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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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in vielfacher Beziehung, bis zur Eifersüchtelei und heimlichen "der offenen An¬
feindung, sich geltend mache.

Es scheidet sich nämlich die protestantische Kirche des Thales in Lutherische,
Reformirte und niederländisch-Neformirte, Wir beginnen mit den Letzteren, der
jüngsten, erst seit wenigen Jahren von Siaatswegen anerkannten kirchlichen Ge¬
meinschaft, die auch neulich ihre "Bckeuutschriftcu" durch den Druck veröffentlicht
hat. Sie umfaßt bis jetzt uoch der Zahl nach die wenigsten Mitglieder; nnter
diesen aber sehr reiche und unter allen, wie sie sich selbst rühmt, keinen
Armen -- indem sie den Grundsatz brüderlicher Hilft zugleich zum sehr wirksamen
Motiv ihres Proselytismuö gemacht hat. Bestimmtheit, Klarheit und Schärfe
des Bekenntnisses, einfache, dem ältesten Ritus sich annähernde Formen des Cultus
zeichnen sie vortheilhaft aus. Es ist wie ein Schimmer feinerer Bildung, der
Aber dem Ganzen schwebt und sich auch in dem einfachen, behäbigen und selbst
geschmackvollen Betsaal der Gemeinde zu erkennen giebt. Auch den Hirten der¬
selben mag mau nicht "ngern mit seinem unläugbar würdigen, ernsten und von
Gelehrsamkeit zeugenden Wesen, während die anch ihm anhaftenden Pastoralen
Schwächen durch eine gewisse Feinheit und Sinnigkeit gemildert werden. Seine
Seelsorge umsaßt gleichmäßig Vornehme und Geringe, und man Hort ihm nicht
ohne Interesse zu, wenn er erzählt von seinem jugendlichen, kecken, nach Reinheit
trachtenden Glaubensmuth oder von seiner urplötzlichen "Erleuchtung" einem sich
seiner Fortschritte in der Heiligung rühmenden Heuchler gegenüber. Jeden-
s^ils sind die niederländisch-Reformirten von den übrigen protestantischen Con-
sessiousverwaudteu aus vielen Gründen eben so scheel angesehen, wie man immer
Separatisten anzusehen pflegt, denen man gern etwas am Zeuge flickte, ohne
doch rechten Anlaß finden zu köunen.

Geduldeter schon sind die älteren Reformirten, die trotz der Union von
leder streng Neformirte geblieben. Ihre Gemeinde ist beträchtlich und zählt zu
ihren Seelenhirten einen kleinen, unscheinbaren Herrn, der wohl oder übel den
^"f eines geistreichen Mannes erworben. Wäre derselbe ihm "im Thale" ge¬
worden, möchte das Urtheil vielleicht nicht ganz vollgiltig erscheinen; allein er
^t ihn schon mitgebracht .....- denn beiläufig sei's bemerkt, auch die geistliche"
^vteuzeu des Thales sind -- ausnahmlos Fremde! Wir haben den gerühmten,
Mühenden Witz an ihm nicht bemerkt, aber wenigstens Originalität wollen wir
nicht absprechen, wenn er z. B. am Krönungsjubelfest ergrimmt deu Text
^sie: "und ob er auch kämpfe, er soll doch nicht gekrönt werden" und dazu die
"bligate Begleitung eines sehr spiucuseu Kirchenliedes. Daß es übrigens
uicht alle Zeit gerathen, Geist und somit etwas hellere Ideen da zu besitzen, wo
Allgemeine" geistige Finsterniß an der Tagesordnung, mußte gerade dieser
>Verr Pastor erfahre", als er sich unlängst beikommen ließ, ein Concert zu he¬
uchelt. Darüber erhob sich ein satanischer Lärmen, und wurde so amtsbrüdcrlich


in vielfacher Beziehung, bis zur Eifersüchtelei und heimlichen »der offenen An¬
feindung, sich geltend mache.

Es scheidet sich nämlich die protestantische Kirche des Thales in Lutherische,
Reformirte und niederländisch-Neformirte, Wir beginnen mit den Letzteren, der
jüngsten, erst seit wenigen Jahren von Siaatswegen anerkannten kirchlichen Ge¬
meinschaft, die auch neulich ihre „Bckeuutschriftcu" durch den Druck veröffentlicht
hat. Sie umfaßt bis jetzt uoch der Zahl nach die wenigsten Mitglieder; nnter
diesen aber sehr reiche und unter allen, wie sie sich selbst rühmt, keinen
Armen — indem sie den Grundsatz brüderlicher Hilft zugleich zum sehr wirksamen
Motiv ihres Proselytismuö gemacht hat. Bestimmtheit, Klarheit und Schärfe
des Bekenntnisses, einfache, dem ältesten Ritus sich annähernde Formen des Cultus
zeichnen sie vortheilhaft aus. Es ist wie ein Schimmer feinerer Bildung, der
Aber dem Ganzen schwebt und sich auch in dem einfachen, behäbigen und selbst
geschmackvollen Betsaal der Gemeinde zu erkennen giebt. Auch den Hirten der¬
selben mag mau nicht »ngern mit seinem unläugbar würdigen, ernsten und von
Gelehrsamkeit zeugenden Wesen, während die anch ihm anhaftenden Pastoralen
Schwächen durch eine gewisse Feinheit und Sinnigkeit gemildert werden. Seine
Seelsorge umsaßt gleichmäßig Vornehme und Geringe, und man Hort ihm nicht
ohne Interesse zu, wenn er erzählt von seinem jugendlichen, kecken, nach Reinheit
trachtenden Glaubensmuth oder von seiner urplötzlichen „Erleuchtung" einem sich
seiner Fortschritte in der Heiligung rühmenden Heuchler gegenüber. Jeden-
s^ils sind die niederländisch-Reformirten von den übrigen protestantischen Con-
sessiousverwaudteu aus vielen Gründen eben so scheel angesehen, wie man immer
Separatisten anzusehen pflegt, denen man gern etwas am Zeuge flickte, ohne
doch rechten Anlaß finden zu köunen.

