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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Die erste seiner Schriften, durch die er Aufsehen erregte, waren die
(!onsiäerg,lions sur l-r rüvolMou dran^the (179K). Vor ihm hatten, außer
Burke, dem entschiedensten Gegner der Revolution in ihrem Princip, bereits
Mallet du Pan und Nivarol die Fahne des conservativen Princips aufgesteckt.
Der Hauptgedanke dieser Schrift war, daß es ein vergebliches Unternehmen sei,
eine Verfassung gründen zu wollen blos durch die Kraft deö menschlichen Gedan¬
kens, ohne Beihilfe der göttlichen Autorität. Was in dieser Vorstellung Richtiges
war -- und es ist etwas Richtiges darin, denn man macht nicht eine Verfassung,
wie man einen Nvuiau macht, und die Art und Weise, wie die französische Re¬
volution die Idee der Zweckmäßigkeit über die Idee des Rechts und über die
Stimme deö Gewissens heransgeselzt hat, ist von dem unheilvollsten Einfluß auf
die spätere Entwickelung gewesen -- ist bereits zwei Jahre früher von Gorani,
einem Anhänger der girvndistischcn Partei, in den I^kttros nux .I^rin^is ausge¬
sprochen, daß nämlich eine Verfassung nicht das Werk einer Versammlung von
Gesehgebern sein könne, sondern ans den bestehenden Institutionen hervorgehen
müsse, daß die Franzosen mit ihrem ewigen Bestreben, eine Autorität herzustellen,
die alle Lasten des Staates auf sich nimmt, und die den einzelnen Beamten der
Nothwendigkeit individueller Anstrengung überhebt, eigentlich leine Anlage zur Frei¬
heit haben, und daß daher die Republik für Frankreich ein eitler Versuch sei.
Aber Goraui's Briefe waren unbeachtet vorübergegangen, während jene Betrach¬
tungen eben ihrer religiösen und kirchlichen Tendenz wegen der Reactivnspartei
eine Waffe in die Hand gaben. Freilich ist auch hier die Religion nur als eine
Politische Handhabe betrachtet und die Kirche zu einem politischen Institut herab¬
gesetzt. Ju dieser Beziehung unterscheidet sich die Schrift wesentlich von der gleich¬
zeitigen, eines Freundes und Glaubensgenossen, des Vicomte Gabriel de Bonald^):
l'tttzonL du puuvoir politigue et rellKleux (1796), die einen dunkeln, mystischen
und grüblerischen Anstrich hatte und beinahe pessimistisch war, während die Betrach¬
tungen de Maistre's nüchtern und wenigstens der äußern Form nach verständig
""gefaßt waren, und den sichern Glauben aussprachen, daß Frankreich sich wieder¬
finden würde, daß der Klerus und der Adel, vou dem das französische Reich
gebildet sei, auch zu seiner Wiederherstellung den Beruf habe, und daß die
großen Principien von oben her wie ein Regen über das Volk ausströmen
Mußten. Diese Ansicht hat de Maistre bis an das Ende seines Lebens festgehalten,
und sie in einer im Jahre 1818 zu Petersburg erschienenen Schrift: L""^ ^ur le
priuoipo xenöralour Ä"s cousUtuttous pvlüiyuvs weiter entwickelt.

Zwei andere Schriften: On pape (1819) und vo I't^list sMiolrnv (1821)



Bvuald emigrirte -I70-I, kehrte denn unter Napoleon zurück, und nahm eine angesehene
Stellung innerhalb des Kaiserstaates ein; l8->U gehörte er in der OlutmKrc- inlrouv!r!>Je zu
^"heftigsten Royalisten; illis wurde er in die Akademie aufgenommen, Ausicr jener.Schrift
'>t sei" Hauptwerk die I^xiswiiiu primitive (-1802).

Die erste seiner Schriften, durch die er Aufsehen erregte, waren die
(!onsiäerg,lions sur l-r rüvolMou dran^the (179K). Vor ihm hatten, außer
Burke, dem entschiedensten Gegner der Revolution in ihrem Princip, bereits
Mallet du Pan und Nivarol die Fahne des conservativen Princips aufgesteckt.
Der Hauptgedanke dieser Schrift war, daß es ein vergebliches Unternehmen sei,
eine Verfassung gründen zu wollen blos durch die Kraft deö menschlichen Gedan¬
kens, ohne Beihilfe der göttlichen Autorität. Was in dieser Vorstellung Richtiges
war — und es ist etwas Richtiges darin, denn man macht nicht eine Verfassung,
wie man einen Nvuiau macht, und die Art und Weise, wie die französische Re¬
volution die Idee der Zweckmäßigkeit über die Idee des Rechts und über die
Stimme deö Gewissens heransgeselzt hat, ist von dem unheilvollsten Einfluß auf
die spätere Entwickelung gewesen — ist bereits zwei Jahre früher von Gorani,
einem Anhänger der girvndistischcn Partei, in den I^kttros nux .I^rin^is ausge¬
sprochen, daß nämlich eine Verfassung nicht das Werk einer Versammlung von
Gesehgebern sein könne, sondern ans den bestehenden Institutionen hervorgehen
müsse, daß die Franzosen mit ihrem ewigen Bestreben, eine Autorität herzustellen,
die alle Lasten des Staates auf sich nimmt, und die den einzelnen Beamten der
Nothwendigkeit individueller Anstrengung überhebt, eigentlich leine Anlage zur Frei¬
heit haben, und daß daher die Republik für Frankreich ein eitler Versuch sei.
Aber Goraui's Briefe waren unbeachtet vorübergegangen, während jene Betrach¬
tungen eben ihrer religiösen und kirchlichen Tendenz wegen der Reactivnspartei
eine Waffe in die Hand gaben. Freilich ist auch hier die Religion nur als eine
Politische Handhabe betrachtet und die Kirche zu einem politischen Institut herab¬
gesetzt. Ju dieser Beziehung unterscheidet sich die Schrift wesentlich von der gleich¬
zeitigen, eines Freundes und Glaubensgenossen, des Vicomte Gabriel de Bonald^):
l'tttzonL du puuvoir politigue et rellKleux (1796), die einen dunkeln, mystischen
und grüblerischen Anstrich hatte und beinahe pessimistisch war, während die Betrach¬
tungen de Maistre's nüchtern und wenigstens der äußern Form nach verständig
""gefaßt waren, und den sichern Glauben aussprachen, daß Frankreich sich wieder¬
finden würde, daß der Klerus und der Adel, vou dem das französische Reich
gebildet sei, auch zu seiner Wiederherstellung den Beruf habe, und daß die
großen Principien von oben her wie ein Regen über das Volk ausströmen
Mußten. Diese Ansicht hat de Maistre bis an das Ende seines Lebens festgehalten,
und sie in einer im Jahre 1818 zu Petersburg erschienenen Schrift: L««^ ^ur le
priuoipo xenöralour Ä«s cousUtuttous pvlüiyuvs weiter entwickelt.

Zwei andere Schriften: On pape (1819) und vo I't^list sMiolrnv (1821)



Bvuald emigrirte -I70-I, kehrte denn unter Napoleon zurück, und nahm eine angesehene
Stellung innerhalb des Kaiserstaates ein; l8->U gehörte er in der OlutmKrc- inlrouv!r!>Je zu
^»heftigsten Royalisten; illis wurde er in die Akademie aufgenommen, Ausicr jener.Schrift
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/353>, abgerufen am 23.07.2024.