der französische Officier wird den Soldaten nie körperlich mißhandeln, oder ihn nnr mit erniedrigenden Schimpfreden benennen. Im gemeinen Soldaten achtet der Officier einen möglichen Kameraden, und sucht denselben ans alle Weise zu sich heraufzuziehen. Die Soldaten halten selbst darauf, daß rohe oder ganz ehrenrührige Schimpfnamen unter ihnen 10 selten als möglich vorkommen. Auch Prügeleien mit Stöcken oder Fäusten sind selten, und werdeu streug bestraft. Dagegen ist man bei der Bestrafung der Duelle unter den Soldaten' ungemein nachsichtig, und drückt gewöhnlich ein Ange zu, wenn der¬ gleichen vorgefallen find. Die Soldaten machen nicht selten, Ke Unteroffwere aber gewöhnlich, wie bei uns die Officiere, ihre Streitigkeiten mit dem Säbel aus. Diese Ausbildung des Ehrgefühls unter den Soldaten macht auch, daß die französische Armee ein so reges Interesse für das preußische Heer bezeugt, das aus ähnlichen Principien begründet ist. Man bemerkt in Frankreich unter sämmtlichen Gliedern des Heeres eine lebhafte Neugierde für alle militairischen Einrichtungen in Preußen, und selbst gewöhnliche Soldaten haben sich artig und angelegentlich ''bei mir ans daS Umständlichste nach denselben erkundigt. Besonders das in Preußen herrschende Princip der Mgemeincn Wehrpflicht ge¬ fällt den Franzosen, als mit ihren Begriffen von Gleichheit übereinstimmend, unge- 'nein. „So sollte es anch bei uns sein; diese schlechte Einrichtung, daß die Rei¬ chen sich noch für ihr Geld einen Stellvertreter kaufen können, müßte aufhören; es ist eine Schande, daß so etwas noch in Frankreich geduldet wird," kann man häufig vou Soldaten hören. Diese Erlaubniß, den Dienst durch Stellvertretung besorgen zu lassen, ist in der That eine Schattenseite der französischen Armee, und es ist mir unbegreiflich, daß die Nationalversammlung solche Unsitte noch nicht ausgehoben hat/ Es ist durch statistische Zahlenangaben genan ermittelt, daß verhältnißmäßig gerade von diesen Stellvertretern die meisten militairischen Vergehen begangen werden. Selten bringen es dieselben zu militairischen Gra¬ den, und selbst unter den Unterofficieren trifft man nicht allzuviele von ihnen an. Eine zweite Einrichtung. die den Franzosen bei der preußischen Armee ge¬ fällt, ist die kurze Dienstzeit der Soldaten. Der französische Soldat hat eine gesetzliche Dienstzeit von 6 Jahren, von denen er mindestens lV- Jahre ununter- b'rochen bei der Fahne zubringt. Mit dem 21. Jahre geschieht gewöhnlich die Conscription. Der Conscribirte. den das Loos getroffen, wird aber nicht sogleich einberufen, man läßt ihn noch V2—Jahr zu Hause, und die Regimenter er¬ halten selten Recruten vor dem 22. Jahre. So tritt er erst im 27. Jahre in das bürgerliche Leben zurück, um sein früheres Geschäft wieder aufzunehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/417>, abgerufen am 23.07.2024.