Geduldeter schon sind die älteren Reformirten, die trotz der Union von
leder streng Neformirte geblieben. Ihre Gemeinde ist beträchtlich und zählt zu
ihren Seelenhirten einen kleinen, unscheinbaren Herrn, der wohl oder übel den
^»f eines geistreichen Mannes erworben. Wäre derselbe ihm „im Thale" ge¬
worden, möchte das Urtheil vielleicht nicht ganz vollgiltig erscheinen; allein er
^t ihn schon mitgebracht .....- denn beiläufig sei's bemerkt, auch die geistliche»
^vteuzeu des Thales sind — ausnahmlos Fremde! Wir haben den gerühmten,
Mühenden Witz an ihm nicht bemerkt, aber wenigstens Originalität wollen wir
nicht absprechen, wenn er z. B. am Krönungsjubelfest ergrimmt deu Text
^sie: „und ob er auch kämpfe, er soll doch nicht gekrönt werden" und dazu die
"bligate Begleitung eines sehr spiucuseu Kirchenliedes. Daß es übrigens
uicht alle Zeit gerathen, Geist und somit etwas hellere Ideen da zu besitzen, wo
Allgemeine» geistige Finsterniß an der Tagesordnung, mußte gerade dieser
>Verr Pastor erfahre», als er sich unlängst beikommen ließ, ein Concert zu he¬
uchelt. Darüber erhob sich ein satanischer Lärmen, und wurde so amtsbrüdcrlich


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[0371] in vielfacher Beziehung, bis zur Eifersüchtelei und heimlichen »der offenen An¬ feindung, sich geltend mache. Es scheidet sich nämlich die protestantische Kirche des Thales in Lutherische, Reformirte und niederländisch-Neformirte, Wir beginnen mit den Letzteren, der jüngsten, erst seit wenigen Jahren von Siaatswegen anerkannten kirchlichen Ge¬ meinschaft, die auch neulich ihre „Bckeuutschriftcu" durch den Druck veröffentlicht hat. Sie umfaßt bis jetzt uoch der Zahl nach die wenigsten Mitglieder; nnter diesen aber sehr reiche und unter allen, wie sie sich selbst rühmt, keinen Armen — indem sie den Grundsatz brüderlicher Hilft zugleich zum sehr wirksamen Motiv ihres Proselytismuö gemacht hat. Bestimmtheit, Klarheit und Schärfe des Bekenntnisses, einfache, dem ältesten Ritus sich annähernde Formen des Cultus zeichnen sie vortheilhaft aus. Es ist wie ein Schimmer feinerer Bildung, der Aber dem Ganzen schwebt und sich auch in dem einfachen, behäbigen und selbst geschmackvollen Betsaal der Gemeinde zu erkennen giebt. Auch den Hirten der¬ selben mag mau nicht »ngern mit seinem unläugbar würdigen, ernsten und von Gelehrsamkeit zeugenden Wesen, während die anch ihm anhaftenden Pastoralen Schwächen durch eine gewisse Feinheit und Sinnigkeit gemildert werden. Seine Seelsorge umsaßt gleichmäßig Vornehme und Geringe, und man Hort ihm nicht ohne Interesse zu, wenn er erzählt von seinem jugendlichen, kecken, nach Reinheit trachtenden Glaubensmuth oder von seiner urplötzlichen „Erleuchtung" einem sich seiner Fortschritte in der Heiligung rühmenden Heuchler gegenüber. Jeden- s^ils sind die niederländisch-Reformirten von den übrigen protestantischen Con- sessiousverwaudteu aus vielen Gründen eben so scheel angesehen, wie man immer Separatisten anzusehen pflegt, denen man gern etwas am Zeuge flickte, ohne doch rechten Anlaß finden zu köunen. Geduldeter schon sind die älteren Reformirten, die trotz der Union von leder streng Neformirte geblieben. Ihre Gemeinde ist beträchtlich und zählt zu ihren Seelenhirten einen kleinen, unscheinbaren Herrn, der wohl oder übel den ^»f eines geistreichen Mannes erworben. Wäre derselbe ihm „im Thale" ge¬ worden, möchte das Urtheil vielleicht nicht ganz vollgiltig erscheinen; allein er ^t ihn schon mitgebracht .....- denn beiläufig sei's bemerkt, auch die geistliche» ^vteuzeu des Thales sind — ausnahmlos Fremde! Wir haben den gerühmten, Mühenden Witz an ihm nicht bemerkt, aber wenigstens Originalität wollen wir nicht absprechen, wenn er z. B. am Krönungsjubelfest ergrimmt deu Text ^sie: „und ob er auch kämpfe, er soll doch nicht gekrönt werden" und dazu die "bligate Begleitung eines sehr spiucuseu Kirchenliedes. Daß es übrigens uicht alle Zeit gerathen, Geist und somit etwas hellere Ideen da zu besitzen, wo Allgemeine» geistige Finsterniß an der Tagesordnung, mußte gerade dieser >Verr Pastor erfahre», als er sich unlängst beikommen ließ, ein Concert zu he¬ uchelt. Darüber erhob sich ein satanischer Lärmen, und wurde so amtsbrüdcrlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/371>, abgerufen am 23.07.2024.